Schriesheim/Rhein-Neckar, 05. März 2013. (red/zef) Schwerpunktthema der Grünen Kreisversammlung am 28. Februar war etwas, das jeden betrifft: Die Wasserversorgung. Am 28. Juli 2010 erklärten die Vereinen Nationen den Zugang zu sauberem Wasser zu einem Menschenrecht. Das Problem ist jedoch: Dies ist gesetzlich nicht bindend. Laut Uli Sckerl, dem Vorsitzenden der Grünen Rhein-Neckar, möchte nun die Europäische Kommission, die Regierung der EU, dieses Recht unterlaufen. Bereits 1,2 Millionen BürgerInnen der EU haben sich in einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) dagegen ausgesprochen.
Von Ziad-Emanuel Farag
Die Wasserversorgung ist in Deutschland und Österreich bisher kommunal geregelt. Kleine lokale Anbieter haben hier ein Monopol. Sie gewährleisten dafür aber auch jedem Konsumenten eine bezahlbare Trinkwasserversorgung. Der Europäischen Kommission sei dies aber seit eineinhalb Jahren ein Dorn im Auge. Sie drängt laut Sckerl, dass der Wasssermarkt privatisiert wird:
Wir beobachten gerade mit Sorge eine radikale Martkliberalisierung, die inzwischen auch nicht mehr vor dieser Grundversorgungsaufgabe halt macht. Die Kommission will die Gemeinden verpflichten, die Wasserversorgung zukünftig europaweit mit Zugriff für private Anbieter und für Spekulanten auszuschreiben. Das Lebenselixier Wasser würde zu einer europaweiten Handelsware.
Dieses Vorhaben gefährde eine nachhaltige, umweltschonende und einkommensunabhängige Wasserversorgung. Eine Ursache hierfür seien die kulturellen Unterschiede:
In den anderen Ländern ist der Gedanke der Daseinsvorsorge wie einer sozialgerechten Versorgung mit guten Trinkwasser nicht verankert. Damit ist sie aktuell nicht mehrheitsfähig. Wir haben es bisher geschafft für die Stadtwerke, die die Kommunen mit Wasser versorgen, eine Art Schutzzaun aufzubauen. Bisher fielen sie nicht unter die radikalen Liberalisierungsregeln. Das geht jetzt zu Ende.
Die ortsgebundenen Anbieter besäßen kein Interesse, ihr Wassser profitabel in einem EU-weiten Markt anzubieten. Sie wollen viel mehr die BürgerInnen vor Ort mit Trinkwasser versorgen. Wasser sei in den EU-Verträgen weder national noch kommunal geschützt.
Ökologisch steht dies auch unter schlechten Vorzeichen: Wenn ein Wasserversorger aus England deutsche Haushalte mit Wasser versorgt, könnten dafür wie beim Öl durch ganz Europa extra Pipelines gebaut werden. Hiervor warnt Sckerl eindringlich mit einem Bild:
Das ist auch ökologisch nicht vertretbar. Dagegen kämpfen wir als Grüne und auch als Landesregierung von Baden-Württemberg.
“Die FDP gefährdet die Versorgung mit dem Lebenselixier Wasser”
Der Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FPD) forciere laut Sckerl die Entwicklung sogar:
Rösler hat dafür gesorgt, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung bisher dagegen nichts unternommen hat. Der Wirtschaftsminister hat sich einer gnadenlosen Liberalisierung auch öffentlicher Dienstleistungen verschrieben. Das macht er ja auch zum Markenkern der FDP: Radikaler Markt ohne Rücksicht auf Verluste. Sie vertritt ja auch Klientel, die dort mitbieten kann.
Für Sckerl gelte es nun über lokales Engagement Druck auf die FDP auszuüben:
Ich bin dafür, dass man in den Gemeinderäten eine Resolution einbringt, damit die FDP-ler auch einmal Farbe bekennen. Ihnen muss klar werden, was ihre Häuptlinge anrichten und wie sehr die Versorgung mit dem Lebenselixier Wasser gefährden.
Das Gegenargument des Preisdiktats greife nicht. Man habe in Baden-Württemberg Vergleiche angestellt, die privaten Versorger seien mit 20 oder 30 Cent in Baden-Württemberg deutlich teurer. Die Qualität sei keinesfalls besser. Die Beispiele in Deutschland zeigten dies. Potsdam habe seine Wasserversorgung an einen französischen Anbieter abgegeben und wolle sie jetzt rekommunalisieren. In Berlin habe es vor 2 Jahren dazu einen Volksentscheid gegeben. Das Ergebnis nach der Privatisierung sei in Berlin fatal gewesen:
Kostensteigerung, fehlende Netz- und Bestandspflege und eine Verschlechterung der Trinkwasserqualität. Die hätten da teilweise eine Aufbereitung machen müssen wegen eines zu hohen FCKW-Anteils. Das haben sie dann gelassen, weil es sich nicht gerechnet hätte.
Seitdem Fritz Kuhn in Stuttgart Oberbürgermeister ist, betreibe die Stadt eine massive Rekommunalisierung, sogar gegen die landeseigene EnBW.
Die Zeichen in Deutschland stehen auf Rekommunalisierung. Dann kommt Europa und will sie auf Liberalisierung stellen, das ist gerade die Auseinandersetzung. Die müssen wir jetzt gewinnen. Die Landesregierung von Baden-Württemberg bemüht sich im Bundesrat und in Brüssel. Daneben gibt es die Europäische Bürgerrechtsinitiantive “rigth2water”.
“Auch andere Länder merken: Die Privatisierung von Wasser ist schlecht und teuer.”
Eine solche Initiative braucht 1 Millionen Unterschriften, um die Europäische Kommission aufzuhalten. Unterschrieben werden kann auch online. Aktuell hat die Petition 1,2 Millionen Unterschriften. Die Kommission muss sich daher auf jeden Fall damit beschäftigen. Rechtlich verbindlich wird die Initiative aber erst, wenn ein Quorum aus sieben Mitgliedsstaaten der EU zugleich erfüllt ist. Das ist bisher nicht der Fall. Sckerl hierzu:
Im Wesentlichen kommen die Unterschriften aus Deutschland und Österreich. Es muss uns gelingen, dass uns Bürger aus Ländern unterstützen, die diese kommunale Daseinsvorsorge gar nicht kennen. Es geht um Wasser als Menschenrecht, es muss einkommensunabhängig bezogen werden können. Dafür kämpfen wir weltweit und in Europa.
Der Rekommunalisierungsgedanke beim Wasser greife mittlerweile durch starke Bürgerinitiativen in anderen Ländern um sich:
Jetzt merken zum Beispiel die Engländer, die Spanier und Portugiesen: Beim Wasser hat die Privatisierung die Kosten getrieben und die Qualität verschlechtert.
Entwarnung für Schriesheim – die Stadtwerke Weinheim sind gefährdet
Doch auch die bisherigen Unterschriften tragen erste Früchte: Europakommissar Barnier bringt aktuell einen Kompromiss in die Europäische Kommission ein. Demnach sollen künftig nur die Aufträge von kommunalen Versorgern ausgeschrieben werden, die 20 Prozenz ihres Wassers außerhalb ihres Gebietes absetzen. Für Orte wie Heddesheim, Ilvesheim, Ladenburg und Schriesheim treffe dies nicht zu. Damit sei die Gefahr für die Metropolregion Rhein-Neckar aber nicht gebannt:
Die Stadtwerke Weinheim versorgen auch umliegende Orte mit Wasser. Sie überschreiten dabei die Marke von 20 Prozent. Daher müsste die Stadt Weinheim diese Dienstleistung europaweit ausschreiben. Bei der dumpingorientierten Vergabepraxis haben die Stadtwerke Weinheim keine Chance.
“Bei der Privatisierung wird sich unser Wasser verschlechtern”
Wieso verändert sich jedoch mit der Privatisierung zwangsläufig die Qualität? Die gesetzlichen Standards, die in Deutschland für Trinkwasser gelten, müssen private Anbieter genauso einhalten wie kommunale. Sckerl zufolge wird dies mit dem Argument der Wettbewerbsverzerrung kassiert:
Es gelten dann Markt- und Wettbewerbsgesetze nach dem Motto “Gleiche Chancen für alle” Anbieter in der EU. Wenn also etwas wie die Trinkwasserverordnung der nationalen Zuständigkeit entzogen wird, dann werden auch die Grenzwerte und Quallitätskriterien angeglichen. Bei den umwelt- und gesundheitsrelevanten Faktoren ist Deutschland immer im ersten Drittel. Das bedeutet für uns immer, dass wir uns verschlechtern. Das sehen wir in anderen Bereichen wie der Luftverschmutzung: Da gibt es wegen der Emmissionzertifikate ein Verfahren der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die EU wirft Deutschland hier Wettbewerbsverzerrung vor, weil sie ihre Werte nicht an den Eurpäischen Durchschnicht anpassen will.
Im März werde das Europäische Parlament schon hierüber entscheiden. Daher gebe es nur einen Weg:
Wir müssen die Quoren in weiteren Mitgliedsstaaten für die EBI erfüllen. Parallel müssen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort zusammen mit den nationalen Parlamenten und dem Europaparlament müssen Privatisierung aufhalten.
“Nur die Sanierung von kommunalen Wasservorkommen hat Perspektive”
Sie sei verbesserungswürdig: Ein Großteil des Wassers in Baden-Württemberg und der Metropolregion komme aus dem Bodensee. Daher biete die Privatisierungsdebatte eine Chance, um über die aktuelle Wasserversorgung nachzudenken:
Nach dem Modell Barnier muss die gesamte Versorgung aus dem Bereich des Bodensees europaweit ausgeschrieben werden. Bei den bisher beteiligten Eignern haben sie keine Chance, diese Ausschreibung zu gewinnen. Die Versorgung von 40 Prozent der Bürger in Baden-Württemberg könnte auf einen Schlag bei einem internationalen Konzern liegen.
Die Privatisierung solle daher nicht verhindert werden, um nur den aktuellen Zustand beizubehalten:
Es war immer klar, dass dieses Modell aus Gründen der ökologischen Nachhaltigkeit und wegen der Infrastruktur in schwieriges Fahrwasser kommt. Daher müssen wir kommunale Wasservorkommen wieder entdecken. Das gilt insbesondere bei uns an der Badischen Bergstraße. Zur Sanierung von örtlichen Brunnen wie in Heddesheim, die momentan wegen Nitrat und Pestizidenrückständen nicht nutzbar sind, gibt es keine Alternative. Über 20 Jahre laufen kann man diese Giftstoffe weitestgehend beseitigen. Da müssen wir ran. Nur das hat Perspektive.
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