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Dienstag, 27. August 2013

Gabis Kolumne

Der Küchengau und Spül-Nostalgien

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Guten Tag!

Rhein-Neckar, 10. Oktober 2011. Regelmäßig gehen Dinge kaputt. Manches kauft man gleich wieder neu, andere Dinge braucht man nicht wirklich. Wenn aber die Spülmaschine kaputt geht – ist umgehendes Handeln angesagt. Ein Haushalt ohne Spülmaschine geht gar nicht, meint Gabi.

Küchengau: Die Spülmaschine ist kaputt.

Letzte Woche gab meine Geschirrspülmaschine den Geist auf – nach 15 Jahren, ihr sei-€™s vergönnt –  sie hatte ein langes, bewegtes Leben.

„Oh, nein, du Arme“, hallte mir allerorts entgegen – in erster Linie von Frauen. Denn die Spülmaschine rangiert bei der Liste der Top Ten unter den Haushaltsgeräten, die dringend (!) notwendig sind, auf Platz 2, und zwar gleich nach der Waschmaschine. Der Verlust eines der Spitzenreitergeräte ist eine Katastrophe.

Vielleicht ist dieser Verlust deswegen so besonders schmerzhaft, weil er uns zurück katapultiert in unsere Kindheit und Jugend, wo Spülmaschinen in Privathaushalte noch Mangelware waren. Kaum jemand unter 35 Jahren weiß noch, wie es ist, mit der Hand Wäsche zu waschen, aber im Spülen und Abtrocknen sind wir erfahren.

„Was haben meine Geschwister und ich uns gestritten, wenn-€™ s ums Abtrocknen ging“, erzählt mir eine Freundin, und man merkt gleich, das sitzt tief in der Schublade der ungeliebten Erinnerungen.

Die guten alten Zeiten – eine Spül-Nostalgie

Und auch ich weiß von den sonntäglichen Mittagessen bei meiner Großmutter zu berichten – bei uns war das Wunderding schon eingezogen – wenn das Sonntagsessen mit Suppe, Braten und Nachtisch für mindestens sechs Personen im gemeinsamen Abwasch in der großelterlichen Küche endete.

Gemeinsam, und das waren meine Großmutter, meine Mutter und ich. Der Großvater und mein Vater hatten sich zum verdienten Mittagsschlaf zurückgezogen, die alten Tanten saßen auf dem Sofa und blätterten Zeitschriften und mein kleiner Bruder saß vorm Fernsehen und glotzte Kinderstunde. Von Emanzipation brauchen wir also gr nicht reden.

Natürlich habe ich es gehasst, aber – und das ist jetzt nicht nur eine verklärte Erinnerung – wir drei „Frauen“ lachten und schwatzen viel und es entstand ein Gemeinschaftsgefühl.

Deshalb rief ich am ersten Abend des Totalausfalls meine beiden Kinder und meinen Mann in die Küche zum Abtrocknen. Meine Kinder, die Abtrocknen nur aus Urlauben kennen, wenn die Ferienwohnung nicht feudal ausgestattet ist, ergaben sich ihrem Schicksal und die Stimmung bekam sogar eine gewisse Leichtigkeit – wir lachten und schwatzten. Zumindest an diesem Abend.

Reparatur contra Neuanschaffung

In den nächsten Tagen – wir diskutierten noch über Reparatur contra Neuanschaffung – verschlechterte sich die Stimmung rapide. „Ich hab-€™ doch erst gestern“ und „warum immer ich“ war die prompte Antwort sobald ich meinen Lieben ein Geschirrtuch in die Hand drücken wollte

Und auch mein Göttergatte, der zunächst die Haltung vertrat, das ist doch kein Beinbruch, wie viele Menschen haben keine Spülmaschine und überhaupt in Afrika -€¦ und dementsprechend die ersten Tage wie ein Weltmeister abspülte (aber nicht abtrocknete, so dass sich in der Küche das zwar saubere, aber nicht trockene Geschirr stapelte), schwächelte spätestens am vierten Tag.

Am fünften Tag nach dem Küchengau beschloss ich, jetzt reicht-€™s, ein neuer Geschirrspüler muss her. Frei nach dem Motto „ich bin doch nicht blöd“ suchte ich den naheliegenden Elektrohandel auf und ließ mich beraten. Dort versicherte man mir – wen wundert-€™s – dass man nach 15 Jahren bestimmt nicht mehr über eine Reparatur nachdenken sollte – ich hab-€™s ja gleich gewusst – und dass durch die Einsparung bei Strom und Wasser die Neuanschaffung quasi nahezu kostenlos sei. Denn immerhin hätte meine alte Spülmaschine so rund 30 Liter und die neue würde nur noch 7 Liter pro Spülgang brauchen.

Vollintegriert oder Edelstahl? Newcomer oder bewährte Marke?

Ehrlich, ich hab-€™s dem Herrn Verkäufer auch nicht schwer gemacht, mich von einem Neukauf zu überzeugen. Mit der Modell- und Designauswahl tat ich mich deutlich schwerer: Vollintegriert oder mit Edelstahlfront. Besonders das Design eines schwedischen Newcomers hatte es mir angetan. Aber auch hier erwies sich der Verkäufer als sehr kompetent (oder geschäftstüchtig) und klärte mich über Vor- und vor allem über Nachteile auf.

“Hier handelt es sich um ein Einsteigermodell, also nichts für eine Familie mit Kindern. Die Maschine ist spätestens nach fünf bis sieben Jahren fertig. Aber es ist natürliche ihre Entscheidung.” Das bewährte (und teuerere) Modell eines deutschen Herstellers pries er in höchsten Tönen und überzeugte mich. “Da haben sie eine ausgezeichnete Wahl getroffen”, lobte er mich.

Letztlich unterschrieb ich glücklich meinen Kaufvertrag und als Sahnehäubchen bestellte ich gleich den Montageservice dazu, inklusive Mitnahme des Altgeräts. Wohl wissend, dass mein Göttergatte wahrscheinlich sagen würde, „aber Schatz, das hätten wir uns doch sparen können, eine Spülmaschine habe ich schnell eingebaut und das Altgerät kann zum Elektro-Schrott“.

Aber die harte Realität sieht ja bekanntlich anders aus, so kann ein Geschirrspüleinbau auch in einem handfesten Krach enden und die Altmaschine gammelt monatelang im Keller vor sich hin.

In drei Tagen ist es jetzt soweit, und mein schickes Edelstahlschnuckelchen zieht hier – inklusive minimalem Strom- und Wasserverbrauch – ein.

Seit dies meine Lieben wissen, habe ich die komplette Spülfunktion übernommen und denke nostalgisch zurück an den einen Abend, als wir uns lachend und schwatzend den Abwasch geteilt haben.

Klems Rückblick: Das Internet vor zehn Jahren – was man damals schon so alles wusste…


Wie war das vor zehn Jahren? Datenbankprofi Michael Klems informiert uns bis Weihnachten über "wichtige" Schlagzeilen zum Internet aus der Vergangenheit. Bild: infobroker.de

Rhein-Neckar, 8. Oktober 2011. (red/infobroker.de) Der renommierte Datenexperte Michael Klems hat es sich zur Aufgabe gemacht, einfach mal Schlagzeilen von vor zehn Jahren zu recherchieren. Teils sind die Ergebnisse urkomisch, teils stimmen sie, teilweise haben sich Ansichten und Meinungen nach heutiger Sicht widerlegt.

Recherche: Michael Klems – infobroker.de

01.10.2001
Telekom baut Videoübertragung per Internet aus/Kooperation mit Servecast zielt auf Unternehmenskunden. – Financial Times Deutschland

01.10.2001
Internet-Supermärkte liefern häufig falsche Ware – DIE WELT

01.10.2001
Intershop schlägt nach Umsatzwarnung Sparkurs ein – Das E-Commerce-Unternehmen Intershop reduziert seine Belegschaft um 25 Prozent auf 790 Mitarbeiter. – FAZ.NET

02.10.2001
1&1 Internet AG startet neue DSL-Flatrate – Die 1&1 Internet AG bietet seit Montag eine neue DSL-Flatrate ohne Zeit oder Volumenbeschränkung – Handelsblatt

02.10.2001
Internet als Patent – nein danke – Das W3C will künftig patentierte Internet-Technologien zulassen. – netzeitung.de

02.10.2001
Besserer Verbraucherschutz im Internet – EU-Kommission kritisiert geringen Anteil des E-Commerce / Grünbuch – F.A.Z. Frankfurter Allgemeine Zeitung

03.10.2001
Streit um .biz-Domains sorgt für Verzögerungen – Zwei neue Internet-Adressendungen, .biz und .info, ergänzen ab diesem Monat den Namensraum im Netz. – FAZ.NET

03.10.2001
Internet-Apotheken in den Startlöchern – Deutscher Markt ist sehr interessant für Medikamenten-Versand – Darmstädter Echo

03.10.2001
Schüler-Projekt/Internet bringt Ost und West zusammen/Bundespräsident Rau startet Initiative – Mitteldeutsche Zeitung

04.10.2001
Edu-Commerce: Wie Unternehmen die Kunden im Internet einfangen – Weiterbildung als Instrument der Kundenbindung im Internet / Edu-Commerce wird zum Geheimtip für erfolgreiches Marketing – F.A.Z. Frankfurter Allgemeine Zeitung

04.10.2001
Hamburg bleibt trotz Pleiten starker Internet-Standort – Hamburg wird trotz der jüngsten Pleiten von Internet-Firmen wie PopNet und Kabel New Media ein wichtiger Standort – DIE WELT

04.10.2001
Stunde der Sieger/Internet. Trotz Krisenstimmung setzen die meisten Unternehmen weiter auf/E-Commerce. – CAPITAL

05.10.2001
Attacken aus dem Internet/Der digitale Krieg besteht in erster Linie aus Desinformation – DIE WELT

05.10.2001
Hohe Schulden zwingen KPN zum Verkauf der Internet-Tochter – Financial Times Deutschland

05.10.2001
Hamburg: Lotto auch per Internet – Hamburger Lottospieler können ihre Tipps von sofort an auch im Internet abgeben. – Hamburger Abendblatt

06.10.2001
Verbände kritisieren Internet-Gesetz “Herkunftslandprinzip verankern” / Verstoß gegen EU-Recht – F.A.Z. Frankfurter Allgemeine Zeitung

06.10.2001
Dresdner Bank bündelt ihre Internet-Aktivitäten Bis 2006 Zahl der Online-Nutzer verdoppeln – Börsen-Zeitung

06.10.2001
Kienbaum erwartet keine Rezession – Bewerber-Suche im Internet soll ausgebaut werden – DIE WELT

Aus aktuellem Anlass eine Rückschau. Steve Jobs vor 10 Jahren im Jahr 2001

19.06.2001
Die neue Geradlinigkeit – Wenn man der Nase von Apple-Chef Steve Jobs trauen kann, ist Purismus der neue Trend im Computerdesign. – Berliner Zeitung

26.05.2001
Steve Jobs verkündet Qualitätssprung – Steve Jobs verkündet dies am 21. Mai auf einer Entwickler-Konferenz in San Jose (Kalif.) – Mitteldeutsche Zeitung

23.03.2001
Firmen-Gründer Steve Jobs ruft das “Dritte goldene Zeitalter” des PC aus – Apple bringt neues Betriebssystem gegen Windows XP in Stellung – Handelsblatt

13.01.2001
Apple geht in die Offensive/Mac OS X endlich fertig – Einmal hat Steve Jobs den Computerhersteller Apple schon gerettet. – Mitteldeutsche Zeitung

12.01.2001
Ein goldenes Zeitalter im Zeichen von Titan /Apple zeigt schnellere Desktop-Rechner und ein schlankes Notebook – Steve Jobs – Neue Züricher Zeitung

07.10.2001
Billiger Pauschaltarif auf Mallorca – Bald können auch Deutsche auf einen günstigen Pauschaltarif (Flatrate) für den Zugang ins Internet hoffen. Allerdings müssen sie dazu nach Spanien – Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

07.10.2001
“Ich würde sehr gern in Hamburg bleiben” – Der scheidende Wirtschaftssenator Thomas Mirow, SPD, über die Krise der Hamburger Internet- Wirtschaft – DIE WELT AM SONNTAG

07.10.2001
Nasebohren mit Harald Schmidt. Hunderte Geschichten der “höflichen Paparazzi” sammeln sich im Internet. – Der Tagesspiegel

Michael Klems ist Informationsprofi und recherchiert weltweit in elektronischen Datenbanken. Als Betreiber des Informationsdienstes infobroker.de ist er seit 1991 am Markt.

Internet: Infobroker.de
Facebook: http://www.facebook.com/infobrokerklems
Google Plus: http://gplus.to/infobroker

Mariettas Kolumne: Zwischen Wechseljahren und Midlife Crisis – oder einfach nur in der Lebensmitte?


Rhein-Neckar, 24. Juli 2011 (red) Marietta berichtet aus ihrem bewegten Alltag. Ihre Geschichten kosten keinen Eintritt und sind mitten aus dem Leben – manchmal geht die Phantasie mit ihr durch, aber vielleicht auch nur wegen der Realität. Doch was ist real, was phantastisch? Bei Marietta mischen sich da manchmal die Sphären. Und wie ist das mit den Wechseljahren, der Midlife Crisis und mit den Männern? Kompliziert. Soviel steht fest.

Von Marietta Herzberger

Schwaches Geschlecht?

Mit ungefähr Mitte vierzig ist es erstrebenswert, persönliche Ziele, soweit vorhanden, annähernd erreicht zu haben oder sich zumindest in einem gewissen Zustand der Zufriedenheit zu befinden.

Gehen wir davon aus, das Projekt „Zielerreichung“ oder „angenehmer Zufriedensheitspegel“ wurde in weiten Teilen umgesetzt, so lehnt man sich zurück, schaut sich das Ganze bewusst an und resümiert: Alles wunderbar. Kann so bleiben.

Dann erwischt sie dich, die Erkenntnis, dass du massiv auf die Wechseljahre zusteuerst oder schon direkt drin bist. So genau kann das keiner sagen, weil diese individuellen Befindlichkeiten bei Frauen gut 15 Jahre dauern können. Die Grenzen zwischen Beginn und Ende sind fließend und können nicht mal hundertprozentig über einen Hormontest fixiert werden. Je nach Tageszeit, Laune, Fett- und Antibiotikumgehalt der Vortagesmahlzeit.

Mal ehrlich: Haben wir als Frau nicht sowieso schon, und völlig ungerechtfertigterweise, den Stempel des schwachen Geschlechtes? Kurz aufgelacht. Wir pubertieren im Laufe eines weiblichen Lebens gleich zweimal und zwischendrin bekommen wir im schlimmsten Fall einmal im Monat schreckliche Bauchkrämpfe, welche sich immer den besten Zeitpunkt, wie zum Beispiel den jährlichen Urlaub, aussuchen. In jungen Jahren werden wir schlagartig mit Östrogenen zugeschüttet, die Brüste wachsen, die Hüften werden rund, die Pickel sprießen. Nach einer Weile lichtet sich das Hormonchaos und wir haben uns daran gewöhnt, mehr oder weniger.

Totale Fehlplanung

Knappe dreißig bis fünfunddreißig Jahre später spult der Film rückwärts. Das Östrogen hat keine Lust mehr und zieht sich zurück. Der langsame Rücklauf jedoch funktioniert nicht in allen Bereichen so wie wir es gerne hätten. Ich gebe zu, die Zeit ohne diesen monatlichen Dorn stelle ich mir recht angenehm vor. Die dämlichen Begleiterscheinungen jedoch müssten nicht sein. Hat das Östrogen damals Brust und Hüften wachsen lassen, läuft das jetzt nicht unbedingt umgekehrt. Blöde Sache. Der Brüste schrumpfen zwar, das Gewebe aber bleibt und zieht nicht nur deine Selbstachtung nach unten. Die Hüften schrumpfen allerdings nicht. Schön wäre es. Nein, sie wachsen weiter, weil der sich der Stoffwechsel ohne sein Östrogen auch nicht mehr so frisch fühlt und in aktive Altersteilzeit wechselt. Er ist zwar noch da, arbeitet jedoch nur noch anteilig. Wir setzen mehr Fett um die Körpermitte an, um das in kalten Wintern zu schützen, was wir dann sowieso nicht mehr brauchen. Totale Fehlplanung.

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Könnten wir nicht auf die letzten Meter noch mal schön schlank, glatt und gestrafft sein? Nein, können wir nicht, weil die Natur vorsieht, nur die Gebärfreudigen und -fähigen ins Beuteschema fallen zu lassen. Verabschiedet sich bei uns das letzte Ei, können die Herrschaften noch so lange Nachwuchs zeugen, bis sie tot überm Pissoir hängen. Das ist der Gipfel der Evolutionsunverschämtheiten. Wenn dann kein finanzielles Polster zur besonderen Verfügung träge auf dem Konto liegt, um die Vielfalt der Schönheitschirurgie auszutesten, wird man sich weise und erhaben dem ganz natürlichen Prozess überlassen müssen. Wenn ich es mir so recht überlege, ich das angesichts der zuhauf in den Medien vertretenen Botox-Monster sicher nicht das Falscheste.

Wir Frauen müssen irgendwann mal während der Schöpfung ganz laut „Hier!“ geschrien haben. Hier, wir nehmen das künftige Leid aller Menschen auf uns, sind einmal im Monat unrein und gebären unter Schmerzen unsere Kinder – so wurde es zumindest – und wird es manchmal auch immer noch, von den verschiedenen Religionen gepredigt. Ein gut funktionierendes Modell? Nach dem Motto: „Never change a running system“?
Und die Männer? Das starke Geschlecht? Meine lieben Damen, liebe Mütter und Verbündete. Mal ehrlich, wie vielen Männern gebt ihr die Chance eine Geburt zu überleben? Richtig. Keine. Die Menschheit wäre ausgestorben, würden wir diesen Part dem starken Geschlecht überlassen!

Wechseljahre oder Midlife Crisis. Was ist besser?

In der Jugend kämpfen sie ebenfalls mit der Pubertät, den sprießenden Pickeln und – davor bleiben wir verschont – dem einhergehenden Stimmbruch. Kommen wir in die Wechseljahre, kommen sie in die Midlife Crisis. Das klingt besser. Ist es auch.

Haben wir Schweißausbrüche, weil die Hormone versuchen, sich auf Teufel komm raus gegenseitig zu ersetzen, haben sie Schweißausbrüche, wenn die nette junge Nachbarin ein zartes, junges „Hallo“ haucht. Haben wir Schwindelanfälle, weil der Körper sich umstellt, ist ihnen schwindelig, wenn sie zu viel trinken oder sich mit Mitte fünfzig noch mal ins Cabrio setzen (das sie sich erst jetzt leisten können) und zu schnell fahren.

Was für uns der Töpferkurs zur Selbstfindung, ist für sie die neue junge Frau mit der Wahnsinnsfigur. Ist die Midlife Crisis nichts anderes, als der verzweifelte Versuch eines alternden Mannes, seine Samen nochmals erfolgreich in die Welt zu streuen? Das Resümee in der Lebensmitte? Reichen ihm Frau und Kinder? Ist der Job der richtige? Hat er alles getan, was er tun konnte? War es das jetzt? Er stellt seine Erfolge in Frage und sich in Szene. Einige setzen dann noch mal ganz neu auf.

Wenn ich detailliert darüber nachdenke, dann haben wir Frauen nicht nur die Wechseljahre sondern zu allem Überfluss die Midlife Crisis gratis dazu. Auch wir ziehen Resümee und so manche fragt sich, ob es das jetzt war, mit dem ehemaligen Adonis, der inzwischen geschätzte 120 Kilos auf die Waage bringt, auf dem Sofa sitzt und weder seinen Geist noch seinen Hintern hochbekommt.

Wir versuchen, uns zu erhalten. Sie versuchen, sich zu vermehren. Ganz simpel eigentlich, wenn man es schwarz-weiß sieht. Tun wir aber nicht, dafür sind wir Frauen. Wir sind verständnisvoll und beleuchten immer alles von allen Seiten, um es allen anderen und uns selbst Recht zu machen. Wir sind stolz darauf, was wir sind und insgeheim wissen wir, dass das vermeintlich „starke Geschlecht“ unterhalb von Weicheiern begrenzt ist. Und trotzdem lieben wir es!

Warum erzähle ich das alles? Nun ja, mit Mitte vierzig ist man eben keine dreißig mehr.
In diesem Sinne

Eure Marietta

Marietta Herzberger.

Anmerkung der Redaktion: Marietta Herzberger lebt in Weinheim und schreibt in ihren Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Erfundene Geschichten, in denen doch das eine oder andere wahr ist. Die Personen gibt es meistens, manchmal nicht. Mal ist es, wie beschrieben, mal gnadenlos überzogen. Es sind keine “journalistischen” Texte mit dem Anspruch auf Faktentreue, sondern Lesetext mit dem Ziel, Lesefreude zu verbreiten. Sie hat jede Menge Weisheiten gerne, zwei sind: “Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen” – Konrad Adenauer. Und: “Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren” – Bertolt Brecht. Wir wünschen unseren Lesern viel Lesespaß mit ihren Texten!

Kampagne: Die Vielfalt der Zeitung

Rhein-Neckar/Koblenz/Bundesgebiet, 13. September 2011. Die Kampagne “Die Vielfalt der Zeitung” geht auch 2011 weiter – solange, bis ein Verlag sie ab- oder einkauft. Das Netz ist aufgerufen, die Zeitung zu retten. Absurd? Keineswegs. Die Zeitung ist eine Wundertüte. Denn auch in Tüten können Wunder schlummern…

Aktualisiert: Dieser Artikel wurde seit Erscheinen am 03. März 2011 fortlaufend aktualisiert und wird heute mit aktuellem Datum neu veröffentlicht. Schließlich geht es um Zeitungen! In den vergangenen Monaten streikten Redakteure überall im Land und erzählten was von Qualitätsjournalismus. Doch darum geht es gar nicht. Es geht um Service. Um Nutzwert. Mittlerweile hat unsere Kampagne 47. Argumente für die Zeitung. Allen, die mitmachen, wird eine Erfolgsbeteiligung garantiert, falls ein Zeitungsverlag die Kampagne endlich kauft. Denn es geht um die Zukunft der Zeitung – nein, sogar mehr. Es geht um die Zukunft der Zivilisation, oder so ähnlich!

Von Hardy Prothmann

"Ein bisschen Spaß muss sein...", Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein-Zeitung ist eigentlich ein ganz seriöser Journalist - hat aber auch ab und an den Schalk im Nacken. Hier präsentiert er in bunten Hosen die Bastelanleitung für eine Narrenkappe. Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Rhein-Zeitung.

Die Zeitungen habens arg schwer – die Abos und Leserzahlen gehen zurück und noch viel schlimmer: Die Werbeumsätze. Laut Experte Marian Semm verlieren Zeitungen pro 100.000 Auflage seit 2001 rund vier Prozent Umsatzerlöse, was rund einer Million Euro entspricht.

Der MM beispielsweise hat im zweiten Quartal 2010 gut 1.500 Abos verloren und eine Besserung ist nicht in Sicht.

Da ich mit der Zeitung aufgewachsen bin, bestürzt mich diese Situation zutiefst. Ähnlich wie bei den Robben-Babys, dem Deutschen Wald und ganz allgemein der Umwelt und unserer Zukunft, muss eine Kampagne her, die dieses langsame Dahinsiechen aufhält und die Zukunft der Zeitung sichert.

Vergessen Sie das Leistungsschutzrecht, verehrte Verlage. Selbst die Wirtschaft hält das für eine Art von Raubrittertum. Überzeugen Sie mit Leistung, dass ist der beste Schutz und das beste Recht.

Ich habe deshalb im Oktober 2010 eine Kampagne gestartet, mit der die bedrohten Zeitungsverlage die Vielfalt der Zeitung darstellen und bewerben können.

Im vergangenen Jahr kamen sage und schreibe 36 Vorschläge zusammen. Nummer 37 und der erste für dieses Jahr kommt von der Rhein-Zeitung (Koblenz) – die schlägt vor, dass man Narrenkappen aus der Zeitung basteln kann. Sehr kreativ, wie ich finde.

Machen Sie auch mit: Reichen Sie Vorschläge ein. Save the wundertüte!

Denn die Zeitung ist eine wahre Wundertüte – es steckt viel mehr in ihr, als man zunächst vermutet.

Das lässt sich in Wort, Bild, Ton und Video in eine wunderbare Imagekampagne umsetzen. Darum dürfen die Verlag ab sofort gerne pitchen – natürlich könnten die auch Ideen klauen (was man durchaus gewohnt ist), aber ich setze hoffnungsvoll auf einen Rest von Ehrlichkeit.

Ein Zeitungskollege schreibt als Vorschlag: “Man kann daraus Papierkugeln basteln und Prothmann damit bewerfen. Besser jedenfalls als mit Wattebäuschchen”. Diesen Vorschlag lasse ich nicht unerwähnt, füge ihn aber nicht als ernst gemeint ein.

Ihre Zeitung – Ihre Vielfalt:

  1. Man kann einen Fisch drin einwickeln (jahrhundertealte Tradition).
  2. Man kann Mücken damit totschlagen (sowie die Zeit).
  3. Man kann sich draufsetzen (gerade bei vollgekoteten Parkbänken sinnvoll).
  4. Man kann Geschirr darin einschlagen (wer schon mal umgezogen ist, weiß das).
  5. Man kann damit Fenster putzen (auch wenn manche auf HaRa schwören).
  6. Man kann damit Meerschweinchenställe auslegen (auch für Kaninchen und Goldhamster geeignet).
  7. Man kann damit Räume zum Renovieren auslegen (das weiß doch jeder).
  8. Man kann daraus “Malerhüte” bauen (ist echt einfach).
  9. Man kann darin Blumen einwickeln, vorzugsweise auf dem Wochenmarkt (auf dem Markt Ihrer Wahl).
  10. Man kann damit basteln (Kindergarten und Schule und privat).
  11. Man kann damit Kunst machen (siehe Beuys).
  12. Man kann damit eine Unterlage für Gipsarme machen (einfach mal ausprobieren).
  13. Man kann sie gegen Fettablagerung auf Küchenschränke legen (das weiß jede gute Hausfrau).
  14. Man kann daraus Möbel basteln (Kreativkurs).
  15. Man kann daraus zusammengerollt eine Selbstverteidigungswaffe machen (siehe Jackie Chan).
  16. Man kann investigativ durch die Zeitungslochtechnik recherchieren (James Bond).
  17. Man kann andere im Zug davon abhalten, ein Gespräch anzufangen (in allen Bahnen dieser Welt).
  18. Man kann damit wichtig aussehen, vor allem, wen man möglichst viele Bordexemplare auf einmal in allen Sprachen mit zum Platz nimmt.
  19. Man kann damit nasse Schuhe trocknen (Wanderer-Trick 1).
  20. Man kann damit auch im Wald – Sie wissen schon (Wanderer-Trick 2).
  21. Man kann damit den Kamin anzünden. (read it – then burn it- Prinzip)
  22. Man kann sich damit daten (die und die Zeitung unterm Arm).
  23. Man kann sie sammeln.
  24. Man kann Artikel aus ihr Ausschneiden (sehr beliebt bei Bürgermeistern und Gemeinderäten der Grünen).
  25. Man kann sich dahinter verstecken (auch den klügsten Kopf).
  26. Man kann unter Zugabe von Leim jeden Trabbi damit reparieren (fragen Sie Ossis).
  27. Man kann damit seinen Frust abbauen: Stichwort Wutkrumpeln (macht viel mehr Spaß als Wutbälle).
  28. Man kann die Wutkrumpel seinen Katzen zum Spielen geben (die haben auch Spaß damit).
  29. Man kann die Zeitung im Zug vergessen und hoffen, dass sich jemand anderes drüber freut (Danke an Phil, siehe Kommentare).
  30. Man kann sich aus der Zeitung ein Kleid basteln (Danke an Christian Lindner, Chefredakteur Rhein-Zeitung http://ht.ly/31TTj).
  31. Man kann damit seinen Hund erziehen (politisch vielleicht nicht ganz korrekt – danke an Paul J. Hahn).
  32. Man kann damit seinen Briefträger trainieren (erweiterter Vorschlag auf Arg. 31, Danke an Thomas).
  33. Man kann den Hund die Zeitung zerfetzen lassen und damit andere Schäden vermeiden (Danke an Thomas).
  34. Man kann daraus Buchstaben für Bekenner- und Erpresserschreiben ausschneiden (Danke an Michael Klems).
  35. Man kann sie kündigen und bei Abo-Neuabschluss ne Kaffeemaschine als Prämie bekommen.
  36. Man kann sie wunderbar als Unterlage beim Gemüseschälen verwenden (Danke an Karen Belghaus).
  37. Man dann sich daraus eine Narrenkappe basteln (besten Dank an Christian Lindner von der Rhein-Zeitung.)
  38. Man kann aus Zeitungen auch Brücken bauen (Japan). (Danke an Christoph von Gallera)
  39. Man kann Zeitungen als Türsturzfüllung verwenden (im eigenen Haus gefunden als Füllmaterial aus den 50-er Jahren). (Danke an Christoph von Gallera)
  40. Man kann mit einer Zeitung unterm Arm so tun, als wäre man gebildet. (Danke an Michi.)
  41. Man kann mit einer Zeitung politisch korrekt Geschenke einpacken. (Dank an Michi.)
  42. Man kann mit einer Zeitung Boxen ausstopfen. (Danke an Michi.)
  43. Zur Not kann man sie auch als Klopapier verwenden. (Danke an Michi.)
  44. Man kann mit einer Zeitung und Kleister hübsche Lampfenschirme basteln. (Danke an Michi.)
  45. Man kann mit der Zeitung auch “Langeweile” überwinden und zunächst ein Zimmer damit tapezieren und dann erst alle “A”-Buchstaben, dann alle “B” usw, einkringeln – vielleicht ein neuer Therapie-Ansatz? (Danke an Marietta)
  46. Man kann die Zeitung als Unterlage verwenden, damit man die Tischdecke nicht verkleckert. (Dank an Giesela S.)
  47. Man kann mit einer Zeitung (politisch korrekt) Geschenke einpacken. (Dank an Torsten S.)

Das sind jede Menge gute Gründe, die zeigen, wie vielfältig Zeitung ist oder sein kann – auch wenn viele sie für einfältig halten. Ob man sie auch noch lesen kann oder will, ist doch nun wirklich nur ein Grund unter vielen.

Und versuchen Sie mal einen der oben genannten Gründe mit Ihrem Notebook, Ihrem Handy-  oder dem IPad… (naja, bis auf Grund 22, 40).

Sie sehen – die Qualität der guten alten Tante Zeitung ist einfach atemberaubend vielfältig.

Unglaublich ist auch ihr Beitrag zur Völkerverständigung – den überall auf der Welt, in allen Sprachen, mit allen politischen Hintergründen gelten alle Pro-Argumente überall gleich.

Und jetzt kommen Sie und zeigen mir auch nur ein einziges Produkt, ein einziges Kulturgut, das ähnlich vielfältig wie die Zeitung ist.

Sie werden keins finden – die Zeitung ist das Symbol für Vielfalt, für jedweden Nutzen. Oder?

Jetzt muss sich nur noch eine Zeitung finden, die mutig, humorvoll und selbstironisch genug ist, all diese positiven Eigenschaften zu bewerben.

Mal schauen, wer sich so alles um diese einzigartige Kampagne bewerben wird.

Sollte es so sein wie seit vielen Jahren, kopiert irgendjemand aus dem Internet die Idee sehr erfolgreich und die Zeitungen haben wieder das frustvolle Nachsehen.

Lehnen Sie sich auf, verehrte Zeitungsverleger. Geben Sie Gas. Seien Sie mutig.

Es lohnt sich.

Wenn Sie jetzt denken, dass Sie dafür nichts zahlen müssen, sind Sie schief gewickelt.

Gute Ideen haben immer ihren Preis – schlechte Zeitungen nicht.

Gabis Kolumne

Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub oder wie kann man Urlaubsgefühle konservieren

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Guten Tag!

Rhein-Neckar, 12. September 2011. Gabi ist wieder vom Urlaub zurück und versucht mit konservierten Erinnerungen der Post-Urlaubs-Depression entgegenzuwirken. Oder sollte man doch gleich den nächsten Urlaub buchen?

Die Farben des Südens.

Der Himmel ist grau – und die Landschaft und die Stimmung auch. Back in Germany. So ging es mir zumindest – und wahrscheinlich Millionen von Deutschen in den vergangenen Wochen auch- als wir nach einem Urlaub im sonnigen Süden den Frankfurter Flughafen anflogen.

Jetzt nur keine Post-Urlaubs-Depression bekommen, ist leichter gesagt als getan. Vor 24 Stunden hatte ich noch im azurblauen Meer bei angenehmen 30 Grad geplanscht und dann empfing mich Nieselregen über der Rhein-Ebene. Willkommen zurück, kann man da nur sagen.

Die widrigen Umstände der Rückkehr verstärkten sich dramatisch dadurch, dass es Sonntag war und der Kühlschrank dementsprechend gähnend leer und anstelle einer mediterranen Köstlichkeit gab es Tütensuppe. Nix mit Urlaub ausklingen lassen, ab in den Keller und Wäsche waschen, denn am nächsten Tag war schließlich Montag und wieder mein erster Arbeitstag.

In mein Büro zurückgekehrt, erwarteten mich nicht nur die lieben Kollegen, „Na, es wird ja mal Zeit, dass du auch wieder arbeitest“, nein auch 367 Emails und ein riesiger Poststapel. Willkommen zurück.

Nach der Arbeit: Großeinkauf, Wäsche waschen, kochen, Wäsche aufhängen, Küche aufräumen, Wäsche abhängen, die private Post sichten, Wäsche zusammenlegen -€¦ Sie wissen wie-€™s weitergeht.

„Schatz, du wirkst so gestresst“

„Schatz, du wirkst so gestresst“, merkte mein Mann an, „dabei hatten wir doch gerade Urlaub“. Klar, dachte ich missmutig, du musst dich ja auch nur um deinen Job kümmern. Eine Bemerkung verkniff ich mir aber, wollte ich doch nicht das zarte Pflänzchen der Urlaubsharmonie zerstören.

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In diesem Jahr hatte ich mir ganz bewusst vorgenommen, die Urlaubsgefühle zu konservieren: Wenn sich der warme Sand durch die Zehen schiebt, wie Salz auf der Haut schmeckt, wie der Süden riecht. Und vor allem die Farben: Das kräftige Blau des Himmels, das Türkis des Meeres, das knallige Pink der Bouganivillenbäume. Der Geruch von Meer, das Zirpen der Zikaden, die Melodie der Wellen und das süße Gefühl des Nichtstuns, wenn man mit einem Buch auf einer Liege am Pool liegt und die einzige Aufgabe darin besteht, die Haut regelmäßig mit Sonnencreme zu versorgen. Die Freude kleine Bergdörfer zu entdecken, durch enge verwinkelte Gassen zu laufen und am Hafen entlang zu schlendern.

Dies alles soll mich nun hinüber retten über die grauen Tage, die kommen werden. Es werden wieder Zeiten kommen, wenn man gar nicht weiß, was man noch anziehen soll, damit es einem warm wird. Und auch für den Stress im Job und zuhause mit Haushalt und Kindern braucht man ein warmes Fell. Dann möchte ich meine Erinnerungen auspacken wie kleine Geschenke, an denen ich mich erfreue.

Ich weiß nicht, ob es mir diesmal gelingen wird, aber spätestens im nächsten Frühjahr wird mich die Aussicht auf den nächsten Urlaub wieder in freudige Erwartung stimmen. Und ich werde wieder Reiseführer und Karten studieren, auch wenn meine Familie dann müde lächelt. Nach dem Motto jetzt ist sie wieder soweit, jetzt geht die Planung von vorne los. Denn nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub – also durchhalten und die Erinnerungen genießen.

Zeitungsstreik: Journalismus heißt, Fragen zu stellen

Heddesheim/Mannheim/Stuttgart, 03. August 2011. Die streikenden Redakteure beim MM stehen unter Druck – einerseits durch die Forderungen der Verleger. Aber ganz immens auch, weil das Produkt Zeitung nicht mehr ankommt. 1.500 Abos hat der MM im zweiten Quartal verloren. Die Auflage ist im Sinkflug. Auch das Anzeigengeschäft leidet. Der Vertrauensverlust der Leserinnen und Leser ist enorm. Angeblich streiken die Redakteure für “Qualität” und fordern “Solidarität”. Man muss fragen, was sie damit meinen.

Von Hardy Prothmann

Dass ich insbesondere den Mannheimer Morgen massiv kritisiere, ist bekannt. Würde ich in Stuttgart, in Mosbach, in Heidelberg, in Karlsruhe, in Bruschal, in Ludwigshafen oder Neustadt an der Bergstraße leben, würde ich mir andere Zeitungen kritisch anschauen.

Vermutlich würde ich im Sinne der Leserinnen und Leser meiner Blogs auch an anderen Orten und damit Verbreitungsgebieten von Monopol-Zeitungen viel Kritik an der Berichterstattung üben können. Denn der Lokaljournalismus befindet sich in einer tiefen Krise.

Tatsächlich kann ich aber am besten die Zeitungen beurteilen, deren Nachrichten ich durch eigene Recherchen überprüfen kann. Das sind der Mannheimer Morgen, die Weinheimer Nachrichten und die Rhein-Neckar-Zeitung. Und alle kommen oft nicht gut weg, wobei klar gesagt werden muss, dass der MM besonders problematisch ist.

Meine Kritik an der Zeitung ist massiv, aber sie ist auch begründet.

Aktuell haben streikende MM-Redakteure Kommentare gelöscht – denn Kritik oder andere als “gewogene” Nachrichten sind nicht erwünscht. So einfach kommen die streikenden Redakteure nicht davon. Sie können nicht so tun, als ob sie kritisch wären und gleichzeitig Informationen löschen oder ignorieren.

Sie fordern Solidarität, schließen aber nicht gewünschte Meinungen aus. Das geht so nicht.

Wer für Meinungsfreiheit und Qualität der Berichterstattung vorgeblich eintritt, muss selbst auch aushalten können, sich der Kritik stellen und transparent informieren.

Über verschiedene Kontakte erhalte ich abenteuerlichste Informationen, was die MM-Redakteure von meiner inhaltlichen Kritik halten. Auf einen anonymen Kommentar habe ich dem Dumpfsinn entsprechend, aber trotzdem umfangreich geantwortet.

Die in dem anonymen Kommentar äußerst dumm unterstellten “Motive” sind hanebüchen.

Ich habe mich deshalb in einem Kommentar auf Facebook an einen Redakteur gewandt, von dem ich eine hohe Meinung habe und davon ausgehe, dass er sich Fragen und Kritik stellt.

Es ist der Versuch eines Dialogs. Sicher nicht ohne Provokation. Aber mit der Möglichkeit zu Antworten, die die Zeitung und alle MM-Redakteure den Leserinnen und Lesern lange und längst schuldig sind.

Der Redakteur wurde von mir ausgewählt, weil ich vor zwanzig Jahren gut mit ihm zusammen gearbeitet habe und ich seine damals kritische Haltung schätzte. Und er ist aktiv am Streik beteiligt. Man kann ihn auf Fotos sehen und er postet auf Facebook.

Seit siebzehn Jahren haben wir nichts mehr miteinander zu tun. Wie gesagt, es ist ein Experiment – ich weiß nicht, wie der Mann heute “tickt”, aber ich habe Hoffnung.

Denn eigentlich würde ich mir wünschen, dass der MM eine stärkere Konkurrenz bietet, eine größere Herausforderung.

Der MM und meine Blogs haben eine Schnittmenge – also Menschen, die sowohl die Zeitung lesen, als auch die von mir verantworteten Blogs. Die Leserinnen und Leser, die nur meine Blogs lesen, wissen nicht, was in der Zeitung berichtet wird und umgekehrt.

Ich habe überhaupt keine Probleme, auf gute Stories im MM zu verweisen – sie müssen aber gut sein. Dann würde ich sogar empfehlen, die Zeitung zumindest tagesaktuell zu kaufen. Dafür muss ich aber überzeugt sein, dass sich das für meine Leserinnen und Leser lohnt.

Hier sind die Fragen. Der Name ist unkenntlich gemacht, weil er nicht viel zur Sache tut. Jeder mit Facebook-Zugang wird ihn schnell recherchieren können, was vollkommen O.K. ist, da er ja unter Klarnamen öffentlich sichtbar dort schreibt.

Vielleicht ist das ein Ansatz, um einen Austausch über “qualitativen Journalismus” in Gang zu bringen. Vielleicht auch nicht.

Viele Fragen - ob es Antworten geben wird?

Ergänzung

Heute hat Thorsten Hof reagiert. Er schreibt folgendes:

Facebook informiert per email über einen Kommentar - weil die streikenden MM-Redakteure sich abschotten, ist eine direkte Antwort nicht möglich.

Ich hätte ja gerne darauf reagiert. Da aber mittlerweile nicht nur für meinen Hardy Prothmann-Account der Zugang zur “Streikmorgen”-Seite gesperrt ist, sondern die Pinnwand für alle “Nicht-Freunde” gesperrt wurde, kann ich leider nicht auf Facebook darauf reagieren.

Die “Vorgeschichte”, die Herr Hof anspricht, meint den Kommentar “Das Drama der journalistischen Prostitution”, den ich im Februar 2010 auf dem http://heddesheimblog.de veröffentlicht habe. Thema des Textes war die Kritik an einer dauerhaft unkritischen, gefälligen Berichterstattung durch die Redakteurin Anja Görlitz.

Gegen diesen Text ist Frau Görlitz juristisch vorgegangen. Insgesamt habe ich rund 5.000 Euro Anwalts- und Gerichtskosten bezahlen müssen. Ein Versuch der “gütlichen” Regelung wurde nicht unternommen.

Der Anwalt von Frau Görlitz wollte zudem ein Ordnungsgeld von 3.000 Euro gegen mich durchsetzen, das Gericht hat das zurückgewiesen und ein Ordnungsgeld von 300 Euro verhängt.

Der Hintergrund: Zunächst wurde ich über meine Privatadresse abgemahnt. Die weitere Post ging aber an mein Mannheimer Büro, dass ich damals für mehrere Wochen nicht besucht hatte. Daher hatte ich sämtliche Einspruchfristen verpasst und mich entschieden, aus Kostengründen die mittlerweile erlassene Einstweilige Verfügung zu akzeptieren. Der Anwalt von Frau Görlitz hat das Maximum an Gebühren angesetzt und der Versuch mit dem Ordnungsgeld zeigen eindeutig, dass es weniger um die “Ehre” ging als darum, einen wirtschaftlichen Maximalschaden zu erzielen.

Interessant ist die Haltung von Herr Hof schon: Ein einziger Text vor eineinhalb Jahren ist ihm Grund genug, die Haltung der MM-Redakteure zu rechtfertigen. Das zeigt sehr schön den Korpsgeist dieser Bagage (danke für den Hinweis auf den Tippfehler, ist korrigiert).

Statt mit eigenen Leistungen zu glänzen, sucht man Tippfehler, baggert den Graben aus und erhöht den Schutzwall auf Facebook. Auch nicht schlecht. ;-)

 

Zeitungsstreik: Solidarität? Wieso, weshalb, warum?

Heddesheim/Mannheim/Stuttgart, 03. August 2011. Die streikenden Zeitungsredakteure fordern Solidarität ein. Denn ihnen drohen Lohnkürzungen und schlechtere Arbeitsbedingungen. Doch ist deren “Empörung” wirklich nachvollziehbar? Haben sie sich “Solidarität” verdient?

Von Hardy Prothmann

Es gibt sie noch, die sehr guten Redakteure. Vereinzelt. Aber deren Einfluss ist gering. Sie haben schon längst keine Lobby mehr und im Zweifel finden die, die kritisch berichten und die Folgen tragen müssen, keine Solidarität bei den “Kollegen”. Der Gesamtzustand der Branche ist desolat.

Ob der Kommentar jemals frei geschaltet wird? Knapp acht Stunden nach dem Erstellen auf der MM-Streikseite wartet er immer noch auf "Freischaltung".

Es gibt genau eine Perspektive, unter der man die Empörung der streikenden Zeitungsredakteure verstehen kann: Noch verdienen die meisten Verlage satte Renditen, häufig im zweistelligen Bereich. Wenn die Arbeitgeber vor diesem Hintergrund bis zu 25 Prozent unter dem bisherigen Tarif Berufsanfänger beschäftigen wollen, dann ist das skandalös und grob sittenwidrig. Damit endet die eine Perspektive.

Honorardumping ist der Normalzustand

Die anderen sehen so aus:

Skandalöse “Auftragsverhältnisse” sind der “Normalzustand”, mit dem man die Einkommensituation von vielen freien Journalisten oder “Mitarbeitern” beschreiben kann.

Deswegen hat es sich auch schon mit meiner Solidarität gegenüber den Zeitungsredakteuren. Ich werfe den meisten von ihnen Kumpanei, Mittäterschaft, Honorar-Dumping, Untertanentum, Eitelkeit, Überheblichkeit, Weltentrücktheit und Respektlosigkeit vor. Sie sind Teil eines mafiosen Systems und haben solange still gehalten, solange sie ihren Teil der Beute abbekommen haben. Jetzt sind sie im Streik, weil ihnen ihr “Anteil” zu klein scheint.

Und ich weiß, wovon ich rede. Denn ich bin seit 20 Jahren freier Journalist und meine “Abnehmer” waren über 18 Jahre lang Redakteure. Mit vielen davon habe ich sehr gut zusammengearbeitet. Früher. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Zusammenarbeit wurde immer schwieriger – nicht unbedingt, aber auch inhaltlich. Vor allem aber wirtschaftlich.

HorrorHonorargeschichten

1994 bin ich nach drei Jahren mit meinem Universitätsabschluss vom lokalen in den überregionalen Journalismus gewechselt. Denn nur dort waren einigermaßen gute Honorare zu erwirtschaften.

Was ich niemals erlebt habe, war ein “Bonus” für eine außergewöhnlich gute Arbeit, der mir einfach angeboten oder überwiesen worden wäre. Was ich ab und an erleben durfte, waren ein klein wenig höhere Honorare, wenn ich diese mit guten Argumenten nachgefordert hatte. Was ich meistens erlebt habe, waren “Honorare” die ihrem Namen keine Ehre machten. Die Zeilen- oder Beitragshonorare waren niemals üppig, selten gut, oft “gingen sie grad so”, meist waren sie nicht akzeptabel. Jedenfalls, wenn man davon leben wollte.

Beim Mannheimer Morgen habe ich 55 Pfenning (27 Cent) die Zeile “verdient”. Brutto. Ein mittlerer zweispaltiger Bericht mit 80 Zeilen ergab demnach 44 Deutsche Mark. Rechnete man im Schnitt eine Stunde Wegstrecke, 1,5 Stunden Schreiben, 1,5 Stunden vor Ort, eine Stunden Vor- und Nachbereitung, kam man auf einen Stundenlohn von 8,80 Deutsche Mark.

In den drei Jahren beim MM habe ich rund 1.000 Artikel geschrieben. Ich war als “freier Mitarbeiter” damit ganz gut “im Geschäft”. Einwandfreie Qualität wurde selbstredend immer erwartet. Alle Artikel wurden veröffentlicht. Manchmal waren 100 Zeilen bestellt, 70 wurden abgedruckt und nur 70 wurden zunächst bezahlt. Weil ich gut war und gebraucht wurde, hatte meine Intervention Erfolg – ich bekam die bestellten und abgelieferten Zeilen bezahlt, sollte dazu aber gegenüber anderen Mitarbeitern stillschweigen.

In diesen drei Jahren ist es mir in einem einzigen Monat gelungen, 1.700 Deutsche Mark zusammenzuschreiben. Der Grund: Viele Redakteure waren in Urlaub, also gab es mehr als sonst zu tun und es gab ein paar spannende Themen und viele Vereinsfeste. Damals war ich 25 Jahre alt. Im Schnitt habe ich rund 800 Mark mit meinem freien Journalismus verdient. Brutto.

“Das Thema kriegen wir nicht durch.”

Davon musste ich ein Auto unterhalten, ein Büro, Computer, Telefon. Irgendeine “Kostenpauschale” stand nicht zur Disposition. Ein paar Redakteure bestellten ab und an zehn Zeilen mehr als sie für den Abdruck vorgesehen hatten. Die 5,5 Mark waren sowas wie ein “Anerkennung”, weil ich immer einsatzbereit war.

Termine kamen aus der Redaktion, die meisten Themenvorschläge von mir. Meist wurden sie angenommen, aber immer wieder hörte ich den Satz: “Das Thema kriegen wir nicht durch.”

Ab 1994 änderten sich meine Verhältnisse mit einem Artikel für Die Zeit. Dort erhielt ich 2,8 Mark die Zeile und sogar ein Fotohonorar von 150 Euro. Zusammen waren das für einen “Job” 430 Euro. Das war sensationell. Fortan konzentrierte ich mich auf größere Zeitungen, Wochenzeitungen, Magazine sowie überwiegend den ARD-Hörfunk, der am längsten ganz gut bezahlte und auch heute noch akzeptable Honorare bietet.

Und ich habe oft “Angebote” ausgeschlagen, die immer wieder angefragt wurden, weil ich den “Markt” nicht kaputt machen wollte. Unter 350 Mark habe ich keine Magazinseite geschrieben. Niemals unter einer Mark eine Zeile (außer für die taz, die 70 Pfenning die Zeile zahlte).

Dazu habe ich an Zeitschriftenentwicklungen mitgewirkt, das brachte am meisten Geld, Redaktionsvertretungen gemacht, Vorträge und Seminare gehalten.

Um auf das Einstiegsgehalt eines Zeitungsredakteurs von damals rund 4.000 Mark Brutto zu kommen, musste ich rund 6.000 Mark verdienen und zusätzlich Geld für die “Infrastruktur” wie Auto, Telekommunikation, Computer, Kamera. Manchmal hat das funktioniert, manchmal nicht.

Nochmal zur Verdeutlichung: Bei 55 Pfenning pro Zeile und 150 Zeilen täglich wäre ich bei einer 5-Tage-Woche auf 1.650 Mark gekommen. Rechnet man noch sechs Wochen Urlaub ein, wären rund 1.440 Mark brutto geblieben. Krank durfte man nicht werden, Nein sagen auch nicht. Und es gab damals Zeitungen, die nur 25 Pfenning pro Zeile zahlten.

Durch meinen Wechsel in die “höhere Honorarliga” war ich in der glücklichen Lage, nicht jeden Mist machen zu müssen, sondern mir Themen und Aufträge aussuchen zu können.

Die meisten Kollegen versuchten, irgendwie eine Festanstellung zu bekommen. Nicht, um journalistisch interessanter arbeiten zu können, sondern um versorgt zu sein.

Doch die “Töpfe” für “Honorare” wurden zunehmend geringer. Viele Kollegen klagten nur noch, schlugen sich mehr schlecht als recht durch, auch ich hatte Einbußen, aber es ging noch ganz gut.

FAZ: 70 Cent pro Zeile sind “normal”

Als ich 2003 einen exklusiven Text mit einem enormen Rechercheaufwand geschrieben hatte, bekam ich 70 Euro überwiesen. Für einen 100-zeiligen Artikel. Also 70 Cent pro Zeile. Ich habe mich daraufhin beim Herausgeber Schirrmacher beschwert, der mir zurückgeschrieben hat, dass dies einem “durchaus üblichen Honorar” entspräche, ich aber eine Nachzahlung von 90 Euro erhielte. Eine weitere Zusammenarbeit war nicht mehr gewünscht.

Als ich 2004 zufällig zum Tsunami auf der thailändischen Insel Phuket war, berichtete ich 18 Tage lang für mehrere deutsche Medien. Darunter Spiegel, Spiegel Online, Spiegel TV, Focus, Handelsblatt, Zeit, tagesspiegel, Berliner Morgenpost, Welt, SWR und noch ein paar andere. In knapp drei Wochen habe ich rund 15.000 Euro Umsatz gemacht.

Ich war 16-20 Stunden im Einsatz, habe am Tag nach der Katastrophe 600 Leichen gezählt, um die Zahl der Opfer abschätzen zu können, habe unter anderem eine Reportage über die Arbeit der DVI-Teams (Desaster Victims Identification) geschrieben, Tage im Krankenhaus verbracht und über das Leid und die Hoffnung berichtet.

5.000 Euro die Woche? Kein schlechtes “Honorar”. Doch zu welchem Preis? Für welchen Einsatz? Hätte ich ein “psychologisches” Problem bekommen, einen Unfall erlitten – wer hätte für mich gesorgt? Es gibt für freie Journalisten selten eine Kostenerstattung und so gut wie nie eine Absicherung durch die “Auftraggeber”. Aber es gibt noch Jobs für alle die, die “gut” verdienen wollen – überall da, wo es gefährlich ist. Denn da gehen die Redakteure nicht hin.

Tagessätze von unter 250 Euro habe ich niemals akzeptiert. Mein Normalsatz waren 350 Euro. Heutzutage sind 75 Euro kein Ausnahmefall.

Lokalberichterstattung ist Ausbeutung auf höchstem Niveau

Im “Lokalen” sieht es am bittersten aus. Da bleiben für Freie meist nur die “Krumen”. Feste und Vereine. Eben alles das, wofür sich die Redakteure meist zu schade sind. Plus Abend- und Wochenendtermine, weil die meisten Redakteure dann frei haben. Häufig sind das Rentner, die nicht unbedingt dazu verdienen müssen oder Hausfrauen. Oder ehemalige Praktikanten wie ich, die dann für Hungerlöhne Zeilen schinden und anfangen, irgendwas blumig zu erdichten.

Zeitungsredakteure geben das in Auftrag, nehmen es ab und veröffentlichen diesen Schund. Diese Bratwurstberichterstattung über Wettergötter, allgemeine Zufriedenheit, kühlen Gerstensaft und leckere Bratwürste. Sie suchen die Nähe der “Mächtigen” und schreiben den meisten nach dem Maul – außer, der Herr Verleger oder der Chefredakteur haben jemand “auf dem Kieker” – der wird dann “runtergeschrieben”. Ansonsten dient man sich an.

Redakteure bilden den unsolidarischst-vorstellbaren Haufen

Es gibt keinen unsolidarischeren Haufen als diese Zeitungsredakteure, die sich einen Dreck drum scheren, wie es “ihren” freien Mitarbeitern geht. Meist erlebt man Arrogantlinge, die vor Selbstüberheblichkeit kaum noch laufen können und mit ihrer Schere im Kopf ständig bemüht sind, keinen Ärger zu bekommen, statt “Anwalt des Lesers” zu sein und “Missstände aufzudecken”. Sie halten sich für “unabhängig” – wie wenig sie das sind, zeigt ihr Streik.

Redakteure, die es genießen, hoffiert zu werden, die selbstverständlich immer ihre “Extra-Wurst” einfordern, sich auf Reisen einladen lassen, sich beschenken lassen und “Presserabatte” einfordern. Und ihr Salär gerne mal mit einer “Moderation” aufarbeiten und gar nicht so selten in ihrer Freizeit “Berichte” für Unternehmen oder Politiker schreiben, die sie als “Pressemitteilung” dieser Unternehmen oder Politiker dann als “Grundlage” für ihre “journalistischen Berichte” verwenden.

Sie agieren dabei genauso, wie viele Chefredakteure und Redaktionsleiter, die in teure Hotels zu wichtigen Konferenzen eingeladen werden, wo Unternehmen, Politiker, Verbände und Lobbyisten dann “Themenstrecken” und Anzeigenbuchungen aushandeln. Und vor allem, über was nicht berichtet wird.

Man kann vermuten, dass einige Redakteure bei Tageszeitungen journalistisch auch einfach zu inkompetent sind, um dieses Zusammenhänge verstehen zu wollen, geschweige denn zu sehen. Man liegt aber auch richtig, wenn man annimmt, dass viele dies schweigend zur Kenntnis nehmen und wissen, was sie und was sie nicht zu berichten haben.

Transparenz über die Hintergründe ihrer Arbeit findet man von den Redakteuren in den Zeitungen so gut wie niemals.

Und diese Leute fordern nun Solidarität. Also einen Zusammenhalt, eine Haltung?

Arrogante Verlogenheit

Wer sich und andere über Jahrzehnte selbst belügt, kann wahrscheinlich die eigene Verlogenheit irgendwann nicht mehr erkennen.

Mit dem Blick von außen sehe ich aber keinen Grund, mich mit diesen Leuten zu solidarisieren, von denen ich und die allermeisten freien Journalisten in Deutschland niemals “Solidarität” erfahren haben.

Und wenn Leserinnen und Leser wüssten, wie respektlos und despektierlich sich “Redakteure” oft über ihre Kunden auslassen – sie wären entsetzt. “Die da draußen” sind für viele Redakteure einfach nur dumme Leute. Solange es kaum eine Möglichkeit gab, die “Kontrolleure” zu kontrollieren, mussten die Leute “glauben, was in der Zeitung steht”.

Das Internet hat das verändert – heute gibt es so viele Quellen und so viele Möglichkeiten sich per email, Facebook oder anderen Medien zu informieren und auszutauschen. Und es gibt viele Redakteure, die ihre Verachtungshorizont auf das Internet ausgeweitet haben, wo man angeblich “nur Dreck findet”. Und es gibt nicht wenige, die stolz darauf sind, dass sie das Internet nicht benutzen.

Darin unterscheiden sie sich nicht von denen, gegen die sie gerade streiken – die Verleger als Arbeitsgeber.

Nachtrag:
Alle Redakteure, mit denen ich gut zusammengearbeitet habe und dies weiterhin tue, schließe ich selbstverständlich aus und hoffe, dass sie ihren schweren Stand weiter halten können.

Glückwunsch! Unsere Autorin Marietta gewinnt Platz 3 beim poetryweb.de :-)


Glückwunsch! Unsere Autorin Marietta Herzberger hat den dritten Platz beim poetryweb-Wettbewerb gewonnen :-)

Guten Tag!

Weinheim/Rhein-Neckar, 27. Juli 2011. (red) Seit Januar 2011 ist sie “an Bord” und schreibt regelmäßig ihre Kolumne für unsere Blogs : Marietta Herzberger aus Weinheim. Mit ihrem Text “Nicht ohne meine Hypophyse”, den sie im Februar beim Wettbewerb “poetryweb.de” eingereicht hat, hat sie aktuell den dritten Platz gemacht. In der Jury sitzt unter anderem “Chako” Christian Habekost.

Große Überraschung in der Redaktion: Zufällig haben wir am Abend entdeckt, dass unsere Kolumnistin Marietta Herzberger den dritten Platz beim poetryweb.de-Wettbewerb, der “Community für junge, moderne Literatur” gewonnen hat. (Hier geht es zur Facebook-Seite von poetryweb.de)

Gute besetzte Jury (von oben): Christiane Güth, Christian Habekost, Christoph Hünermann, Usch Kiausch. Quelle: poetryweb.de

Herzlichen Glückwunsch!

Manchmal gibt es unglaubliche Zufälle. Der Text “Nicht ohne meine Hypophyse” liegt uns schon einige Zeit vor. Wir wussten nichts davon, dass Marietta diesen bei einem Wettbewerb eingereicht hat.

Montags ist unser Kolumnentag. Am Montag, den 25. Juli 2011, haben wir kurz nach Mitternacht redigierten Text unter der Überschrift: „Entschuldige, Schatz, du weißt doch, meine Hypophyse!“ veröffentlicht.

Und um 10:32 Uhr veröffentlicht poetryweb.de die Gewinner des jungen Literatur-Wettbewerbs – darunter Marietta Herzberger mit ihrem Text in der Kategorie “Innovation”. Gestern Abend stoßen wir über Facebook auf die gute Nachricht.

Die Jury ist gut besetzt: Die Autorin Christiane Güth, der Sprachwissenschaftler und Kabarettist Dr. Christian “Chako Habekost”, der Verlagsmanager Christoph Hünermann und die Kulturjournalistin Usch Kiausch haben die eingereichten Beiträge gesichtet und gewertet.

Die Gewinnerbeiträge werden in einem Buch veröffentlicht und auf der Frankfurter Buchmesse prämiert.

Die Gewinner des jungen Literaturportals, denen wir allesamt herzlich gratulieren, heißen wie folgt:

Innovation

1. Gedicht Nr. 2 über Marie – Stefan Müller
2. Kantinentisch – Michael Müller
3. Nicht ohne meine Hypophyse – Mari Etta

Kurzgeschichte

1. Ziel erreicht – Manuel Zerwas
2. Absurdes – Lina W.
3. Aufwachen um Kopf und Kragen – B.Z.

Lyrik

1. Der Humoris-Tisch – Liz Murphy
2. Bob Dylan – Kai Kraus
3. Konjunktivus permanens – Andreas Hecke

Einen schönen Tag wünschen Dir alle Mitarbeiter der Redaktion!

Anmerkung der Redaktion:
Alle Texte von Marietta Herzberger (die für uns aktuell über ihre Rauchentwöhnung schreibt) finden Sie, indem Sie bei der Suche rechts “Marietta” eingeben. Ebenfalls in der rechten Spalte finden Sie unter “Kategorien-Mariettas Kolumne” ihre Kolumnen sowie die Texte der anderen Autoren.

„Entschuldige, Schatz, du weißt doch, meine Hypophyse!“


Rhein-Neckar, 24. Juli 2011 (red) Marietta berichtet aus ihrem bewegten Alltag. Ihre Geschichten kosten keinen Eintritt und sind mitten aus dem Leben – manchmal geht die Phantasie mit ihr durch, aber vielleicht auch nur wegen der Realität. Doch was ist real, was phantastisch? Bei Marietta mischen sich da manchmal die Sphären. Und niemals hätte Marietta gedacht, dass Schwangerschaft und Mutter-Dasein solch’ massive Veränderungen mit sich bringen – doch dann fand sie die Erklärung.

Von Marietta Herzberger

Die Hypophyse. Quelle: Wikipedia/ Patrick J. Lynch, medical illustrator.

Wussten Sie schon, dass eine Frau sobald sie ein oder mehrere Kinder zur Welt bringt, keine folgerichtigen Schlüsse mehr ziehen oder eine komplexere betriebswirtschaftliche Berechnung ausführen kann? Nein? Dann lesen Sie weiter.

Bis ich eines Besseren belehrt wurde, war ich der irrigen Annahme erlegen, dass Kinderkriegen eine Sache von höchstens ein paar Stunden ist – die Zeit der Schwangerschaft nicht eingerechnet – und das war es dann auch. Völlig falsch!

Genauso wie die Annahme, Lappen dienen lediglich zur Säuberung diverser Gegenstände. Klar. Keine Frage. Oder doch nicht? Genau. Auch hier: Völlig falsch.

Als halbwegs gebildete Mutter weiß ich heute, dass es Vorder-, Mittel- und Hinterlappen gibt. Und die sind wichtig, sehr wichtig sogar. Insbesondere für Frauen, die Kinder bekommen. Gemeint ist die Hypophyse. Auch als Hirnanhangdrüse bezeichnet.

Zur Verdeutlichung: Der Begriff kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „das unten anhängende Gewächs“, obwohl sich dieses Etwas direkt in unserem Hirn befindet und ich es in der deutsch-wörtlichen Übersetzung eher dem Manne zugesprochen hätte. Genauer befindet sich dieses Gewächs tief im Schädel in der Höhe etwa zwischen den Augen.

Dieser Teil unseres Körpers verändert sich dramatisch, während man vergnügt dabei ist, ein kleines Menschlein wachsen zu lassen. Das Absurde hier: Es ist egal, ob man kastriert wird oder schwanger ist. In beiden Fällen schwillt die Hypophyse an, nimmt Veränderungen an besagten Hirnlappen vor und bringt einen dazu, wirre Dinge zu tun wie Schokoriegel mit Senf zu essen oder den Partner anzubellen, weil er bereits zum wiederholten Male unerträgliche Geräusche beim Fußnagelklipsen produziert.

Licht kam in mein Mysterium!

Diese Tatsache wurde mir klar, als ich ziemlich umfangreich beim Frauenarzt saß, auf meinen Termin wartete und mir in stoischer Gleichmütigkeit einen Artikel über Veränderungen im Körper während der Schwangerschaft durchlas. Da kam Licht in mein Mysterium – und nebenbei auch in das meines Mannes; schließlich war ich eines für ihn geworden. Endlich waren alle meine Fragen beantwortet.

Die Hypophyse ist schuld! Ich war nicht bescheuert, sondern schwanger und dabei hat die Hypophyse einiges mitzureden. Endlich hatte ich eine Entschuldigung für all meine verbalen Fehltritte: „Entschuldige, Schatz, du weißt doch, meine Hypophyse!“

Wie dem auch sei, die Schwangerschaft ist vorbei, das Kind ist da. Ist dann alles wieder in Ordnung? Oh nein, ist es nicht! Die niedlichen Läppchen verwandeln sich nämlich nicht wieder zurück. Die bleiben, wie sie sind. Was aber nicht heißen soll, dass ich nun mein Lebtag ungenießbares Zeug verschlingen werde. Die Veränderung vollzieht sich viel dramatischer. Sie wühlt sich subtil in alle Lebensbereiche. Latent und doch offensichtlich.

Ich gehe nicht mehr shoppen! Ich gehe einkaufen. Zielgerichtet und vernünftig. Und ich kaufe nicht etwa Schuhe für mich, nein, ich kaufe Kinderklamotten, Glitzerhaarbänder und Lutscher.

Pizza, Cheeseburger & Co waren gestern. Heute koche ich gesund, mineral- und vitaminreich und auf die Frage meines Mannes, wann wir mal wieder skaten gehen, schaue ich ihn nur verständnislos an und teile ihm entrüstet mit, dass ich schließlich einmal die Woche zum Kinderturnen gehe. Was geben mir Theaterbesuche oder das Konzert von Toto, wenn ich auch vorm Kinderkarussell stehen kann?

Das hätte mir mal vorher einer sagen sollen!- Vor der Schwangerschaft noch milde belächelt, trifft es dich danach mit voller Wucht und das Schönste daran ist: Du merkst es nicht. Dein Partner schon, deine Umwelt auch, du selbst nicht. Daran wiederum ist nicht allein die Hypophyse schuld, die ich ständig und unentwegt als Entlastungsbeweisstück aus der Jackentasche ziehe. Einfach der Umstand der Mutterschaft reicht gelegentlich schon aus. Was das Ganze nicht wirklich einfacher macht.

Was soll-´s. Ich kann gleichzeitig kochen, telefonieren, meine Emails abrufen und die Hausaufgaben meiner Tochter überwachen. Das soll mir mal einer – da meine ich den männlichen Teil der Bevölkerung – nachmachen! Ich habe die Herrschaft und den Überblick über die Temperatur meiner Tochter, den Liebesbarometer meines Mannes, der halbjährlichen Identitätskrise meiner Freundin, die familieneigenen Finanzen, den Bewegungsdrang eines gefräßigen Hundes und schaffe es mittlerweile trotzdem noch, den Kühlschrank zu bestücken und meine unqualifizierten Zellen ins Büro zu schleppen, um- produktiv tätig zu werden.

So! Und was habe ich davon?

Unübersehbar klebt mir der Stempel „verantwortungslose und total überforderte Rabenmutter“ auf der Stirn. Schande über mich. Dann schaue ich nach rechts auf die Zweifachmutter und Nur-Hausfrau neben mir. Und was sehe ich? „Eine gluckende Übermutter mit viel Zeit zum Nichtstun.“

Also Mädels, sobald sich die Hypophyse einmischt, wird alles anderes, ob ihr wollt oder nicht. Und der Rest der Welt auch.

Sobald ihr Mutter seid, könnt ihr euch mit größtmöglicher Mutterliebe der Erziehung widmen, nebenbei euren Doktor nachholen, ein Buch schreiben und in einem Frauen-Netzwerk mitmischen, während ihr wohlgeformte und wunderbare Geliebte eines treuen Ehemannes seid.

Es ist garantiert nicht einfach. Aber wir haben nun – egal für was – eine Entschuldigung.

Sorry – die Hypophyse!

Eure Marietta

Marietta Herzberger.

Anmerkung der Redaktion: Marietta Herzberger lebt in Weinheim und schreibt in ihren Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Erfundene Geschichten, in denen doch das eine oder andere wahr ist. Die Personen gibt es meistens, manchmal nicht. Mal ist es, wie beschrieben, mal gnadenlos überzogen. Es sind keine “journalistischen” Texte mit dem Anspruch auf Faktentreue, sondern Lesetext mit dem Ziel, Lesefreude zu verbreiten. Sie hat jede Menge Weisheiten gerne, zwei sind: “Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen” – Konrad Adenauer. Und: “Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren” – Bertolt Brecht. Wir wünschen unseren Lesern viel Lesespaß mit ihren Texten!

Gabis Kolumne

Einkaufstrolleys, Unterhemden und Tennissocken auf dem Prüfstand

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Guten Tag!

Rhein-Neckar, 18. Juli 2011. Wann sind Sachen oder Kleidungstücke cool und wann uncool, fragt sich Gabi. Hat das etwas mit dem Alter zu tun oder mit der jeweiligen Mode?

Cool oder uncool? Das ist hier die Frage.

Einkaufstrolleys und Birkenstocksandalen sind voll uncool – da werden Sie mir sicherlich Recht geben. Aber unbenommen sie sind extrem praktisch.

Sky-Heels auf der Gartenparty und Flip Flops im Regen sind cool, aber eindeutig unpraktisch. Man bleibt im Rasen stecken oder man bekommt nasse Füße.

Spätestens, wenn Sie pubertierende Kinder haben, werden Sie in die Coolness von Kleidungsstücken und Ähnlichem eingeführt.

Der gute alte Ranzen wird irgendwann durch den Rucksack und der wiederum durch die Umhängetasche ausgetauscht. Auch wenn der Gurt tief in die Schulter einschneidet.

Feste, gefütterte Schuhe im Winter sind genauso verpönt wie bequeme Sandalen im Sommer.

Badehosen für Jungs müssen so weit und lang sein, dass sie den kompletten Badesee aufsaugen und die Sommerkleidchen der Mädchen so kurz und dünn, dass sie eigentlich nichts mehr bedecken.

Es gab eine Zeit, da waren die Haare meines Sohnes so lang, dass er eigentlich nichts mehr sehen konnte. Die Hosen des Sohnes meiner Freundin waren so weit, dass man Angst hatte, dass er sie verliert, während die Jeans meiner Tochter so eng waren, dass ich ständig befürchtete, sie würde einen akuten Blutstau erleiden.

„Mama, das ist absolut cool.“

„Mama, das ist absolut cool“, ist der zweithäufigste Satz, den man hört, wenn man mit pubertierenden Kindern zusammenlebt, der nur noch durch „Oh Gott Mutter, wie uncool“ getoppt wird.

Uncool sind Regenjacken, Brotdosen, Pausenbrote, feste Schuhe, Socken in Sandalen oder Ballerinas, kurze Shorts bei Jungs, Schirme, Essen in der Mensa, Fahrradhelme, Ellenbogenschützer beim Inlinern – also alles, was das Leben praktisch, gesund und sicher macht. Der Umkehrschluss lautet logischerweise – cool ist alles, was das Leben unpraktisch, ungesund und unsicher macht.

Also Strickjacken im Regen, Sneekers beim Wandern und Burger oder Snacks in der Mittagspause.

Aber so einfach ist das leider nicht. Kaum habe ich mich an dieses Regelwerk gewöhnt, werden die Koordinaten neu gerüttelt. Plötzlich sind kurze Haare angesagt und Gummistiefel sind absolut cool – aber vor allem bei 30 Grad und Sonnenschein. Waren weiße Tennissocken noch vor zehn Jahren ein absolute No Go, klärte mich meine Tochter gerade erst vor ein paar Tagen auf, dass man diese wieder getrost zu Chucks tragen könne.

Was macht Coolness aus?

Was lernen wir daraus? Richtig, Coolness ist eindeutig von Modetrends abhängig, aber auch von der Peer Group, in der man sich bewegt.

Das heißt, selbst wenn der allgemeine Trend zu “In ear”-Kopfhörern tendiert, kann es passieren, dass die Kids mit Mickey Mäusen auf den Ohren rumlaufen, weil das in der eigenen Clique angesagt ist.

Nerdbrillen, eben noch dem Streber vorbehalten, werden wenig später zum Must-Have 2011, auch wenn man aussieht wie Puck, die Stubenfliege.

Ganz dramatisch wird es, wenn eine weitere Generation dazwischen liegt, also, wenn Großeltern versuchen trendige Geschenke zu machen. Stolz präsentierte mir meine Mutter ein hübsches Jungen-Sweat-Shirt, das sie in einer Boutique im Urlaub erstanden hatte. „Die Verkäuferin hat mir erklärt, so was tragen jetzt alle“, erklärte sie mir stolz und ich erkannte schon auf den ersten Blick, dieses Oberteil wird mein Sohn niemals anziehen.

Geschädigt für’s Leben

Aus meiner eigenen Jugend verhasst, sind mir bis heute noch Unterhemden. „Ach Gott, des Kind hat ja gar kein Unterhemd an“, rief meine Großmutter immer entsetzt aus, selbst bei 25 Grad im Schatten. Das fand ich so uncool, das ich das Kleidungsstück bis heute vollständig aus meinem Leben, sprich Kleiderschrank verbannt habe.

Ähnlich ging es mir mit Schlafanzügen und Nachthemden, irgendwann in meiner Pubertät begann ich im T-Shirt zu schlafen und behielt das bis vor wenigen Jahren so bei. Und siehe da, manches ist anscheinend eher Lebensabschnitt- als Mode- abhängig, konnte ich vor Kurzem doch beobachten, dass auch mein Sohn das T-Shirt dem Pyjama vorzieht.

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Uncool ist demnach ein Synonym für peinlich, spießig, altmodisch – und das sind oft auch Eltern. Cool dagegen ist lässig, angesagt, trendy – also meist, das was die Freunde machen oder haben.

Spießig, peinlich, uncool …

Aber auch das Erwachsenenleben ist vor solchen Kategorisierungen nicht immer sicher.

„Mein Gott, hast Du das gesehen, der hat ja einen weißen Opel Kombi – voll das Spießer Auto“, sagte kürzlich eine Freundin über einen Arbeitskollegen.

„Die Mutter von XY hat doch tatsächlich den Kuchen in einer Tupperdose auf den Tisch gestellt, wie peinlich ist das denn“, erzählte eine Bekannte.

Und als mein Mann mir kürzlich einen Einkaufstrolley mitbrachte und meinte damit könnte ich doch künftig durchs Rhein-Neckar-Zentrum bummeln, rief ich aus: “Niemals, das ist ja völlig uncool!“

Geprothmannt: Sie wollen Klartext reden? Kein Problem! Wie Thilo Sarrazin das Dumme in manchen Deutschen reaktioniert


Mannheim/Rhein-Neckar, 04. Juli 2011. (red) Die Wirtschaftsjunioren in der Metropolregion wollten unbedingt an Thilo Sarrazin als Redner festhalten. Angeblich, weil es Ihnen um einen “offenen Meinungsaustausch” geht. Diesen Meinungsaustausch können die verantwortlichen Personen haben – mit einem “Klartext”. Einem offenen Brief an Thomas Steckenborn, Vorstand der Cema AG, an die Wirtschaftsjunioren in der Region Rhein-Neckar und an die Industrie- und Handelskammern.

Von Hardy Prothmann

Sehr geehrter Herr Steckenborn,
sehr geehrte Wirtschaftsjunioren,
sehr geehrte Mitglieder der Industrie- und Handelskammern,

ich schreibe Ihnen diesen offenen Brief, weil ich davon überzeugt bin, dass Sie einen großen Fehler gemacht haben, der das Ansehen Ihrer Personen, das Ansehen Ihrer Unternehmen und das Ansehen Deutschlands enorm beschädigt hat.

Analytisch betrachtet, haben Sie sich blenden lassen. Sie vermuten, dass der Autor des Buchs “Deutschland schafft sich ab”, Thilo Sarrazin, einen “latenten Diskussionsbedarf aufgegriffen und thematisiert hat”. Zumindest schreiben Sie das in Ihrer Pressemitteilung.

Sie vermuten das, weil sich das Buch des Herrn Sarrazin bislang 1,3 Millionen Mal verkauft hat. Sie schreiben: “Wenn wir Herrn Dr. Sarrazin und seine Gedanken ignorieren würden, dann würden wir einem, wie die Verkaufszahlen seines Buches zeigen, großen gesellschaftlichen Thema nicht gerecht“, erklärt Michael Sittek, Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Wirtschaftsjunioren Mannheim-Ludwigshafen dazu.”

Denkfehler führen zu falschen Schlüssen

Sie erliegen leider einem eklatanten, mehrfachen Denkfehler, weil Sie, wie viele “Wirtschaftsmenschen” zu eindimensional denken.

Ihr Denkfehler ist einer der Ausbildung. Ethik gehört nicht zu den Standardfächern der BWL, VWL oder Ingenieurswissenschaften. Und Sie bewegen sich nur zum Teil auf einem Produktmarkt (Buch) – der größere Teil ist der Meinungsmarkt (Inhalt).

Wie viele Kinder haben wohl diese Unternehmerdeutschen gezeugt? 1,3 im Durschnitt?

Sie fragen, „wie es um unsere Diskussionskultur und Demokratie steht, wenn Zensur gewünscht ist“? Auch hier verstehen Sie etwas falsch. Artikel 5 Grundgesetz sagt: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Damit ist staatliche Zensur gemeint und Herr Sarrazin ist von keiner Behörde zensiert worden. Ganz im Gegenteil haben sich von der linken taz bis hin zur konservativen FAZ alle wesentlichen Medien mit seinen Thesen beschäftigt. Das Ergebnis ist eindeutig vernichtend.

Das Grundgesetz garantiert, dass Menschen ihre Meinung frei äußern können. Auch hier ist Ihre Auffassungsgabe beschränkt. Sie machen daraus die Selbstverpflichtung, rassistische Meinungen zu befördern. Angeblich, um sich einer gesellschaftlich notwendigen Debatte zu stellen. Dabei haben Sie ausnahmsweise gar nicht mal so unrecht: Viele Deutsche haben latent rassistische Einstellungen.

Sie können so viel über falsche Zusammenhänge und falsche Tatsachenbehauptungen diskutieren wie Sie wollen – die Falschheiten werden dadurch nicht richtiger.

Sie rufen zu Kritik und Diskussion auf. Haben Sie die Begriffe in ihrer Bedeutung verstanden. Obwohl Sie angeblich dazu eingeladen, fand dies nicht statt. Herr Sarrazin konnte lang und breit seine kruden Thesen und langweiligen Alltagsanekdoten ausbreiten, ohne sich einer Kritik und Diskussion stellen zu müssen. Dafür hätte es eines Podiums bedurft. Einen jungen Mann, der sich kritisch äußerte, haben Sie durch Ordner aus dem Saal entfernen lassen.

Faszinierender Erfolg?

Sie sind fasziniert vom “Erfolg” des Buches. Erfolg ist in Ihren Augen Masse, ist Absatz, ist Umsatz.

Doch wie verhält sich das im „Buchmarkt“? Gelten hier die gleichen Gesetze wie für Katzenfutter?

Warum sollte auch nur einer der rund 400 Gäste im Rosengarten den Vortrag besuchen, in dem Herr Sarrazin die “Kernthesen” des Buches vorstellte, wenn man das Buch schon gelesen hat? Wäre das nicht Zeitverschwendung? Oder erhofft man sich neue “Erkenntnisse”, weil man das Buch irgendwie nicht verstanden hat?

Oder wurde das Buch am Ende nur von wenigen und nicht von vielen gelesen? Herr Sarrazin beschwert sich, dass kaum einer seiner Kritiker das Buch gelesen habe. Wie kommt er auf die Idee, dass die Käufer dies getan haben?

Pseudowissenschaftlicher Erfolgsautor: Thilo Sarrazin.

Das Fetisch-Prinzip

Vielleicht erweitert diese Information Ihren Horizont. Sie wissen sicher nicht, dass die Bücher der Literaturnobelpreisträger mit zu den gut bis sehr gut verkauften, aber am wenigsten gelesenen gehören. Man kauft sich diese Bücher, um sie wie einen Fetisch ins Regal zu stellen: „Seht her, was ich für Literatur lese.“ Oder man verschenkt sie an Leute, die auch Regale haben. Dieses Schicksal teilen diese Autoren mit den Menschen, die an der Bibel mitgeschrieben haben.

Ganz anders Heinz G. Konsalik. Der Autor (Der Arzt von Leningrad) ist einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Schriftsteller mit einer Gesamtauflage von 80 Millionen Büchern. Niemand ist je auf die Idee gekommen, ihm dafür den Nobel-Preis zu verleihen oder ihn in literarische Diskussionsrunden einzuladen. Der Gattungsbegriff für seine Bücher ist der Roman. Die Untergattung Trivialliteratur.

Auch er hat vor allem in den Nachkriegsjahren ein „großes gesellschaftliches Thema getroffen“: Die Sinnlosigkeit des Krieges.

Joanne K. Rowling hat von ihren “Zauber-Büchern” (Harry Potter) insgesamt mehr als 400 Millionen Exemplare verkauft. Auch sie trifft ein „großes gesellschaftliches Thema“ – in eine Welt der Fantasie und Zauberer, in den Kampf von Gut gegen Böse abtauchen zu wollen, aus der realen, anstrengenden Welt in eine der Fantasie. Man kann dem Alltag entfliehen.

Es ist ein Jugendbuch, das von vielen Erwachsene gelesen worden ist – das kann man aus der Auflage schließen. Sie wissen schon: Statistik. Wie viele Kinder gibt es im Alter zwischen 10 und 14 Jahren? Bei weitem nicht so viele, um diese Auflagen zu erreichen.

Sie als Wirtschaftsjunioren haben mit solchen Büchern vermutlich nicht viel zu tun. Sie stehen auf “Sachbücher”. Sie haben mit Aufträgen, mit Kostenrechnung, mit Gesetzeslagen, mit Normen mit all der Bürokratie zu tun, die Ihnen das Leben schwer macht. Auch dazu gibt es viele Bücher.

Und jetzt dieses “Sachbuch” von Herrn Sarrazin, der sich ebenfalls als Zauberlehring betätigt: Er mixt Psycholgie, Neurobiologie, Gentechnik, Sozialwissenschaften, Politikwissenschaften zu einem Gifttrank. Er will niemanden aus dem Alltag entführen, sondern er will vergiften.

Neue Dolchstoßlegende

Auch Herr Sarrazin bedient Sehnsüchte. Auch bei ihm geht es um den Kampf zwischen “Gut und Böse”. Zwischen den Intelligenten und den Dummen, zwischen denen, die aussterben und denen, die sich ungezügelt vermehren und die Intelligenten bedrohen.

Der Erfolg seines Buches zeigt, dass er ein Bedürfnis befriedigt, das viele Deutsche in sich tragen. Das Ressentiment gegenüber anderen. Eine tief sitzende, latente Fremdenfeindlichkeit. Die Lust an der Diffamierung. Die Neid-Neurose.

Kann ein Herr Steckenborn seine Probleme, Fachkräfte zu finden, mit den Sarrazinschen Thesen lösen?

Im Kern schafft er eine neue Dolchstoßlegende. Wenn es den Deutschen „schlecht geht“, muss irgendjemand anderes daran schuld sein.

In Ihrer Pressemitteilung schreiben Sie, Herr Steckenborn, die Veranstaltung sei „korrekt und mutig“. Merken Sie etwas?

So fühlen Sie sich. Mutig und korrekt. Und wenn Sie “mutig und korrekt” sind, was sind dann die anderen?

Sie strampeln, sie mühen sich ab und es geht nicht voran.

Mit all den Instanzen von der Kapitalbeschaffung über die politischen Kontakte, die Wissenschaft, diese verkorksten Gesetzte, diese Arbeitsvorschriften, Normen, Kontrollen – es ist zum Wahnsinnig werden.

Und dann lesen Sie über einen, der sagt, was angeblich falsch ist und wer angeblich schuld hat. Und egal, was der sagt, der hat recht, denn es läuft so viel falsch.

Weil die Deutschen nicht daran schuld sein können, muss es eben jemand anderes sein.

Mit dieser Rhetorik hat jeder Populist schon immer genau das Dumme in den Deutschen getroffen.

Kinder oder Leistung?

Und Ihnen geht das Messer im Sack auf, wenn sie daran denken, wie viele Leute es gibt, die „Kinder produzieren“ und dafür „Unterstützung“ erhalten, während die Leute mangels Zeit oder wegen zu viel Stress oder Karriere nicht in der Lage sind, Kinder zu machen, geschweige denn, sich um sie zu kümmern.

Und zwar so, wie man sich das vorstellt, mit glücklicher Miracoli-Familie:”Hm, ist das lecker”, Lachen, Freude, Beisammensein, Erfüllung. Das alles in schmeichelweißes Licht getaucht, die Frau liebevoll, der Mann trainiert, die (1,3) Kinder liebreizend glücklich, gerne darf es auch etwas Rasen geben, ein Teich, mindestens einen Audi, gerne auch einen X5, wobei der Trend bei Unternehmer-Prolls eindeutig zu AMG-Mercedes-Modellen geht. Ein Golden Retriever passt immer gut ins Bild.

Wenn der Unsinn grassiert, wird es Zeit, “Tacheles” zu reden. Zurück zu den “Fakten”. Und die sind hart. Die bildungsfernen Türken und die Araber produzieren zu viele “Kopftuchmädchen”. Zocken alle die ab, die “Gas geben”, die Deutschland voranbringen wollen.

Deutsches Unternehmertum

Kein Wort über Unternehmer, die ins Ausland abhauen, weil sie die Bürokratie in Deutschland nicht mehr ertragen. Kein Wort über deutsche, “geachtete” Unternehmen, die sich längst aus jeder sozialen Verantwortung verabschiedet haben und billiger im Ausland produzieren lassen – zu teils menschenunwürdigen Bedingungen für die dortigen Arbeiter. Ohne jeden Skrupel. Kein Wort über beispielsweise den „Saubermann“-Konzern Siemens, der mit arabischen und anderen Geschäftemachern ein ausdifferenziertes “Schmiergeldsystem” perfektioniert hat.

Dafür aber viele Statistiken, die “eindeutige Fakten” versprechen – von einem Mann, der sich anmaßt, multiple Wissenschaften zu verstehen. Und jeder, der ihm beipflichtet, ist mindestens ebenso “schlau” und hätte eigentlich auch 1,3 Millionen Mal für seine Ansichten verkauft werden können. (Sie erinnern sich – das Nobel-Preisträger-Buch-im-Regal-Prinzip.)

Ist die griechische Staatspleite auch auf muslimische, integrationsunfähige Einwanderer zurückzuführen? Gilt das auch für Spanien, Portugal, Irland? Oder die USA?

Leimgänger

Herr Steckenborn, Sie sind, wie viele andere auch, ein Leimgänger? Ihr täglicher Frust braucht ein Ventil. Das ist verständlich. Aber es ist fatal, wenn sich die Leistungselite, oder die, die sich dafür hält, nicht den Stärkeren, sondern den “Abschaum” als Vergleichsbasis sucht. Wie „mutig und korrekt“ ist das?

Ist Ihnen das eigentlich klar? Ist Ihnen klar, dass Sie sich, wenn Sie Sarrazin folgen, nicht mehr an eigener Leistung, sondern an der Abgrenzung zur “Nicht-Leistung” orientieren? Ist Ihr Selbstbewusstsein schon derart verformt?

Diskussionswilliger "Störer" wird entfernt.

“Die Veranstaltung „Klartext der Wirtschaftjunioren der Metropolregion“ will gerade in solch umstrittenen Zusammenhängen als Diskussionsplattform und nicht als Forum der Stimmungsmache oder der Agitation verstanden werden”, lassen Sie in der “Pressemitteilung” schreiben.

Als erfahrener Journalist lese ich das Gegenteil heraus. Ihren Frust. Ihre Verzweiflung. Ganz klar wollen Sie Stimmung machen. Und das kann ich sogar verstehen. Es geht Ihnen schlecht – Sie müssen “Umsatzziele” korrigieren, weil Sie keine “Fachleute” finden.

Glauben Sie ihm Ernst, dass Ihre unternehmerische Notlage durch die kruden Thesen eines Thilo Sarrazin erklärt werden könnte? Oder Sie durch die Auseinandersetzung mit dessen Thesen einen Schritt vorankommen?

Die ostasiatische Endlösung

Wenn Sie logisch denken, ist Ihr Gebrauch der Begriffe „Toleranz und Respekt“ reichlich absurd. Herr Sarrazin toleriert keine Muslime und er hat keinen Respekt vor ihnen. Und er unterstellt ihnen, dass sie weder genetisch noch kulturell in der Lage sind, sich in unsere deutsche Gesellschaft zu integrieren.

Indem Sie sich damit gemein machen, teilen Sie diese Haltung und müssen verstehen, dass Sie unter den Muslimen keine der so dringend benötigten Fachkräfte bekommen werden. Denn das ist die Aussage von Herrn Sarrazin.

Hardy Prothmann: "Ein Fehler ist vor allem dann fatal, wenn er wiederholt wird."

Nur Ostasiaten könnten Ihre Probleme lösen. Die sind, laut Sarrazin, klug und fleißig. Leider so klug, dass sie nach und nach die Macht übernehmen werden. Sagt Herr Sarrazin am Beispiel USA. Das nur als Hinweis, wie viel „deutsche Gesellschaft“ es dann noch in einigen Jahrzehnten geben wird.

Wenn die Wirtschaftsjunioren all das glauben, sollten sie den ersten “Lösungsvorschlag” von Herr Sarrazin sofort befolgen und mit einer intelligenten deutschen Frau zur Zeugung schreiten. Die Zeit drängt. Denn, wer heute ein Kind zeugt, kann erst in 25 Jahren für rund 15 Jahre die “Höchstleistung ernten”. Denn Herr Sarrazin hat eindeutig erklärt, dass es danach mit den „Intelligenz“-Leistungen bergab geht. Denn laut Sarrazin verdummt Deutschland auch mit den Alten.

Man sollte nicht schwul werden, was Herr Sarrazin ja auch als Gefahr angebracht hat, sondern es lieber auf die “arabische” Art tun, also mit möglichst vielen Frauen viele Kinder machen.

Vielleicht habe ich mit meinem offenen Brief einen kleinen Erfolg. Ganz sicher kann ich nicht erwarten, dass Sie oder andere eingestehen, einen Fehler gemacht zu haben.

Aber vielleicht trägt dieser Brief dazu bei, dass Sie diesen Fehler nicht wiederholen. Das wäre, so meine ganz persönliche Meinung, ein bescheidener Gewinn.

Dokumentation:
Die Pressemitteilung der Wirtschaftsjunioren als PDF.

Mariettas Kolumne: Der Stolz auf die Schlange ist die Verachtung des Kunden – Urlaub geht anders


Heute keine Schlange und keine 30 Minuten warten.

Von Marietta Herzberger

Wenn der Mensch viel arbeitet, braucht er ab und an ein wenig Urlaub. Die einen zieht es ins Kühle, die anderen an Palmenstrände. Meine Freundin Susanne und ich gehören zu den anderen. Spontan entschlossen wir uns zu einem Pauschalurlaub in Zentraltunesien, in der Nähe von Monastir.

Von der Sahara…

Faszinierende Wüste! Respekteinflößend und fesselnd. Der nötige Ausgleich für viele Monate harter Arbeit und Strapazen.
Das Hotel Karawansarei in Douz, am Rande der Sahara, war unser Quartier für eine Nacht innerhalb eines Touristen-Pauschal-Ausflugspaketes. Das Etablissement wirkte von Außen eher wie eine Festung und machte seinem Namen alle Ehre. Am nächsten Morgen wurden wir dann bereits kurz vor 5 Uhr geweckt, um rechtzeitig am Rande der Sahara einzutreffen, wo uns ein Kamelritt über Sanddünen in den Sonnenaufgang erwartete. Hierzu wurden wir mit unserem Bus direkt bis an die Beduinenzelte gefahren, um ja nicht zu viel Romantik aufkommen zu lassen.

Nun denn: Rauf auf die Kamele und ab in die Wüste. Unbeschreiblich, welche Ruhe dieses weite Land fernab jeglicher Zivilisation ausstrahlt. Die beeindruckende Weite des Landes, der feine Sand, die Beduinen, die sich am Lagerfeuer vor ihren Zelten wärmten, dies alles übte eine unglaubliche Faszination auf uns aus. Daran änderte auch die Tatsache nicht viel, dass wir diese Idylle mit ca. 80 weiteren Touristen teilen mussten.

Ein kurzweiliger, kaum vierstündiger Ritt auf den gutmütigen Wüstenschiffen bei mittlerweise gefühlten 40 Grad im Schatten brachte uns schließlich an einen Kiosk.

Sieht so eine Oase aus?

Ein Kiosk? Mitten in der Wüste? Ja, ein Kiosk mitten in der Wüste! Egal! Wir alle dürsteten nach Wasser und einem Stückchen Brot. Der Kamelführer hob die Hand und rief etwas unverständliches, woraufhin alle Kamele plötzlich stehenblieben, sich erst nach vorne absenkten, um dann das Hinterteil ebenfalls zu Boden gleiten zu lassen. Susanne kippte fast vornüber, blieb jedoch zum Glück mit ihrer Gürtelschnalle am Sattelknauf hängen.

Kaum waren alle abgestiegen, gab uns der nette Beduine zu verstehen, dass wir uns hintereinander aufstellen sollten, um dem begehrten Nass inmitten der Wüste baldig habhaft zu werden. Also standen wir in der Schlange. Wir fühlten uns wie zu Hause. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, da vernahmen wir von weit vorne einen Ruf.

„Seht!“, rief ein verdurstender Mitreisender beglückt, „Seht nur!“ Mit ausgestrecktem Arm deutete er auf ein aufgestelltes Schild mit der Aufschrift:

…in die Dienstleistungswüste

„TRINKEN!“, jubilierten wir und erhoben die Hände, „ESSEN!“, und etwas ungläubig, „Badeartikel?“
In diesem Moment brach eine etwas fülligere Frau vor uns in Tränen aus. „Ein Pool! Ein POOL!“
Tatsächlich! Kurz nach dem kleinen, weißen, in der Ferne kaum erkennbaren Gebäude, dem „Schwimmbad-Shop“, leuchtete etwas Blaues. Die Verlockung zeriss mich fast. Susanne heulte „Was sollen wir tun?“
„Warten!“, krächzte ich selbstbeherrscht.

Die gesichtslose Masse am Anfang der Schlange konnte jedoch nicht an sich halten – zu nah war das erfrischende, kühle Blau des Wassers. Kurzerhand überwältigten einige von ihnen den Kamelführer, der erfolglos versuchte, den Mob in der Schlange zu halten.
„Wollen wir auch in den Pool?“, hauchte Susanne zwischen vertrockneten Lippen hervor.

„Nein“, stöhnte ich, während ich mir die letzten Schweißtropfen von den Armen leckte. Eines stand für mich fest: Egal wie lang diese Schlange sein mochte, ich würde aushalten. TRINKEN! ESSEN! Das Kiosk – so weit es auch sein mochte – verkörperte für mich die Oase schlechthin. Ich würde warten. Warten würde ich. Jawoll!

Nach zwei Stunden brach die dicke Frau vor mir zusammen. Ein mitleidiger Mitreisender trat kühn aus seiner gesicherten Position und zog die Glückliche bis an den Pool. Dann stürzte er wieder in die Schlange zurück. Er musste sich hinten anstellen. Wir hatten eine undurchdringbare Kette gebildet. TRINKEN! ESSEN!

Langsam, sehr langsam ging es vorwärts. Die gleißende Sonne ließ uns taumeln; an unseren Füßen rasselten die Ketten, die bei jedem Schritt den Sand der Wüste aufwirbelten.

Da! Ein Aufschrei! Gequält blickten wir nach vorne. Von dort kam der Schrei. Vom Ort der Erlösung. Dann noch ein Schrei. Und noch einer. Viele Schreie. Nein, eher Gebrüll. Wütendes, verzweifeltes Gebrüll einer wütenden, verzweifelnden Herde. Nervös versuchten wir, einen Blick ins Getümmel zu erhaschen. Mit einem Male stürzten alle nach vorne. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass manche versuchten, den Kamelführer im Pool zu ersäufen. Schließlich löste sich die Schlange gänzlich auf.

Willkommen beim Schwimmbad-Shop in Viernheim.

Eben noch das letzte Glied, standen wir nun direkt vor dem „Schwimmbad-Shop“. Der letzte Schweißtropfen verdampfte zischend in der Luft als wir das lieblos aufgestellte Informationsschild vor den heruntergelassenen Rollladen entzifferten:

„Nur bei schönem Wetter geöffnet. Schönes Wetter ab 60 Grad.“

Entgeistert starrten wir uns an. Dann stürzten wir in den Pool und halfen, den Kamelführer zu ertränken!

„MAMAA!“
Verblüfft löste ich meine verkrampften Finger aus dem schwarzen Schopf des Beduinen.
„Maaaamaaa! Aufwachen!“

Etwas Kühles tropfte zwischen meine Schulterblätter. Langsam öffnete ich die Augen. Es dauerte nur Bruchteile einer Sekunde, bis ich erkannte, wo ich mich befand. Der vertraute Wildwuchs rund um das ehemalige Kinderbecken des Viernheimer Waldschwimmbades ist nicht gerade eine Augenweide, überzeugte mich jedoch glaubhaft, nicht in der Wüste verdurstet zu sein.

„Ich hab Hunger“, maulte Ella, meine Tochter, „Darf ich mir ein Fleischkäsebrötchen holen?“

„TRINKEN! ESSEN!“, flüsterte ich.
„Hä?“
„Hat das Kiosk denn auf?“, fragte ich nicht grundlos. Gerade eben entdeckte ich eine Wolke am Himmel.

Shopping-Erlebnis.

Denn man muss wissen:
Der „Schwimmbad-Shop“ im Viernheimer Waldschwimmbad hat nur bei schönem Wetter in Verbindung mit einer gewissen Anzahl an Schwimmbadbesuchern – welche Anzahl das ist, mag nur dem Kiosk-Pächter bekannt sein – geöffnet. Ist es geöffnet, dann ist es in der Regel brüllend heiß und das Schwimmbad brechend voll. Was den Pächter aber noch lange nicht dazu veranlasst, das zweite Fenster des Kiosk-´ zu öffnen um dort dann evtl. Getränke zu verkaufen. Nein, ein Fenster muss reichen für Essen und Getränke mit einer Ein-Frau-Besetzung und einigen „Zubereitern“ im Hintergrund.

Stolz auf die Schlange?

Trotz allem scheint der Pächter sehr gewissenhaft zu sein. An schlechten Tagen, so erzählt man sich – wobei „schlecht“ durchaus individuell und gefühlt sein kann – sucht er mehrmals die unmittelbare Nähe seines Kiosk auf, schaut gen Himmel, entdeckt eine Wolke, zählt die Badegäste ab und geht wieder.

Sollte der Himmel aufreißen und Scharen Einlass begehren, so öffnet er seine kulinarischen Pforten und bietet Fleischkäsebrötchen, Pommes und Currywurst gegen wenig Geld. Soweit, so löblich. Die Schlange nimmt er offenbar stolz zur Kenntnis, zeigt sie doch auf, wie begehrt sein Angebot ist.

Hastig wirft er Stuhl und Tisch vor die gitternen Tore des Bades, so dass jeder hungrige Platz nehmen kann. Diese herzlich lieblos gestaltete Umgebung verleitet so manch hungriges Geschöpf, die ergatterte Mahlzeit direkt auf der Liegewiese zu sich zu nehmen. Verständlich.

Wer sitzt schon gerne an heißen Tagen auf heißem Plastik direkt vor Gitterstäben in unmittelbarer Nähe zur Straße, zu Toiletten – auch wenn es praktisch erscheinen mag, so harmonieren die gelegentlich herüberwehenden Düfte nicht wirklich mit dem Aroma von Pommes – und mit Blick auf eingezäunten Wildwuchs?

Gemütlich geht anders.

Nun, es ist vielleicht nicht nur mir ein seit Jahren existierendes Rätsel, welches wohl nie gelöst werden wird, warum die Pächter des Viernheimer Schwimmbad-Shops offenbar selbst kein Interesse an einem florienden Kiosk aufbringen wollen oder können. Verzeihen Sie mir meine offenen Worte. Niemand kann hinter die Kulissen schauen und ehrlich gesagt, möchte und muss ich das auch nicht.

Dass es auch anders geht, beweisen das Kiosk des Weinheimer Sees oder insbesondere die Gastronomie im Heddesheimer Schwimmbad. Wie sagte ein Freund neulich? „Horche mol. Kummt mol mit ins Heddesheimer Freibad. Do hoggscht wie in die Karibik uff Longschmebel mit de Fieß im Sond.“ Ja, denke ich mir, leider gibt es dort aber kein Fünzig-Meter-Becken wie im Viernheimer Waldschwimmbad.

Potential ist da – auch um die Ecke.

Potential wäre da. Totes Kapital liegt genügend herum, ähnlich wie die heruntergefallenen Pommes vor dem Ausgabestand, die man sich umständlich aus den Zehen pulen muss, wenn man auch nur am Kiosk vorbeiläuft – bei schönem Wetter wohlgemerkt.

Vor kurzem war schönes Wetter. Es war warm. Nicht heiß, aber warm. Ein paar Wolken zogen über den Himmel. Zusammen mit ein paar Mädchen im Alter meiner Tochter schwammen wir ein paar Runden. Dann hatten die Mädchen Hunger. Der Kiosk war geschlossen, wie so oft. Wenn Sie jetzt sagen, dann soll sich die Frau doch etwas mitnehmen, haben Sie recht.

Aber ist das im Sinne des Pächters? Könnte nicht wenigstens die Grundversorgung – eventuell in Form von Brezeln – gesichert sein? Das wäre doch mal ein Anfang. Wir meinen es nicht böse. Wir wollen doch nur ein bisschen Verlässlichkeit, gesicherte Öffnungszeiten, nett sitzen und die leckeren Fleischkäsebrötchen.

Nun, das „Maximum“ direkt neben dem Schwimmbad ist fußläufig in 35 Sekunden zu erreichen. Dort warte ich ca. fünf Minuten in angenehmer Atmosphäre auf eine Pizza- bekomme noch einen Espresso umsonst, weil ich mich jedes Mal über die „Servicewüste Viernheimer Waldschwimmbad-Kiosk“ ärgere – und bin nach ungefähr 8 Minuten – die Zeit der Bestellaufnahme und Bezahlung mit eingerechnet – wieder auf dem Handtuch bei meinen Mädels.

Da habe ich obendrein auch noch ca. 20 Minuten gespart. Warum? So muss niemand von uns 30 Minuten in der Schlange stehen und im günstigsten Fall für vier Mädchen je ein Fleischkäsebrötchen erstehen. Für Kaffee oder eine „Tüte Süßes“ steht man genauso lange. Vorausgesetzt, es ist geöffnet.

Marietta Herzberger.

Anmerkung der Redaktion: Marietta Herzberger lebt in Weinheim und schreibt in ihren Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Erfundene Geschichten, in denen doch das eine oder andere wahr ist. Die Personen gibt es meistens, manchmal nicht. Mal ist es, wie beschrieben, mal gnadenlos überzogen. Es sind keine “journalistischen” Texte mit dem Anspruch auf Faktentreue, sondern Lesetext mit dem Ziel, Lesefreude zu verbreiten. Sie hat jede Menge Weisheiten gerne, zwei sind: “Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen” – Konrad Adenauer. Und: “Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren” – Bertolt Brecht. Wir wünschen unseren Lesern viel Lesespaß mit ihren Texten!

Geprothmannt: Ich lass mir das Essen nicht vermiesen


Esst Gurken - sie sind lecker und gesund. Seit 2009 darf man in Deutschland auch solch krumme Gurken kaufen. Bild: Garitzko/wikipedia

Rhein-Neckar/Deutschland, 06. Juni 2011 (red) Die EHEC-Angst geht um. Warum? Weil ein Haufen verantwortungsloser Medien Panik bei den Menschen schürt. Und jede Menge falsche Informationen unters Volk bringt. Wer klug ist, durchschaut die Berichte über die angebliche Seuche – die wahre Seuche ist die Sensationsgier vieler Medien.

Von Hardy Prothmann

Am Anfang waren es ein paar EHEC-Fälle. Dann waren es ein paar mehr. Dann sollen spanische Gurken schuld gewesen sein, dann Gemüse aus Norddeutschland – die Deutsche Presse Agentur (dpa) hatte aus einem “in Norddeutschland” ein “aus Norddeutschland” gemacht. Die Folge: Massive ökonomische Schäden für Gemüseproduzenten, sprich Landwirte. In Spanien. In Norddeutschland.

Jetzt sollten es “Killerkeime” – Sprößlinge gewesen sein.

Überall im Land bleiben die Gurken und Tomaten und jetzt Sprößlinge liegen. Die meisten Kantinen bieten eher Krautsalate an, denn frische Kost.

Niemand muss vor dem Verzehr von Gemüse Angst haben – denn das Bakterium sitzt wenn, auf dem Gemüse und nicht drin. Wer Gemüse vor dem Verzehr ordentlich reinigt, wäscht die Erreger ab.

Noch besser sind die dran, die ihr Gemüse im eigenen Garten ziehen – die wissen, wie es behandelt und gezogen wurde.

Die Erwartung der Überallverfügbarkeit ist das Problem.

Tatsächlich erwartet unsere Gesellschaft eine Überallverfügbarkeit von allem zu jeder Zeit. Deswegen reist Gemüse um die Welt und Erreger und Verschmutzungen mit.

Sicher, die Spanier, Belgier, Niederländer sind in diesem Fall offensichtlich nicht schuld an EHEC. Sie sind aber sehr wohl schuld an einer Verzerrung des Marktes mit minderwertigen Produkten. Die EU mag bis 2009 eine Gurkenkrümmungsverordnung gehabt haben – ob die Gurken aber auch schmecken, ist nicht verordnet worden.

So gibt es jede Menge Gurken, Tomaten und anderes Gemüse, dass auf Glanz gezüchtet ist, alles in Reih und Glied gleich “attraktiv” aussieht, aber doch nach nichts schmeckt. Aber der Preis, der stimmt. Schön billig eben.

Und vermutlich wird herauskommen, dass wegen des Preises irgendwo in der Nahrungsproduktionskette geschlampt worden ist. Ob dioxinverseuchte Industriefette, die dem Tierfutter beigemischt werden, ekelerregende Massentierhaltung, BSE – nichts davon ist “natürlich”, alles ist industriell systembedingt “erzeugt” worden.

EHEC ist der eine Erreger – Panik der andere.

Hinzu kommt die Erzeugung von Panik. Denn so wie die Gemüseproduktion industriell gesteigert wird und zwar gut aussehende, aber geschmacklose Ware erzeugt wird, so erzeugen Medien scheinbar wichtige Nachrichten, die aber “kernlos” gezüchtet werden. Das Ziel ist wie beim Billig-Gemüse die Steigerung des Absatzes.

Es geht hier längst nicht mehr um Angebot und Nachfrage. Früher war ausverkauft, wenn ausverkauft war – heute soll immer weiter nachgeliefert werden. Auch die Kunden sind mit schuld, wenn sie selbstverständlich immer alles zu erhalten erwarten. Deswegen wird produziert, was das Zeug hält. Wird diese “Kette” unterbrochen, ist das Geheule groß. Besonders bei gewissen Medien, ob erwartungsgemäß bei Bild oder auch bei scheinbar seriöseren Auftritten wie Spiegel online. Sitzt der “Erreger” erstmal auf der Nachricht, verbreitet er sich ebenso rasend schnell.

Auch das erzeugt “Dünnpfiff” – der aber macht den Kopf und das Herz der Menschen krank, die nur noch Gefahren sehen, obwohl sie in einem Land leben, dass ebenso massenhafte Kontrollverordnungen hat und diese auch weitestgehend umsetzt. Wenn man sich erregen will, dann über die dilletantische Öffentlichkeitsarbeit der verantwortlichen Politiker.

EHEC und die möglicherweise daraus resultiernde HUS-Erkrankung sind schlimm für alle Betroffenen – keine Frage. Aber es gibt für mich auch nicht im Ansatz einen Grund, keine Gurken zu essen. Ganz besonders freue ich mich auf die eigenen – die Pflänzchen sind gerade erst geschlüpft, es wird also noch ein wenig dauern, bis die leckeren Gurken auf den Tisch kommen.

Und nein – ich werde nichts davon exportieren. Die Erzeugnisse auf dem kleinen Beet sind für den Eigenbedarf bestimmt. Gute Freunde und Nachbarn bekommen auch was davon ab. Und bislang hat sich noch nie jemand über die Qualität beschwert.

Mariettas Kolumne: Nicht ohne meine Socke! Oder der Gassigang im Regen


Rhein-Neckar, 30. Mai 2011 (red) Marietta berichtet aus ihrem bewegten Alltag. Ihre Geschichten kosten keinen Eintritt und sind mitten aus dem Leben – manchmal geht die Phantasie mit ihr durch, aber vielleicht auch nur wegen der Realität. Doch was ist real, was phantastisch? Bei Marietta mischen sich die Sphären. Im Mittelpunkt steht der Mensch – oder auch das Tier – und beide sind immer überraschend. Vor allem der eigene Hund, der so seine Ansprüche stellt. Auch, wenn es in Strömen regnet.

Von Marietta Herzberger

"... und nicht ohne meine Gummistiefel!"

Lieben Sie Spaziergänge im Regen? Nein? Ich auch nicht.
Das ist normal, so geht es Vielen. Spaziergänge im Regen, insbesondere bei Dauerregen, können bisweilen nicht nur feucht, sondern auch ganz schön lockig werden. Hundebesitzer wissen wovon ich rede.

Solange ich im Büro produktiv und konzeptionell tätig und kreativ sein kann, stört mich das Geprassel am Bürofenster nur latent. Der kommende Gassigang wird erfolgreich verdrängt. Ich schiebe mein knappes Zeitfenster gedanklich weiter auf und atme tief durch.

Nach Feierabend bleiben mir ziemlich genau zehn Minuten Zeit, mich elfengleich ins Auto zu wuchten, nach Hause zu rasen, meine Gebeine in die „Könnendreckigwerdenweilsieschondreckigsind-Jeans“ zu quetschen, das Riesenzottelvieh von Hund, welches wohlgemerkt schon mit zusammengekniffenen Hinterbeinen und vorwurfsvollem Hundeblick vor der Tür steht, zu schnappen und mindestens eine halbe Stunde im strömenden Regen über matschige Feldwege zu schlurfen.

Wer zum Henker wollte einen Hund? Ich!

Die den Hundebesitzern schmackhaft servierte künftige Bewegungsfreude stellt sich bei schönem Wetter ein. Ansonsten artet es zwei- bis dreimal täglich eher in Bewegungszwang aus.
Bei der Rückkehr stelle ich fest: Das Hundetrockenrubbel-Tuch ist noch vom Gassigang meines Mannes am Vormittag klitschnass. Egal, dieses Mal tut es das noch und der Rest vom Feld fällt dann eben im Laufe des Tages in der Wohnung ab. Also rubbele ich Socke, den Hund, trocken.

Nun ja, vielmehr vermische ich den Matsch gleichmäßig mit dem nassen Fell und bilde mir nur ein, es wäre halbwegs sauber. Dann schäle ich mich aus den nassen Jeans, stelle die Gummistiefel in die Tropfschale, werfe ein tränendes Auge auf meine Joggingschuhe, gebe dem Hund ein getrocknetes Schweineohr, weil er so schön Gassi im Regen war und versuche, mich selbst ebenfalls trocken und sauber zu bekommen. Danach genehmige ich mir etwas Schokolade. Weil ich so schön Gassi im Regen war!

Wie war das nochmal? Es gibt kein schlechtes Wetter …

Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung. Recht haben sie, die Optimisten. In diesem Falle gehöre ich definitiv nicht dazu. Auch gute Kleidung wird dreckig und nass und muss gewaschen werden. Gute Kleidung darf man nicht mal in den Trockner geben. Ich bin kein Pessimist – nur ein bisschen unter permanentem Zeitdruck.

Seit Socke ticken bei uns die Uhren anders. Der Hund muss raus, komme was wolle. Keine Lust, schlechtes Wetter, Schneesturm, Hagel, gebrochenes Bein oder Menstruationsweltschmerz. Egal.
Meine Güte! Vorhin waren es noch Profits and Losts. Dann Matsch und Pfützen.

Was sind wir berufstätige Mütter doch für Allrounder! Tausendsassas, Alleskönner, eierlegende Wollmilchsäue, stets flexibel und einsatzbereit, nie krank – und wenn doch, dann wird dieser unliebsame Zwischenfall auf Termin zwischen Elternabend und „Anpassen der Zahnspange“ gelegt. Natürlich erst nach dem Büro, dem Gassigang, dem Mittagessen; nach dem täglichen Hausaufgabenterror – das heißt, wenn dann noch Zeit bleibt. Also eigentlich nie. Wir sind nur während des Schlafens krank und da schlafen wir uns gesund.

Manchmal kommt es auf den Hormonzustand an

Wie dem auch sei: Wir lieben Socke. Ohne ihn würde etwas fehlen. Die nie versiegende Flut von Hundehaaren, welche ganzjährig aus dem Hund fällt. Die Sabberfäden, welche er beim Schütteln an Wänden, Heizkörpern und Kleidungsstücken verteilt. Diese Dinge nehme ich je nach Hormonzustand mehr oder weniger gelassen hin.

Immer wieder schön: Er freut sich wie Bolle, wenn ich zurückkehre, nachdem ich nur kurz den Müll raus gebracht habe. Gemeinsam erkunden wir unbekannte Pfade im Odenwald und im Winter zieht er unsere Tochter mit dem Bob über schneebedeckte Wege. Socke ist ein fester Bestandteil unserer Familie, Joggingpartner, Freund, Clown und Beschützer. Socke ist nicht mehr wegzudenken.

Und nach einem Spaziergang im Dauerregen denke ich mir: “Ohne Socke wäre ich bei dem Sauwetter garantiert nicht raus gegangen.“ Was soll ich sagen? Auch ein Spaziergang im Regen hat was.

Danke Socke!

Marietta Herzberger.

Anmerkung der Redaktion: Marietta Herzberger lebt in Weinheim und schreibt in ihren Kolumnen über den ganz normalen Wahnsinn des Alltags. Erfundene Geschichten, in denen doch das eine oder andere wahr ist. Die Personen gibt es meistens, manchmal nicht. Mal ist es, wie beschrieben, mal gnadenlos überzogen. Es sind keine “journalistischen” Texte mit dem Anspruch auf Faktentreue, sondern Lesetext mit dem Ziel, Lesefreude zu verbreiten. Sie hat jede Menge Weisheiten gerne, zwei sind: “Machen Sie sich erst einmal unbeliebt, dann werden Sie auch ernst genommen” – Konrad Adenauer. Und: “Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren” – Bertolt Brecht. Wir wünschen unseren Lesern viel Lesespaß mit ihren Texten!

Vergurkte Berichterstattung – Panikmache made by “Qualitätsjournalismus”


Mannheim/Weinheim/Heidelberg/Rhein-Neckar, 28. Mai 2011. (red) Die Erregung über Erreger hat zwei Ursachen – einerseits ein Qualitätsproblem bei der Erzeugung von Nahrungsmitteln. Andererseits ein Qualitätsproblem bei der Erzeugung von Nachrichten. Die Verbraucher sind verunsichert – als Konsumenten von Nahrungsmitteln. Dabei sollten sie als Konsumenten von Informationen viel vorsichtiger sein. Während man dem Darmkeim auf der Spur ist und erkrankte Patienten behandelt, zeigt sich, dass der Journalismus als Massenprodukt chronisch krank ist und vielleicht auch chronisch krank macht.

Von Hardy Prothmann

Bildblog.de listet die millionenfach gelesenen falschen Schlagzeilen auf. Quelle: bildblog.de

Viele Spiegel-Leser fangen hinten an: “Dem Rücken die Stirn bieten” (Öffentlicher Anzeiger Bad Kreuznach), “Ehrliche Personen gesucht, auch Akademiker” (Kleinanzeige Rheinpfalz), “Senioren sind mit 35 noch sehr rüstig” (Rhein-Zeitung) und andere Kuriositäten gibt es im “Hohlspiegel” zu lesen. Die Patzer, ob im Redaktionellen oder im Anzeigenteil sind teils wirklich amüsant bis saukomisch.

Gar nicht amüsiert sind die Verbraucher über kontaminiertes Gemüse, das beim Verzehr zur Infektion mit dem EHEC-Keim führen kann, woraus sich ein lebensbedrohliches hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) ergeben kann.

Ebenfalls nicht amüsiert, sondern stinksauer sind Landwirte und Handel.

Kaninchen, Kommunalpolitik, Killerkeime

In den meisten Redaktionen arbeiten keine kenntnisreichen Mediziner, die alles über EHEC und HUS wissen. Vor allem in Lokal- und Regionalmedien arbeiten überwiegend Journalisten, die von der Kaninchenzüchterschau bis zur Kommunalpolitik über alle möglichen Themen berichten müssen. Sie sind aber meist auch keine kenntnisreichen Kaninchenzüchter oder Kommunalpolitiker.

Das müssen sie auch nicht sein. Die einfache Lösung, um die Welt zu verstehen, ist der gesunde Menschenverstand. Und den kann man durch Recherche erweitern, wenn es um Spezialwissen geht. Eine einfache Regel lautet: Informationen immer durch eine zweite Quelle überprüfen.

Die Weinheimer Nachrichten warnen vor Salat und Tomaten "aus" Norddeutschland - wer warnt die Leser vor falschen Informationen? Quelle: WNOZ

Es gibt aber noch eine andere Lösung und die führt zum Dauerdünnpfiff vieler Redaktionen: Man lässt das mit dem überprüfen weg und verlässt sich lieber auf andere. Im “großen” Teil der Zeitung, also Politik, Wirtschaft und Sport werden Informationen der Nachrichtenagenturen ungeprüft übernommen. Der Glaube an die Korrektheit dieser Informationen ist immer noch sehr hoch. Dazu kommen Zeit- und Arbeitsdruck – eine Überprüfungsrecherche findet nicht mehr statt.

Krankheitsverlauf einer Meldung

Am Mittwochabend, den 25. Mai 2011, schickt die Deutsche Presseagentur eine Meldung zu EHEC an die Redaktionen. Diese Meldung wird am nächsten Tag landauf, landab in millionenfach verteilten Zeitungen stehen. Darin werden die Experten vom Robert-Koch-Institut (RPI) (angeblich) zitiert:

“Vorsorglich sollte man auf rohe Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland komplett verzichten.”

Tatsächlich ist das Zitat falsch. Nicht vor dem Verzehr von Gemüse “aus Norddeutschland”, sondern vor dem Verzehr “in Norddeutschland” wurde in der Pressemitteilung des RKI gewarnt:

(…) empfehlen RKI und BfR über die üblichen Hygieneregeln im Umgang mit Obst und Gemüse hinaus, vorsorglich bis auf weiteres Tomaten, Salatgurken und Blattsalate insbesondere in Norddeutschland nicht roh zu verzehren.

Millionenfach verbreitete "Dünnpfiff"-Meldung - auch der MM warnt vor Gemüse "aus" Norddeutschland. Quelle: MM

Die Worte “in” und “aus” sind klein. Man könnte jetzt sagen: “Darum so ein Aufheben zu machen, ist doch dibbelschisserig.” Tatsächlich ist der vom Mediensystem erzeugte Schaden aber maximal. Verbraucher in ganz Deutschland sind verunsichert und die deutsche Landwirtschaft sowie der Handel haben einen massiven ökonomischen Schaden, weil Tomaten, Salat und Gurken kaum noch gekauft werden. Diese Produkte sind frisch und verderblich – was nicht verkauft wurde, muss entsorgt werden.

Vergurkte Berichterstattung

Auch in der Metropolregion veröffentlichen Mannheimer Morgen, Weinheimer Nachrichten und Rhein-Neckar-Zeitung die verseuchte inhaltlich falsche dpa-Meldung ohne Qualitätskontrolle. Dabei wäre die denkbar einfach: Ein Klick auf Robert-Koch-Institut führt direkt zur Quelle.

Doch dafür muss man wachsam sein und Informationen aufmerksam “verarbeiten”. Bei einem Redakteur muss die Alarmglocke anspringen, wenn er “rohe Tomaten, Salatgurken und Blattsalate aus Norddeutschland” liest. Kann das sein? Denn die Konsequenz ist weitreichend. Dieses Gemüse wird sich nicht mehr verkaufen lassen. Auch andernorts wird sich Gemüse nicht mehr verkaufen lassen, wenn nicht klipp und klar feststeht “woher” dieses stammt.

Kaum Herkunftsnachweise – kaum Kennzeichnungen

Leider nutzen viele Menschen das “geistige Nahrungsmittel” Zeitung nicht mit derselben Aufmerksamkeit. Sie würden dann nämlich viel häufiger fragen, “woher” die Informationen stammen, die ihnen da vorgesetzt werden.

Aufmerksame Leser wissen längst, dass große Teile im “großen Teil” der Zeitung nicht gegenrecherchierte Agentur- oder PR-Meldungen sind. Und selbst wenn es eigenständig verfasste Artikel sind, gibt es häufig nur eine Quelle und die ist ebenfalls häufig auch noch tendenziös.

Auch die Lokal- und Regionalteile der Zeitungen sind voll von Informationen unbekannter Herkunft. Oft werden sie gar nicht angegeben oder verschleiert. Das Kürzel “zg” beispielsweise steht für “zugeschickt”.

Zeitungsartikel als “C”-Ware

Was die Zeitungen gerne als “1A-Ware” verkaufen, ist in wirklich nur “B”- oder “C”-Ware, ein wenig umverpackt und aufgehübscht, aber im Kern einfach nur ein Massenprodukt nicht lokaler oder regionaler Herkunft. Die Zeitungen können diese Agenturmeldungen billiger einkaufen, als wenn sie selbst Redakteure recherchieren ließen oder sogar ganz umsonst, wenn sie Pressemitteilungen veröffentlichen. Oder sogar noch etwas verdienen, wenn sie als Artikel getarnte “PR-”Meldungen abdrucken.

Teuer bezahlen muss das der Kunde.

Die medienkritische und immer wieder lesenswerte Internetseite “Bildblog” berichtete, dass die dpa und andere Agenturen klammheimlich in weiteren Meldungen das Wort “aus” durch die korrekte Zitierung “in” ersetzt haben. Ein deutlicher Hinweis an die Leserinnen und Leser fehlt im Mannheimer Morgen, in den Weinheimer Nachrichten und der Rhein-Neckar-Zeitung sowie vermutlich in allen deutschen Zeitungen.

Denn im “Fehler unterstellen” sind deutsche Medien führend – im Fehler eingestehen sind sie Schlusslicht. Qualität geht anders. Doch vor einer Darmspiegelung hat das System Angst – man spürt die Geschwüre und will gar nicht genau wissen, wie schlimm es um den Patienten Zeitung schon steht.

Der Gurkenskandal wird vorübergehen, der mediale Dünnpfiff wird bleiben. Die Ansteckungsgefahr innerhalb des Mediensystems ist enorm hoch.

Die RNZ berichtet am 26. Mai 2011 die falsche Information "aus Norddeutschland". Quelle: RNZ

Einen Tag später heißt es korrekt "in" - eine Klarstellung an die Leser fehlt. Quelle: RNZ