Rhein-Neckar, 01. März 2013. (red/jkr) Ob Verkehrsunfall, verschluckte Erdnuss oder Herzinfarkt – immer wieder wird man im Leben als Ersthelfer gefragt. 73 Prozent der Menschen haben jedoch Angst, etwas falsch zu machen. Nicht unberechtigt, denn nur 3,5 Prozent der Befragten konnten die richtige Reihenfolge der zu treffenden Maßnahmen an einem Unfallort nennen. Können Erste-Hilfe-Apps im Notfall helfen? Wir haben einige unter die Lupe genommen.
Von Johanna Katharina Reichel
Wer hat nicht schon einmal auf der Autobahn im Stau gestanden, weil ein Unfall passiert ist? Wer hat nicht schon einmal im Freundes- oder Bekanntenkreis von einem Herzinfarkt gehört? Wer hat nicht als Kind irgendetwas angestellt, was ihn oder sie in Gefahr brachte?
Jedem von uns kann früher oder später in eine Situation kommen, in der wir als Ersthelfer gefragt sind. Doch liegt bei rund 40 Prozent der Erste-Hilfe-Kurs schon über zehn Jahre zurück. Das ergab eine Studie des Samariterbunds Österreich. Viele Rettungsorganisationen haben daher so genannte “Erste-Hilfe-Apps” rausgebracht, die den Laien zur Ersthilfe ermutigen sollen.
Wir haben diese Apps auf Herz und Niere geprüft mit der Frage: Taugen sie im Notfall wirklich etwas?
Acht Erste-Hilfe-Apps im Test
Unter dem Stichwort “Erste Hilfe” fanden wir spontan acht verschiedene Apps, die sich auf medizinische Notfälle für Laien spezialisiert haben. Das sind: Erste-Hilfe-App Malteser, Erste Hilfe DRK, eErste Hilfe Rotes Kreuz, ASB Helfer, Notfall-Hilfe (Pass Consulting Group), Erste Hilfe (bronczesko), Audi BKK Notfall-Hilfe, Samariterbund Österreich
Die erste Frage war einfach: Welche dieser Apps würde der durchschnittliche deutsche Bürger installieren? Das schloss alle kostenpflichtigen und unseriös wirkenden Apps aus. Kostenpflichtig ist nur die App der DRK. Als unseriös sahen wir Apps an, bei denen Warnungen vor Kostenpflicht oder Telefonstatus/Identität-Auslesung zu finden waren. Darunter fielen die eErste Hilfe-App des Roten Kreuz und die Erste-Hilfe-App von bronczesko.
Das ließ fünf Apps zum Test auf einem Android-Smartphone übrig. Diese lassen sich in zwei Gruppen teilen: die kleinen und die großen Apps. Die ASB-Helfer App und die App des Samariterbunds Österreich haben über zwanzig MB Größe. Die Erste-Hilfe-App der Malteser, die Notfall-Hilfe der PASS Consulting Group und die Audi BKK Notfall-Hilfe sind alle kleiner als drei MB.
Erste-Hilfe-App Malteser:
Vom Menü der Erste-Hilfe-App der Malteser aus kommt man direkt zum Erste-Hilfe-Algorithmus bei Verkehrsunfällen. Alle anderen Notfälle sind auch zu finden, allerdings sind sie sehr versteckt. Bei den Erklärungen enthält die App keinen Text sondern ein Bild, das die Erinnerung an den Erste-Hilfe-Kurs wecken soll. Allerdings war nicht jedes der Bilder selbsterklärend und auch die Diagnose eines Schocks kann man als Laie nicht immer einfach so stellen. Als besonders negativ fiel uns auf, dass die “Zurück”-Taste des Telefons die komplette App schließt. Insgesamt ist diese App eine nette Erinnerung, wenn man den Kurs lebensrettende Maßnahmen noch im Kopf hat, allerdings nicht für den Notfall geeignet.
Notfall-Hilfe (Pass Consulting Group):
Dass ein Konzern zur Firmenberatung eine App zur ersten Hilfe veröffentlicht, hat uns erst einmal stutzig gemacht. Allerdings erwies sich diese App als erstaunlich nützlich. Hier werden in kurzen Stichpunkten die Verhaltensmaßnahmen für die wichtigsten Notfallsituationen abgearbeitet. Die Menüführung ist sehr einfach und intuitiv und die App enthält zwei Zusatzfunktionen.
Man kann zusätzlich eigene Notfalldaten hinterlegen und nach GPS-Bestimmung den nächsten Arzt nach Fachrichtung, die nächste Klinik, Apotheke oder Polizeistation suchen lassen. In dieser App war im Gegensatz zu der App der Malteser ein Abschnitt zur Reanimation von Kindern vorhanden. Nach kurzer medizinischer Recherche erwiesen sich diese Angaben jedoch als inkorrekt. Insgesamt nützlicher als die Malteser-App und für eine Notfallsituation geeignet.
Audi BKK Notfall-Hilfe:
Diese App enthält genau dasselbe wie die Pass-App. Diese Texte sind gleich, die Bilder durch gleichwertige ersetzt. Das Layout allerdings ist anders. Während Pass in rotorange gehalten ist, ist das Audi-App weiß und mit einem sympathischen Hauptmenü ausgestattet. Nicht nur ist die App dadurch besser zu lesen, sie hat auch zusätzlich eine Lichtfunktion. Im Notfall ist es sehr sinnvoll, wenn man das Handy als Taschenlampe nutzen kann. Ob PASS oder Audi BKK ist eine Frage des Geschmacks, beide sind für Notfallsituationen gut geeignet.
ASB Helfer-App:
Das ASB-Helfer-App ist ein wunderbares Nachschlagewerk, um das Wissen aus dem Erste-Hilfe-Kurs wieder aufzufrischen. Über die einfache Bedienung kommt man schnell zu dem gesuchten Text und kann dort sehr gute, detaillierte Texte finden. Auch diese App hat einen Abschnitt über Reanimation von Kindern, der leider fachlich falsch ist. Als einzige der getesten Apps hat diese App keine eingebaute Notruffunktion. Das Wichtigste ist jedoch, dass diese App keine kurzen Listen für Notfallsituationen enthält und daher für diese ungeeignet ist.
Samariterbund Österreich:
Diese App hat eine intuitive Steuerung und kann wie alle anderen mit und ohne Internet seine Informationen anzeigen. Hier sind auch keine Notfalllisten zu finden, aber es gibt Kurzerklärungen zu den einzelnen Maßnahmen (z.B. stabile Seitenlage). Allerdings sind diese Erklärungen auch in einem Fließtext, allerdings einem sehr kurzen und klar verständlichen. Auch diese App enthält die Reanimation und sichere Seitenlage von Kindern, als einzige App sogar fachlich korrekt. Insgesamt eine wirklich sehr empfehlenswerte und vollständige App für die wichtigsten Notfallsituationen.
Eine Anmerkung zu allen Apps:
Die meisten Handys haben als Grundeinstellung einen Bildschirmschoner, das heißt, der Bildschirm wird nach wenigen Sekunden der Nichtbenutzung schwarz. Dies schalten die Apps auch nicht aus. Somit muss man sein Handy alle paar Sekunden wieder aktivieren und kann es nicht als praktische Hilfe einfach neben sich legen. Auch muss man oft handeln, während man liest. Es ist also schwer, wenn man keine zweite Person dabei hat. Tipp: Es nützt nichts, so eine App auf dem Handy zu haben, um vorbereitet zu sein – man sollte sich schon vor einem Notfall mit dem Programm beschäftigt zu haben, um keine wertvolle Zeit mit dem Lernen der Bedienung oder dem Suchen von Informationen zu verschwenden.
Von den getesteten Apps ist die App des Samariterbund Österreich unser Sieger. Hier stimmen alle Informationen, die Bedienung und Menüführung ist einfach und man gelangt blitzschnell zu guten, prägnanten Informationen. Auf dem zweiten Platz stehen die App Notfall-Hilfe der Pass Consulting GmbH und die App Audi BKK Notfall-Hilfe.
Helfen diese Apps wirklich?
Es ist eine schöne Idee, aber ich habe noch nie erlebt, dass jemand zu etwas benutzt hat. Erste Hilfe muss im Vorfeld geübt werden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand in einem Notfall auf die Idee kommt, eine App runterzuladen, um zu wissen, was er oder sie jetzt machen soll,
sagt Ralf Mittelbach von der Freiwilligen Feuerwehr Weinheim. Die Feuerwehr hat auch schon selbst darüber nachgedacht, solche Apps zu verwenden. Eine Überlegung waren zum Beispiel Tablet-PCs im Einsatz, um schneller an Informationen zu kommen. Hierbei ging es allerdings nicht um Informationen zu erster Hilfe, sondern zum Beispiel zu Gefahrengut und wie damit umzugehen ist.
Derzeit nutzen wir unsere Fachliteratur, Apps sind eher eine Ergänzung.
Was die Feuerwehr gerade testet, ist das App “Defi Now!”. Mit dieser App ist man in der Lage, schnell den nächsten AED, einen automatisierten externen Defibrillator, zu finden. Diese hängen in vielen größeren Gebäuden für Notfälle aus. Auch ein Laie kann mit den Erklärungen des AED einen bewusstlosen Patienten behandeln. Man muss das Gerät nur anschalten, die Pads der Erklärung nach auf den Brustkorb des Patienten kleben und der Rest wird vom Gerät gemacht.
Die App “Defi Now!” ist 392 KB groß und zur Zeit noch in der Testphase.
Wir haben der App alle lokal bekannten AEDs gemeldet. Leider sind noch nicht alle eingetragen, da Aktualisierungen nicht immer sofort vorgenommen werden. Solche Apps werden leider unterschiedlich gut gepflegt,
sagt Ralf Mittelbach.
Anm. d. Red.: Die Autorin dieses Artikels machte ein Kurzpraktikum in unserer Redaktion. Da sie angehende Ärztin ist, konnte ihre Expertise für diesen Artikel genutzt werden.
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