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Dienstag, 24. September 2013

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Dr. Torsten Fetzner als Erster Bürgermeister wiedergewählt

Der alte ist der neue Erste

Weinheim, 18. September 2013. (red) Aktualisiert. Dr. Torsten Fetzner ist und bleibt Erster Bürgermeister in Weinheim. In der heutigen Gemeinderatssitzung ist der 54-jährige Bauingenieur erneut gewählt worden und ist nun weitere acht Jahre als technischer Dezernent für “alles mit Bau” zuständig.

Viel Respekt – wenig Liebe. Die Wiederwahl von Dr. Torsten Fetzner hat auch etwas mit Schicksal zu tun.

 

Aktualisierung, 19. September 2013, 17:00 Uhr: Der Gemeinderat hat 44 Stimmen, 43 von Stadträt/innen sowie die Stimme des Oberbürgermeisters. 40 waren bei der Wahl anwesend. 36 Stimmen entfielen auf Dr. Fetzner, vier Stadträt/innen stimmten gegen ihn. Das entspricht einer Zustimmung von 90 Prozent.

Von Hardy Prothmann

Die Wiederwahl kommt nicht überraschend – es gab keinen Gegenkandidaten. Aus den Reihen der Fraktionen sowieso nicht und von außerhalb auch nicht.

Denn Dr. Torsten Fetzner hat sich den Respekt der Fraktionen “erarbeitet”, wie reihum betont wurde. Bis auf eine Ausnahme. Denn er hat sich auch Respekt verspielt: Ausgerechnet bei der Grün-Alternativen-Liste (GAL), für die er selbst zuvor lange Jahre Stadtrat war, bevor er sich “überraschend” vor acht Jahren zum Ersten Bürgermeister gleich im ersten Wahlgang gegen einen favorisierten CDU-Kandidaten durchsetzen konnte.

Verlorene Liebe

Die grüne Stadträtin Elisabeth Kramer verlangte eine geheime Abstimmung und sagte zuvor bei den Stellungnahmen:

Wir wissen, dass er Lobeshymnen nicht mag, deswegen halten wir uns zurück.

Sie hätte auch sagen können: “Ich gebe Dir eine Ohrfeige.” Wer die politischen Verhältnisse verfolgt, weiß, dass die GAL den Ersten Bürgermeister am kritischsten sieht. Man ist enttäuscht von ihm. Von seinem, wie er selbst sagt, “Einsatz für Breitwiesen, um den Hammelsbrunnen zu schützen”. Im grün-alternativen Lager glaubt ihm das niemand mehr.

Als er vergangene Woche Donnerstag in der Stadthalle bei einer Podiumsdiskussion zum Thema sagte, jeder wisse, dass er den Grünen verbunden sei, rief jemand aus dem Publikum: “Aber wir nicht mehr mit Dir.” Ein paar klatschten und tuschelten. Dr. Torsten Fetzner ist bei den Grünen in Ungnade gefallen. Der Bruch ist nicht endgültig, aber die Risse sind tief.

Breitwiesen oder Hammelsbrunnen sind sein Schicksal

Und der Hauptgrund dafür ist der bevorstehende Bürgerentscheid mit der Frage, ob Breitwiesen im Tausch mit Hammelsbrunnen Gewerbegebiet wird oder nicht.

Seine Argumentation, dass er immer den Hammelsbrunnen (auch als Naherholungsgebiet vor allem für die Weststadt) schützen wollte, ist glaubwürdig. Sein leidenschaftlicher Einsatz ist belegt. Ob bei Veranstaltungen, in Gesprächen auch mit unserer Redaktion und sogar auf Facebook. Dr. Torsten Fetzner sucht den Kontakt und die Kommunikation. Diese Nähe macht ihn zu einem der herausragendsten Bürgermeister in der Region.

Aber: Niemand ist ohne Fehler und Herr Dr. Fetzner hat eine Menge davon gemacht. Er hat sich zu sehr vor den Karren spannen lassen oder das selbst entschieden. Wie auch immer. Seine Auftritte, bei denen er wie der Oberbürgermeister zuletzt das Blaue vom Himmel herunter versprochen hat, haben zum Ärger mit seiner politischen Heimat geführt. Auch ich musste ihn, trotz aller Wertschätzung, dafür massiv kritisieren.

Das Leiden des Torsten F.

Und der Schöngeist Fetzner leidet darunter. Der musikbegeisterte Tänzer müsste allerdings auch wissen, dass man nur harmonisch miteinander tanzen kann, wenn beide wissen, welche Schritte zu tun sind. Überraschende Ausfallschritte stören die Harmonie.

Nun hat ein Erster Bürgermeister vielleicht eine grüne Seele – muss aber im Amt auch andere Ansprüche bedenken, berücksichtigen und entscheiden. Da kann ein frisches Grün schon mal moosig werden.

Sehr gut gefällt Herr Dr. Fetzner ganz überwiegend im Gemeinderat als Gegenentwurf zum Oberbürgermeister. Während der mal zornig poltert oder hemdsärmelig charmiert oder kumpelhaft scherzt, ist der Erste Bürgermeister immer leise, korrekt, sehr zugewandt und konzentriert. Er ist der Feine, der andere der grobschlächtige.

Insbesondere in Sachen Breitwiesen ist er zunehmend zart besaitet. Er leidet unter den Angriffen, die er aber teils selbst herausfordert. Er leidet unter dem Streit. Denn er würde es gerne Allen recht machen. Das kann er aber nicht. Am Sonntag entscheidet das Volk, was er zu tun hat.

Umgekehrt muss man ihm seine Ehrlichkeit anrechnen. Von seiner Bekenntnis, lieber Breitwiesen als den Hammelsbrunnen zu entwickeln, ist er nicht abgewichen, hat sich geduldig mit allen beteiligten Personen auseinandergesetzt. Auch beim Thema Windenergie ist das so. Eigentlich bei allen Themen, die ihn angehen. Mangelndes Engagement mag ihm niemand vorwerfen. Der GAL muss man mangelnde Größe vorwerfen, dass es nicht ein lobendes Wort gab, auch wenn sich der Bürgermeister dabei ziert. Soviel “Zumutung” wäre angebracht gewesen.

Er wird es fortan bei der GAL schwer haben. Dort sind einige sehr enttäuscht von ihm. Dieser Liebeskummer verstört den empfindsamen Bürgermeister schon heute. Wer ihn gut kennt, sieht ihm erste Spuren der Auseinandersetzung an.

Sicherheiten vs. Unsicherheiten

Die Weinheimer/innen dürfen davon ausgehen, dass ihr Erster Bürgermeister genau zugehört hat. Er weiß, was argumentiert wurde und welche Ansprüche es gibt. Der Baubürgermeister wird das berücksichtigen.

Es wird nicht überraschend sein, dass er auch hier viele Menschen enttäuschen wird, weil er andere Positionen vertritt, als die, die man sich von ihm wünscht.

Mit der erneuten Wahl hat Herr Dr. Fetzner seine vollen Rentenansprüche sicher. Mit später 62 Jahren hat er erstens zwei Amtsperioden und ist über 55 Jahre alt.

Jeder Bürgermeister einer Kommune geht – mal mehr, mal weniger – in die Geschichte der betreffenden Gemeinde ein. Man darf gespannt sein, wie Herr Dr. Fetzner die kommenden acht Jahre ausfüllt.

Falls die Bürger/innen sich für die Entwicklung von Breitwiesen entscheiden, ist das geschichtsträchtig. Über 40 Hektar freies Gelände zu entwickeln, ist eine große Herausforderung. Vor allem nach den aktuellen “Zusagen”, dass man Ansiedlungen zwischen 1-5 Hektar plane. Das sind also (Ausgleichsflächen!) vier bis 20 Bauplanverfahren, die hier erarbeitet werden müssten. Jede Menge Arbeit.

Falls die Bürger/innen sich dagegen entscheiden, wird es das große persönliche Dilemma für Dr. Torsten Fetzner werden. Dann muss er sich fragen lassen, ob er den Hammelsbrunnen tatsächlich weiter schützen will oder ob er ihn als zuständiger Bürgermeister gnadenlos bebauen lässt. Eine Schicksalsfrage.

Dilemma vs. Lösung

Die Gewissensentscheidung wäre dann unausweichlich. Eine Lösung des Dilemmas könnten erheblichste Anstrengungen sein, vielleicht nur einen Teil von Hammelsbrunnen zu bebauen, den größten Teil zu schützen und dafür andere Lösungen zu finden.

Der Sonntag wird entscheiden, ob die historische Zukunft des Herrn Dr. Torsten Fetzner die eines Trabanten-Oberaufsehers oder die eines gewieften “Innenentwicklers” sein wird.

Ich persönlich würde ihm die zweite Herausforderung wünschen. Freie Flächen zubetonieren kann jeder. Die Seele und den Rhythmus einer Stadt verstehen und bewegen, das ist eine ganz besondere Aufgabe. Auch für den Gemeinderat. Auf meine Einwendungen hin hat Herr Dr. Fetzner eindeutig und glaubhaft versichert, dass er sich für eine “kleinteilige” Bebauung der Breitwiesen einsetzen würde und natürlich der Souverän, also der Gemeinderat, die Planungs- und Entscheidungshoheit habe.

Eigentlich ist es schade, wenn man hört, dass viele Stadträt/innen sich wenig eigene Gedanken machen und die Verwaltung zu Vorschlägen auffordern. Wenn man das aber weiß, dann ist der Ball bei Herrn Dr. Fetzner. Er hat viel Macht. Und man wird ihn daran messen, wie  er damit umgeht.

Auch hier hat er noch viel Arbeit vor sich.

Unsere Bildergeschichte:

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  • Hans-Ulrich Sckerl

    Lieber Herr Prothmann, Ihre Spekulation über die “erkaltete Liebe”
    zwischen den Grünen/GAL und Torsten Fetzner in Ehren. Aber wir reden von
    völlig normalen Vorgängen.

    Von “Enttäuschung” kann keine Rede sein.

    Niemand erwartet von einem Ersten Beigeordneten zu 100% Parteipolitik;
    er ist vielmehr dem Gemeinwohl und den Mehrheitsbeschlüssen des
    Gemeinderats verpflichtet. Das schließt selbstverständlich Konflikte
    zwischen der GAL-Fraktion und Fetzner ein, die es natürlich gegeben hat
    und auch in Zukunft geben wird.

    Wir reden da nicht um den heißen Brei herum, sondern machen das transparent. Es gibt (mehr) Themen, da unterstützt die GAL-Fraktion Fetzner, z.B. bei der Energiewende, es gibt(weniger) Themen, da haben wir unterschiedliche Positionen.

    So what?

    Die geheime Abstimmung bei seiner Wiederwahl entsprach vollauf dem
    Wunsch von Fetzner selbst. Sie können ihn dazu gerne befragen. Die freie
    und geheime Wahl ist eine demokratische Errungenschaft, die auch kein
    “Gruppenzwang”, wie er in diesem Gemeinderat gerne mal auszuüben
    versucht wird, aushebeln kann. Wir leben schließlich nicht in einer
    Bananenrepublik.

    Mit besten Grüßen
    Ihr Uli Sckerl