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Dienstag, 03. September 2013

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Das Bürgerforum ist eine Nebelkerze

Geld- und Zeitverschwendung

Weinheim, 15. Mai 2012. (red) Gut 40.000 Euro wird die “Bürgerbeteiligung” in Sachen Breitwiesen kosten. Hinzu kommen bestimmt gut 10.000 Euro Kosten für die ersten anwaltlichen “Gutachten” der Stadt. Weitere Kosten können entstehen. Warum wird so viel Aufwand betrieben, wenn es bereits ein nach der Gemeindeordnung zulässiges Bürgerbegehren gibt? Man muss vermuten, dass OB Bernhard seine Haltung durchsetzen will – die Bürgerbeteiligung dient nur der Verschleierung.

Kommentar: Hardy Prothmann

Oberbürgermeister Heiner Bernhard hat schon mehrfach betont, dass er erstaunt über die Bürgeriniative sei, denn  immerhin habe es seit 2007 keinen Widerstand gegen den geplanten Tausch Hammelsbrunnen/Breitwiesen gegeben.

Er gibt sich überrascht – tatsächlich ist das Verhalten scheinheilig. Es gab keine konkreten Entwicklungen – wogegen hätte sich ein Widerstand formieren sollen? Als es im Herbst 2011 konkret wurde, hat die BI sofort an die 2.000 Unterschriften gesammelt, was den OB nicht weiter beeindruckt hat.

Fortgesetzte Nötigung

Im Eilverfahren hat OB Bernhard den Gemeinderat nahezu genötigt, für den Flächentausch zu stimmen. Die Pistole saß auf der Brust der ehrenamtlichen Stadträte, war durchgeladen, der Abzug gespannt: Entweder, ihr stimmt jetzt zu oder nicht. Eine Alternative gibt es nicht.

Und gleichzeitig hat er öffentlich gelogen: Es ist noch nichts entschieden, sagte er laut und deutlich.

Nach dem Tauschbeschluss war aber doch etwas entschieden – nämlich ein Aufstellungsbeschluss. Und gegen den sei ein Bürgerbegehren, leider, leider, nicht möglich.

Wer so mit seinem Bürgerinnen und Bürgern umgeht, steht nicht im Dialog mit ihnen, sonst nimmt sie den Arm, verschaukelt und verachtet sie.

Verschleuderte Steuergelder

Verschleudert mal eben 50.000 Euro und mehr für eine Bürgerbeteiligung, die nur er braucht: OB Bernhard.

Die Stadt muss überall sparen. Monatelang wird über 100.000 Euro für ein Personalgutachten diskutiert. Und innerhalb kürzester Zeit verbrät der OB eben mal 50.000 Euro, weil Bürgerinnen und Bürger tatsächlich die hohen Hürden für ein Bürgerbegehren deutlich überwunden haben und die Pläne nun nicht mehr so laufen, wie der OB sich das vorgestellt hat.

Das als “demokratische” Bürgerbeteiligung dargestellte Verfahren wird hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Die Besetzung weist ein eindeutiges Ungleichgewicht zugusten der Pro-Breitwiesen-Lobby auf, umgekehrt werden Teilnehmer wie BUND und Nabu “zusammengefasst”.

Mit den Mitgliedern der BI Breitwiesen gab es keine Gespräche. Wieso nicht? Weil der, der zahlt, sagt, wos langgeht.

Wenn die BI nicht am Forum teilnimmt, wird der Vorwurf lauten: Die da sind nicht gesprächsbereit. Damit werden sie diskreditiert. Wenn die BI teilnimmt, muss sie sich einem nicht durchsichtigen Verfahren beugen. Das nennt der alte Grieche ganz klassisch ein Dilemma – wie man sich auch entscheidet, macht man es falsch.

Über den Tisch gezogen

Ein Oberbürgermeister, der seine Bürgerinnen und Bürger derart “miss”handelt, kann das tun. Er hat dazu die Macht – vor allem, wenn der Gemeinderat schwach ist. Im Gemeinderat gibt es aber mittlerweile parteiübergreifend Stimmen, die zwar eigentlich für Breitwiesen sind, aber das Verfahren und die Entwicklung ebenfalls ablehnen.

Festzuhalten bleibt, dass der Weinheimer Gemeinderat sich schon zwei Mal hat über den Tisch ziehen lassen. Das erste Mal bei der Tauschentscheidung und das zweite Mal mit dem Beschluss, die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu vertagen.

Hält der OB die Bürger wirklich für so blöd? Auch mit diesem mehr als zweifelhaften Verfahren der “Bürgerbeteiligung” ändert sich überhaupt nichts an der Sachlage. Wozu dient der ganze Zauber dann? Doch nur, das Stimmungsbild zu drehen.

Wenn im September nach der bürgermeistergesteuerten “Bürgerbeteiligung” die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerentscheids erneut auf der Tagesordnung steht, ist es immer noch ein Bürgerbegehren gegen einen Aufstellungsbeschluss. Und sollte der Gemeinderat trotzdem für einen Bürgerentscheid entscheiden, müsste der OB nach seinem “Gewissen” wie angekündigt, sein Veto gegen den Beschluss einlegen. Bürgerbeteiligung hin, Bürgerbeteiligung her.

Prinzip Dilemma

Das Verfahren würde in einem Gerichtsverfahren enden. Die strittige Frage würde sein, ob der Aufstellungsbeschluss in einem Raumordnungsverfahren gleichzusetzen ist mit einem Aufstellungsbeschluss einer Bauleitplanung.

Oberbürgermeister Heiner Bernhard bringt nicht nur den Gemeinderat und die Bürgerinitiative in ein Dilemma, sondern auch sich selbst. Wäre er tatsächlich ein bürgernahes Stadtoberhaupt, hätte er bereits im Frühjahr 2011 deutlich machen können, dass für den Herbst eine weitreichende Entscheidung ansteht. Und zwar deutlich und transparent. Er hätte Informationsveranstaltungen anbieten können, die nur einen Bruchteil dessen gekostet hätten, was er jetzt dem Steuerzahler aufbürdet. Nur so macht eine Bürgerbeteiligung sind: Im Vorfeld von Entscheidungen.

Und die Bürgerinnen und Bürger hätten vor dem Aufstellungsbeschluss ein Bürgerbegehren initieren können, das wäre alles möglich und rechtlich einwandfrei gewesen.

Hätte, würde, könnte, sollte – das sind nur noch Überlegungen. Aktuell veräppelt der OB die Bürgerinnen und Bürger und was richtig ärgerlich ist, er beschädigt damit auch echte Formen der Bürgerbeteiligung, weil durch das jetzt anstehende Verfahren beim Bürger am Ende der Eindruck entstehen kann, dass “die da” in der Verwaltung sowieso machen, was sie wollen. Vielleicht will er ja auch genau das erreichen. Dann ist Ruhe bei der renitenten Bürgerschaft und der OB kann machen, was er will.

Beschädigte Bürgerbeteiligung

Wieso soll erst wieder im Herbst entschieden werden? Ganz klar, um das Verfahren in die Länge zu ziehen und Widerstände zeitlich weich zu klopfen. Der Gemeinderat könnte auch sehr gut im Juni oder Juli entscheiden. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun.

Die BI überlegt ernsthaft, den Klageweg zu beschreiten. Und sie würde gut daran tun, denn die daraus entstehende Rechtssicherheit ist allemal konkreter, als der Firlefanz, der jetzt veranstaltet wird.

Gleichwohl besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Gerichte zu dem Schluss kommen, auch dieser Vorgang sei Bauleitplanung und ein Bürgerbegehren nach der Gemeindeordnung deswegen nicht erlaubt.

Dann darf sich der OB Bernhard damit schmücken, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung ganz entscheidend durch sein Verhalten noch weiter beschädigt und eingeschränkt zu haben – und zwar landesweit. Er würde in die Geschichte eingehen – als bürgerferner Hauruck-OB.

 

 

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  • Jürgen Gulden

    Volkswirtschaftlicher Unsinn

    In der Mediathek von Bayern3 kann noch eine interessante Sendung über
    das Thema „Boomende Metropolen – sterbende Dörfer“ angeschaut werden.
    Darin wird sehr anschaulich die Problematik dargestellt. Weinheim hat
    das zweifelhafte Glück, in einer derzeit boomenden Metropolregion zu
    liegen, was zweifellos mit diversen Annehmlichkeiten verbunden ist. Mit
    großem Aufwand und Kosten wird versucht, weiter große Nachfrage nach
    Wohn- und Gewerbegebieten zu schaffen, um diese dann schließlich mit
    allen Mitteln zu befriedigen. Ob sich das mittel- und langfristig lohnt
    darf mit guten Gründen bezweifelt werden. Dass zu neuen Wohngebieten
    neben Kindergärten und Schulen unter anderem so banale Dinge wie
    Sporthallen gehören wird anfangs gerne nicht bedacht, wie gerade
    schmerzhaft festgestellt wird. Mit Kommissionen und Arbeitskreisen
    allein wird sich dieser Mangel nicht beheben lassen. Da müssen schon
    eine Menge harte Euros in die Hand genommen werden.

    In der bayrischen Oberpfalz und ebenso in den gar nicht mehr so neuen
    Bundesländern, werden Städte mittlerweile zurückgebaut, weil die
    Einwohnerzahlen in dem Maße fallen, wie das Durchschnittsalter steigt.
    Eine Entwicklung, die im hinteren Odenwald ebenfalls zu beobachten ist.
    Die ländlichen Regionen sterben aus, während die Metropolen überquellen.

    Wer ein wenig volkswirtschaftliches Verständnis hat, schüttelt schon
    seit langem den Kopf über diese von Menschenhand gemachte Entwicklung.
    In ihren Programmen zur Landtagswahl 2009 versprachen CDU und SPD den
    ländlichen Raum aufzuwerten und den Flächenverbrauch stoppen zu wollen.
    Davon wollen deren Repräsentanten in unserer Region anscheinend nichts
    wissen. Nur die Grüne Regierungspartei bekennt sich dazu. Leider mit
    bescheidenem Erfolg.

    In Weinheim haben über 5000 Menschen einen verfassungsgemäßen
    Bürgerentscheid zu einer wichtigen Weichenstellung der städtebaulichen
    Entwicklung gefordert. OB und Gemeinderat trauen der Bevölkerung nicht zu,
    darüber entscheiden zu können. Mit Moderatoren aus Wuppertal soll nun eine
    „neue Qualität der Demokratie“ bei uns entstehen. Ich bin mal sehr gespannt
    darauf.