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Mittwoch, 28. August 2013

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Strompreiserhöhung 2013: Auch Stadtwerke Weinheim müssen aufschlagen

“Wir haben gar keine andere Möglichkeit”

Peter Krämer, Geschäftsführer der Stadtwerke Weinheim, in der Leitwarte des Betriebs. Herr Krämer spart nicht mit Kritik an der Energiepolitik. Die Strompreispolitik vergleicht er mit planwirtschaftlichen Prozessen.

 

Weinheim/Rhein-Neckar, 17. November 2012. (red/aw) Die Strompreise sind seit Wochen in aller Munde. Jetzt haben auch die Stadtwerke Weinheim angekündigt, im nächsten Jahr den Strom teurer zu machen. Stadtwerke-Chef Peter Krämer ist darüber alles andere als glücklich. Nach seiner Auffassung sind staatliche Umlagen und Steuern der Energiewende dafür verantwortlich . Wir haben ihn im Interview über die Gründe seiner Kritik an der Energiepolitik und möglichen Folgen der Erhöhung befragt.

Interview: Alexandra Weichbrodt

Herr Krämer, die Stadtwerke erhöhen den Strompreis zum 1. Januar 2013 um etwa 10 Prozent, von 24,92 Cent pro Kilowattstunde auf 27,58 Cent. Haben Sie Sorge, dass Ihnen jetzt die Kunden davon laufen?

Peter Krämer: Unsere Kunden sind natürlich preissensibel, die meisten wissen aber auch, dass wir faire Preise haben und auf uns Verlass ist. Etliche Billiganbieter sind in den vergangenen Jahren Pleite gegangen. Das haben sich die Verbraucher gemerkt. Und ich bin auch überzeugt, dass die meisten unserer Kunden wissen, dass die aktuelle Preiserhöhung ausschließlich staatlich verordnete Preisbestandteile betrifft, die wir an den Gesetzgeber abführen müssen. Wir haben sie mit dem Anschreiben darüber ausführlich informiert. Die Preiszusammensetzung beim Strom sieht inzwischen so aus, dass wir 70 Prozent der Kostenbestandteile als Versorger überhaupt nicht mehr beeinflussen können: Das sind Steuern, diverse Umlagen für die Finanzierung der Energiewende sowie Abgaben Wir haben also gar keine andere Möglichkeit als unsere Preise daran anzupassen.

Welche Probleme treten bei der Weitergabe dieser Erhöhung an den Kunden auf? 

Krämer: In erster Linie sehe ich das Problem, dass der Kunde die gesetzlichen Änderungen am Strompreis zum Jahreswechsel kaum noch nachvollziehen kann. Spricht man heute mit einem Kunden, dann kennt er vielleicht noch das EEG, das Erneuerbare Energien Gesetz. Eventuell auch die Stromsteuer. Aber bei den Begriffen Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, Konzessionsabgabe oder Offshore-Haftungsumlage wird es schon schwierig. Wir versuchen, das System für unsere Kunden transparent zu machen, indem wir sie über die einzelnen Umlagen und ihre Höhe informieren. Die sind aber so mannigfaltig, dass es selbst für uns, die Mitarbeiter der Stadtwerke, mittlerweile Broschüren gibt, damit wir noch den Überblick behalten. Der Verbraucher weiß inzwischen, dass das Thema insgesamt sehr komplex und schwierig geworden ist. Aber er hat kein Verständnis dafür, dass die Preise ins Unermessliche steigen – was ich gut verstehen kann. Wir stellen vermehrt fest, dass diese Erhöhungen beispielweise Rentner oder HartzIV-Empfänger drastisch treffen. Für diese Menschen sind 50 oder 70 Euro mehr im Jahr eine Menge Geld. Dieses Geld fehlt. Irgendwann können diese Menschen ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Und diese Klientel nimmt derzeit leider zu.

“Im Dreijahres-Vergleich sind wir meist der günstigste Anbieter.”

Da spielt der Preisunterschied bei der Wahl des Preisanbieters also oft eine Rolle. Nehmen Sie die Konkurrenz in der Region wahr?

Krämer: Die regionalen Anbieter mit vergleichbarer Größenordnung und Arbeitsweise wie wir sind alle auf einem ähnlichen Preisniveau. Was bei der beschriebenen Preis-Systematik auch logisch ist. Die Unternehmen, die sich im Preis stark differenzieren, sind oft Unternehmen, die mit unlauteren Methoden arbeiten – wie Vorauskasse oder Kostenerhöhungsmechanismen. Da muss man als Verbraucher bei der Wahl gut aufpassen. Zu Recht sind deshalb auch die Verbraucherverbände wach geworden und warnen vor solchen Produktanbietern. Wenn Anbieter dasselbe Produkt wie wir 100 Euro günstiger anbieten, kann ich mir das wirtschaftlich nicht erklären. Das geht gar nicht bei nur 30 Prozent beeinflussbaren Kostenanteilen. Ein solcher Preisunterschied ist allein mit Energieeinkauf und Vertriebsmarge nicht zu realisieren. Wir haben bei Untersuchungen festgestellt: Im Dreijahres-Vergleich sind wir meist der günstigste Anbieter. Weil wir keine so großen Erhöhungen in diesem Zeitrahmen durchführen wie beispielsweise die zunächst augenscheinlich günstigeren Anbieter, die mit attraktiven Wechselkonditionen locken. Wir können und wollen nicht spekulieren und versuchen dem Kunden auf der Basis unserer Möglichkeiten ein seriöses, langfristiges und möglichst günstiges Angebot zu machen.

Den Wettbewerb nehmen Sie also schon wahr?

Krämer: Ja, natürlich. Die Wechselfreudigkeit nimmt deutlich zu, der Wettbewerb wird schärfer. Allerdings finde ich es kurios, wie der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für Wettbewerb gestaltet. Die Bundesregierung hat 1998 den Wettbewerb in Energiebereichen ausgerufen. Der Stromvertrieb und die Netze mussten getrennt werden. Aber was ist seit damals passiert? Wir unterliegen einer Marktabgrenzung vom Bundeskartellamt, das heißt wir werden in unserem Marktgebiet als Monopolist geführt. Wir haben aber 100 Anbieter im Strom-Netzgebiet und 50 beim Gas. Da kann man also nicht davon sprechen, dass kein Wettbewerb existiert. Und trotzdem entstehen problematische Situationen, wie im Fall Teldafax. Eine Art Schneeballanbieter, der bewusst vom Kartellamt toleriert wird, und dann Insolvenz anmeldete. Neben den Kunden bleiben wir als Stadtwerke bei Insolvenzfällen unseriöser Anbieter auch auf unseren Kosten sitzen. Das ist eine absolute Ungerechtigkeit. Diese Meinung äußere ich auch gegenüber der Politik. Da jedoch Gehör zu finden, ist recht schwierig, weil dann oft die Aussage folgt: Gewöhnt euch an den Wettbewerb. Aber ein fairer Wettbewerb ist fast unmöglich, wenn 70 Prozent der Kosten nicht mehr zu beeinflussen sind. Das ist energiepolitische Planwirtschaft.

“Planwirtschaftliche” Strompreise

Sie haben mit Ankündigung der Preiserhöhung auch die Energiepolitik heftig kritisiert. Was läuft Ihrer Meinung nach schief?

Krämer:  Ich bin ja Wirtschaftsingenieur und in meiner Natur liegt es, die Sachen zu analysieren, zu bewerten und daraufhin Konzepte zu erstellen. Genau das vermisse ich bei der Energiepolitik. Dort wird das Problem nicht analysiert, sondern es wird vorweg die Einzelentscheidung getroffen. Dann erleben alle ein heilloses Durcheinander und wundern sich darüber. Ich bin der Meinung, dass man sich spätestens nach dem Unglück in Fukushima hätte zusammen setzen sollen und überlegen sollen, wie das Konzept für die Energiewende aussehen soll. Das hat man aber nicht getan. Sondern man hat an vielen einzelnen Stellschrauben gedreht und erlebt jetzt einen Wust an Umlagen und Kostensteigerungen. Man hat kein Konzept entwickelt, in dem eben nicht nur Unweltverträglichkeit und Partikularinteressen, sondern auch der Kunde vorkommt. Ein Beispiel: Das Energiewirtschaftsgesetz. Der Begriff Kunde kommt darin noch nicht einmal vor. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Meine Kritik besteht also darin, dass wir einen riesigen Aufwand betreiben, planwirtschaftliche Strompreise zu kreieren, der nicht sinnvoll ist. Das ist keine Kritik an einzelnen Parteien. Dieses System ist über mehrere Wahlperioden hinweg aufgebaut worden. Egal ob rot-grün, schwarz-rot oder schwarz-gelb, es fehlte immer der Masterplan.

Wo könnte man diesen Masterplan besonders gebrauchen?

Krämer: Ganz klar beim Thema CO2-Reduzierung. Das wurde zum Anfang der Energiewende groß angekündigt. Doch jetzt sind wir von einer Lösung wieder weit entfernt. Das Thema Klimawandel ist nach wie vor die große Herausforderung, aber momentan wieder mal aus dem Fokus verschwunden. Würde dieses Ziel weiter verfolgt werden, müsste man sich Gedanken machen, wie der CO2-Ausstoß im Kosten-Nutzen-Verhältnis zu reduzieren ist. Das macht die Energiepolitik aber derzeit nicht. Was gemacht wird, ist eine einseitige Förderung regenerativer Projekte.

“Der Klimawandel betrifft uns alle – man kann die Industrie da nicht rausnehmen.”

Beispiel?

Krämer: Warum muss denn die Anschaffung einer Photovoltaikanlage mit acht bis zehn Prozent verzinst werden, wenn der Zinssatz einer zehnjährigen Bundesanleihe derzeit bei einem halben Prozent liegt? Hier wird übersubventioniert. Da fehlt einfach die Relation. Der größte Effekt, um CO2 einzusparen, ist laut Studien unter anderem der Austausch von alten Heizungsbrennern. Bis zu 20 Prozent Effizienzsteigerung kann man damit erreichen. Wenn ich das auf alle Haushalte multipliziere, komme ich auf gigantische Ergebnisse. Dämmung hingegen ist das teuerste, was man machen kann. Das Gegenargument mit der Vernichtung fossiler Brennstoffe wiegt natürlich schwer. Allerdings reden wir bei der Energiewende von einem Generationenprojekt. Ich habe manchmal den Eindruck, das muss innerhalb einer Wahlperiode erledigt werden. Meiner Meinung nach ist das ein fataler Trugschluss. Zudem werden bestimmte Aktivitäten und Gruppen aus der Verantwortung der Energiewende herausgenommen. Beispielsweise die Industrie. Da sagt man: Damit haben die nichts zu tun, die haben Wettbewerb, die schaffen Arbeitsplätze. Was ja auch richtig ist. Aber ich bin der Meinung, wenn die zentrale Herausforderung der Klimawandel ist, dann betrifft uns diese alle. Da kann man Teile der Gesellschaft nicht ausschließen. Wir müssen gemeinsam nach unseren Kräfteverhältnissen und wirtschaftlichen Möglichkeiten unseren Beitrag leisten. Eine gewisse Gerechtigkeit geht jetzt, so wie es derzeit gehandhabt wird, verloren.

Ist es in der Praxis tatsächlich so, dass von der Industrie absichtlich viel Strom verbraucht wird, um gewisse Umlagebefreiungen zu erhalten?

Krämer: Ja, es gibt Einzelfälle. Ist ja auch klar. Angenommen der Unternehmer hat eine Befreiungsgrenze bei 100 Einheiten. Verbraucht hat er aber nur 98. Die zwei fehlenden Einheiten kosten vielleicht 2.000 Euro. Überschreitet er aber die Schwelle der 100, werden ihm 10.000 Euro erstattet. So ist die Handlungsweise nachvollziehbar, Energie unter wirtschaftlichen Aspekten zu optimieren. Umweltpolitisch ist es jedoch eine Katastrophe.

Und die Privatverbraucher sind die Zahlmeister?

Krämer: Richtig. Der normale Haushaltskunde zahlt irgendwann die ganze Zeche. Beim Thema regenerative Förderung haben wir zwar eine Mittelschicht, die beispielsweise durch den Betrieb von Photovoltaikanlagen von der aktuellen Energiepolitik profitiert. Aber es gibt ja ebenso viele Menschen, die gar nicht die Möglichkeit einer solchen Anschaffung haben. Weil ihnen zum Beispiel keine Dachfläche zur Verfügung steh – wie bei Mietern oder bei Besitzern von Eigentumswohnungen. Wir haben also auf der einen Seite eine Schicht, die davon profitiert und eine Allgemeinheit, die diese Förderung bezahlen darf. Und auch hier trifft es wieder besonders die unteren Einkommensgruppen. Ich glaube nicht, dass das gerecht ist. Und auch nicht, dass man so die Energiewende vorantreiben kann.

Sehen Sie in der Zukunft eine Entspannung am Energiemarkt? Könnten die Preise irgendwann auch wieder fallen?

Krämer: Ich bin ja grundsätzlich Optimist und mit meiner Lebenserfahrung kann ich sagen, am Ende siegt meist die Vernunft. Ich glaube, wir werden nach dieser Preiserhöhungsrunde eine Trendwende in den politischen Entscheidungen erleben, vielleicht nächstes Jahr nach der Wahl. Ich bin der festen Überzeugung, dass man das heutige Vorgehen nicht unendlich weiter treiben kann.

Mit Selbstkontrolle lässt sich Energie sparen.

Was raten Sie denn Ihren Kunden, um die jetzt schon hohe finanzielle Belastung so gering wie möglich zu halten?

Krämer: Dass sie im ersten Ansatz natürlich immer Energie sparen. Das kann man mit vielen Verhaltensweisen und Kleinigkeiten im Haushalt. Auch beim Ersatz von Großgeräten ist es wichtig, auf den Stromverbrauch zu achten: Bei Kühlschrank, Fernseher oder Waschmaschine kann ich nur empfehlen, A+++ zu kaufen. Das ist zwar zunächst teurer, rechnet sich bei dem Strompreis aber recht schnell. Einfach sparen kann man sich auch die unnötige Stand-by-Schaltung bei vielen Geräten. Außerdem sollte die alte, kaputte Glühbirne grundsätzlich durch Energiesparlampen ersetzt werden. Und natürlich sollte man auch das Licht ausschalten, wenn man den Raum verlässt. Mit etwas Selbstkontrolle kann man da durchaus bemerkenswert Energie einsparen. Auch wenn ich befürchte, dass diese Einsparungen die Preiserhöhungen in der Zukunft nicht abfangen werden. Die finanzielle Belastung für die Haushalte durch Energiekosten wird weiter steigen – auch noch nach der Erhöhung vom 1.Januar 2013.

Worin sehen Sie als Geschäftsführer den Vorteil der Stadtwerke Weinheim gegenüber anderen Energieversorgern?

Krämer: Ich sehe uns als Teil der Infrastruktur in Weinheim. Wir beschäftigen viele Mitarbeiter und bilden junge Menschen aus. Während wir wachsen, bauen andere ab. Wir unterstützen Vereine und Kulturveranstaltungen. Das ist ein klarer Vorteil für die Weinheimer Bürgerinnen und Bürger. Wir sind letztendlich die größte Energiegenossenschaft in Weinheim, ein Thema, das auch immer wieder diskutiert wird. Einen Großteil des von uns erwirtschafteten Geldes behalten wir hier in Weinheim. Entweder fließt es in den Betrieb der Stadtwerke Weinheim oder wir führen es an die Stadt ab. Das Geld bleibt also in der Region. Bei einem Fremdanbieter ist das nicht der Fall. Darüber sollte sich jeder bei der Wahl des Energieversorgers bewusst sein.

Info:
Der Geschäftsführer der Stadtwerke Weinheim GmbH, Peter Krämer, ist Diplom-Ingenieur für Allgemeine Elektrotechnik mit der Zusatzqualifikation des Technischen Betriebswirts. Der gebürtige Rheinländer kam vor sechs Jahren nach Weinheim. Seit dem 1. Januar 2007 ist er Geschäftsführer der Stadtwerke.

Die Stadtwerke Weinheim GmbH musste 2011 einen Gewinnrückgang von 22,8 Prozent auf 2,064 Millionen Euro hinnehmen. Der Umsatz ging leicht um 1,6 Prozent auf 55,961 Millionen Euro zurück. Geschäftsführer Peter Krämer machte bereits in einem Interview im Juli 2012 eine “irrwitzige Bürokratie” und die damit verbundenen Kosten für das Ergebnis verantwortlich.

Gemeinsam mit den ebenfalls kommunal geführten Stadtwerken Schwetzingen haben die Stadtwerke Weinheim 2012 eine Vertriebsgesellschaft aufgebaut, die auch die Menschen außerhalb des eigenen Netzgebiets nutzen können. Im Umkreis von 80 Kilometern können Haushalte Strom und Gas über „Meine StadtEnergie“ beziehen. Diese „MeineStadtEnergie“ ist eine zusätzliche Marktoption, um eine weitere Schmälerung des Marktanteils abzuwenden.

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