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Mittwoch, 28. August 2013

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Akademie Deutsches Bäckerhandwerk feiert 75-jähriges Bestehen

Nachwuchssorgen, trotz voller Schulungs-Backstuben

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Weinheim, 21. Juni 2013. (red/aw) Weinheim ist in der Backbranche eine große Nummer: Denn hier wird das traditionelle deutsche Bäckerhandwerk gelehrt. Die Schüler kommen aus der ganzen Welt, um im Waldschlösschen ihre Meisterprüfung abzulegen. Der hohe Standard der deutschen Ausbildung wird international geschätzt. Mit immer neuen, innovativen Produkt- und Fortbildungsideen lockt die Fachschule pro Jahr über 3.000 Bäcker, Verkäufer und Manager in die Stadt. Dieses Jahr feiert die Akademie ihr 75-jähriges Bestehen und Direktor Bernd Kütscher erzählte uns, wie es um das Bäckerhandwerk steht und welche Herausforderungen es zu bewältigen gibt.

Von Alexandra Weichbrodt

Bernd Kütscher hat 14.000 Chefs. Obwohl er selbst Direktor der zentralen Bildungseinrichtung aller Bäcker-Landesinnungsverbände und des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks ist, sind die deutschen Bäcker über die Verbände Träger der Fachschule. In ganz Deutschland arbeiten Bäckermeister, die in Weinheim einmal ihre Meisterprüfung absolviert haben.

Die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk, bis 2006 “Bundesfachschule des Deutschen Bäckerhandwerks”, wurde 1938 eröffnet und feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Bernd Kütscher ist seit sieben Jahren Direktor. Ein Mann der Praxis, hoch dekoriert mit zahlreichen, renommierten Preisen der Back-Branche. Bernd Kütscher engagiert sich für sein Handwerk. Wahrscheinlich liegt der Ursprung dafür in der väterlichen Bäckerei, einem kleinen Familienbetrieb in der Eifel. Den übernahm er, obwohl er eigentlich lieber Musiker geworden wäre.

Nach dem Verkauf seiner eigenen Bäckerei war er lange Jahre als Berater in der Branche tätig. Er hat viele Erfahrungen im Marketing gesammelt und überall auf der Welt gearbeitet. Bis der Anruf aus der Akademie kam. Die Ausbildungsstätte in Weinheim kannte er natürlich. Hier hatte er selbst 1990 seine Meisterprüfung gemacht.

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Bernd Kütscher liebt sein Handwerk, auch wenn er es als Direktor der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk nicht mehr oft in die Backstube schafft.

 

“Für das Bäckerhandwerk muss man kämpfen!”

Das Handwerk hat sich seit der Eröffnung der Schule vor 75 Jahren verändert. Die Zahl der Betriebe ist deutlich zurückgegangen: Vor 50 Jahren gab es in Deutschland rund 50.000 Bäckereien –  jetzt sind es nur noch knapp 14.000. “Kein Bäckersterben, wie gerne von der Presse formuliert, sondern eine Konsequenz der Marktveränderung”, sagt Herr Kütscher:

Die Marktveränderungen, Widerstände, Image-Probleme sind immer wieder eine Herausforderung,

In Zeiten, in denen Tiefkühl-Produkte jeden Discounter mit Backofen zum Bäcker macht, hat es das Handwerk nicht leicht. Der Verbraucher erwarte heute nicht mehr nur frische Ware, er erwarte warme Ware. Woher das Aufbackbrötchen stammt, wie lange es tiefgekühlt bereits gelagert wurde, interessiere den Verbraucher selten, sagt er:

Das macht den Bäckereien schon zu schaffen.

Bäckereien müssen sich also mitentwickeln. Sie werden immer gastronomischer, bieten Snacks und Coffee to go an. Auch dieses Geschäftsmodell kann man in der Akademie “erlernen”. Gefragt sind vor allem Fähigkeiten, die ein heutiger Bäckermeister braucht, aber nicht in der Ausbildung lernt. “Da besteht ein Bildungsbedarf”, sagt Herr Kütscher.

Vollpension mit Sterneküche

Die Akademie im Weinheimer Waldschlösschen bietet Ihren Schülern das Rundum-Sorglos-Programm an: Unterkunft, Ausbildung, Vollverpflegung. Und die von echten Sterne-Köchen.

Wir haben hier eine hervorragende Küchenmannschaft. Zuweilen nehmen die Meisterkurs-Schüler in zwanzig Wochen zehn Kilo zu. Das spricht für die Qualität unserer Versorgung,

sagt Herr Kütscher und grinst. Mittlerweile habe man die Anzahl der Kursteilnehmer pro Jahr von zuvor 600 auf über 3.000 gesteigert. Auch das Drumherum wurde aufpoliert. Die historischen Gebäudeteile des Waldschlösschens saniert, funktionelle Räume geschaffen. Statt fünf Mitarbeitern beschäftigt die Akademie heute 28. Auch hier soll noch ausgebaut werden.

Wir haben eine deutlich größere Nachfrage, als wir Angebote machen können,

sagt der Direktor. Das internationale Interesse trägt seinen Teil dazu bei. Deutschland habe definitiv die größte Auswahl an Backwaren weltweit, die beste Back-Kultur und den besten Ausbildungsstandard. Das werde gesucht:

Ausländer schätzen das deutsche Bäckerhandwerk und beneiden die Ausbildungsform hier in Deutschland,

sagt er. Reiche in Spanien ein Tageskurs, um eine eigene Bäckerei zu eröffnen, müsse man in Deutschland erstmal eine Menge lernen: Drei Jahre duale Ausbildung im Betrieb und in der Schule, zusätzliche Bäcker-Schulungen. Dann braucht man Berufserfahrung und anschließend muss man die Meisterschule besuchen. “Allein diese Schritte dauern mindestens vier Jahre”, sagt er:

Das deutsche Bäckerhandwerk ist allein aufgrund der Ausbildung sehr vielfältig, aber auch wegen der deutschen Getreidevielfalt.

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Akademie Weinheim als Trendschmiede

Weltweit suche man deutsche Bäcker. Arbeitsmöglichkeiten in Dubai, Neuseeland oder Mexiko stünden gut ausgebildeten Bäckern offen. Dementsprechend suche man weltweit nach dem gewissen Know-How. “Und das findet man hier bei uns”, sagt Herr Kütscher. Die Vielfalt und das Qualitätsverständnis von Backwaren in Deutschland sei mit keinem auf der ganzen Welt vergleichbar:

Weinheim ist in der Branche bekannt, immer mehr nutzen unser Angebot.

Aufgabe der Akademie sei es, dem Bäckerhandwerk zu helfen. “Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Wir arbeiten kostendeckend, machen keinen Cent Gewinn”, erklärt Bernd Kütscher. Helfen könne man sowohl dem kleinen Familienbetrieb mit nur einer Filiale, als auch der größten Bäckerei-Kette Deutschlands. Auch, wenn die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten individuell anzupassen sind.

Bei großen Betrieben geht es mehr um Strukturen und Prozesse. Wie kommt die unternehmerische Entscheidung bei den Verkäuferinnen in den Filialen an?

Bei den Familienbetrieben ginge es hingegen um die Marktaufstellung, Standortanalyse und fachliche Themen, so Kütscher.

Kein populärer Beruf für den Nachwuchs

Die Herausforderungen abseits der Marktveränderungen sieht Kütscher vor allem an der Basis des Handwerks: Dem Nachwuchs.

Wir haben ganz massive Image-Probleme im Nachwuchsbereich.

Auf die Frage, was Schulabgänger denn vom Bäckerberuf wissen, komme “ausnahmslos immer” als Antwort: “Früh aufstehen!” Doch, dass man dann meist schon am frühen Vormittag Feierabend habe, bedenken nur die Wenigsten, sagt Kütscher.

Die Arbeitszeiten, die so häufig als schlimm empfunden werden, sind extrem familienfreundlich.

Was auch niemand wisse, seien die “unglaublichen Karrierechancen als Bäcker”, sagt der Direktor. Ein Studium sei als Bäckermeister gar kein Problem, “ohne Abitur”. Egal, ob Betriebswirtschaftslehre, Ernährungswissenschaft oder Getreide-Technologie. Der einzige Unterschied zu den Kommilitonen sei die praktische Ausbildung vorher.

Und die ist auch noch von großem Vorteil. Jeder Professor freut sich über Studenten aus der Praxis,

sagt er, der selbst als Dozent und Referent an verschiedenen Hochschulen tätig war. “Studenten mit einem solchen Lebenslauf werden in der Regel direkt von der Uni weggekauft.” Es gebe viele Aspekte des Berufs und der Branche, von denen die jungen Menschen heute nichts wissen. Daher habe das Bäckerhandwerk Nachwuchssorgen:

Da fehlt einfach die Information und Kommunikation.

Open Air Party am 13. Juli

Eine gute Möglichkeit, in die Arbeit und Räumlichkeiten der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim reinzuschnuppern und vielleicht auch interessante Erkenntnisse zum Beruf des Bäckers zu gewinnen, bietet die Open Air Party anlässlich des Jubiläums. Am 13. Juli ab 19:00 Uhr wird auf dem Gelände am Waldschloss im Gorxheimer Tal, bei Musik und Snacks aus dem Holzofen, gefeiert. Alle Infos dazu finden Sie auch unter www.akademie-weinheim.de. Am 08. Dezember, dem Tag der Eröffnung vor 75 Jahren, soll außerdem ein offizieller Festakt stattfinden.

Wer über aktuelle Aktionen und Angebote der Akademie zeitnah und aktuell informiert werden will, sollte die Facebook-Seite anklicken oder ab und zu den youtube-Kanal der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk besuchen. Die Social-Media Kanäle bedient der Direktor übrigens zum Großteil selbst: “Um junge Menschen zu informieren”. Bernd Kütscher: Engagement und Leidenschaft für das Handwerk.

Wir haben für Sie ein paar Bilder der Akademie zusammengestellt und wünschen viel Vergnügen beim Durchschauen!

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