Straßburg/Rhein-Neckar, 07. Juni 2013. (red/ld) Wenn ihre Tochter sie braucht, ist Franziska Brantner Mutter. Wenn die EU-Politik sie braucht, ist sie Abgeordnete. Die Grünen-Politikerin arbeitet im Europäischen Parlament an einer Lösung für die Finanzkrise oder an der Durchsetzung von Frauenrechten. Im September will die 33-Jährige in den Bundestag gewählt werden.
Von Lydia Dartsch
Franziska Brantner lächelt in ihr Telefon. Auf Ihrem Schoß liegt eine geöffnete Aktenmappe:
Die Kleine hat beschlossen, dass jetzt Frühling ist? Und sie keine Strumpfhose mehr anziehen braucht? Und was hast Du gemacht?
Am Telefon ist ihre Mutter und erzählt von der dreijährigen Tochter. Franziska schaut aus dem verregneten Fenster. Die Landschaft zieht vorbei. Sie sitzt in einem schwarzen Mercedes des Fahrdienstes des Europäischen Parlaments. Gestern um 06:00 morgens hat sie ihre Wohnung in Brüssel verlassen und ist nach Straßburg gefahren, nach Edingen-Neckarhausen und nach Heidelberg. Erst übermorgen wird sie ihre Tochter wiedersehen.
Per Telefon hält die Abgeordnete Kontakt. Sie erfährt, dass die Tochter dann doch noch die Strumpfhose angezogen hat und ist beruhigt. Dann legt sie auf.
Das iPhone klingelt erneut. Es ist ihr Büroleiter:
Hallo Jonas. Wer ist denn alles bei dem Zehn-Uhr-Termin dabei? Hast Du den Plan gerade vor Dir?
Franziska Brantner hört zu, macht Notizen, stellt Fragen.
Dann erledigt sie erste Büroarbeit, liest Texte in ihren Unterlagen, schreibt Anmerkungen dazu und greift wieder zu ihrem iPhone, das sie verflucht:
Ich hatte immer Handys mit Tasten. Mit dem hier kann ich nicht richtig arbeiten.
Ein neuer Blackberry ist schon bestellt. Das Handy ist das mobile Büro der 33-jährigen Grünen-Politikerin. Damit schreibt sie emails, Whatsapp-Nachrichten und SMS, redigiert Texte, gibt Interviews und telefoniert mit Mitarbeitern, Kollegen und ihrer Familie; meistens sitzt sie dabei nicht am Schreibtisch, sondern im Zug, im Auto oder im Parlament. Wieder ein Anruf:
Ja, schick mir das gleich. Ich habe jetzt noch eine halbe Stunde mit dem Auto, in der ich den Text überarbeiten kann.
Ihr Blick geht zum Rückspiegel, der Fahrer schaut zurück und nickt. Sie werden pünktlich ankommen, was nicht immer selbstverständlich ist. Vor allem, wenn sie Bahn fährt, was sie meistens tut.
Wie ein geschmeidiges Getriebe
Die zierliche Frau ist effizient. Strukturiert. Auf Schminke legt sie keinen Wert. Ihr Ehering ist der einzige Schmuck, den sie trägt. Und die große grelle Nerd-Brille: altmodisch braune Hornoptik vorne. An den Seiten neon-grün. Die Brille zieht den Blick auf ihre Augen und die schauen aufmerksam in und auf die Welt.
Alles um sie herum ist organisiert, läuft wie ein geschmeidiges Getriebe, auf das sie sich verlässt.
Weil sie wegen der vielen Termine ihre kleine Tochter nicht mit nach Straßburg nehmen kann, ist Franziska Brantners Mutter aus Freiburg nach Brüssel gefahren, um sich um diese zu kümmern, wenn die Mutter auf Tour ist.
Der Gutenachtkuss für die Tochter
Die Familie sieht sich nicht oft, aber Zeit für ihre Tochter ist in ihrem Kalender genauso fest eingeplant, wie die Sitzungen mit der Fraktion oder die Meetings mit anderen Abgeordneten.
Heute ist der Zeitplan wie so oft wieder mal straff. Sie kommt pünktlich um 09:00 Uhr an, fährt mit dem Aufzug in den fünften Stock zu ihrem Büro. Ihr Büroleiter hat bereits alle Unterlagen vorbereitet, die sie heute brauchen wird.
Ist das meine Mappe? Ohje!
Das Entsetzen ist nicht wirklich echt, sondern scherzhaft gemeint. Denn die Mappen sind immer dick.
Einer wie Franziska Brantner macht das nichts aus. Sie ist leistungsorientiert. Das war sie schon als Schülerin: In Freiburg ging sie aufs Deutsch-Französische Gymnasium und war dort an der Gründung des Jugendgemeinderats beteiligt. In Paris war sie Mitgründerin einer grünen Hochschulgruppe.
Viel erreicht, viel vor sich
Mit 17 Jahren trat sie der Grünen-Jugend bei, wurde noch im selben Jahr in den Landesvorstand gewählt. Im Jahr darauf in den Bundesvorstand. Für die parteinahe Heinrich-Böll-Stiftung arbeitete sie nach dem Abitur in New York und in Tel Aviv. Sie spricht Englisch, Französisch und Spanisch fließend. Sogar etwas hebräisch.
Politikwissenschaft und Volkswirtschaft studierte sie in Paris an der “Science Po” und in New York an der Columbia University. In Mannheim promovierte sie über die Reformfähigkeit der Vereinten Nationen.
Die Liste ihrer Projekte ist lang: Frauenrechte, die Lösung der Finanzkrise und Friedensvermittlung. In der nächsten Woche soll eine Konferenz dazu stattfinden, die sie organisiert, bei der sie aber wegen anderer Termine nicht anwesend sein kann. Es wird um die Frage gehen, wie geeignet die EU als Friedensvermittler ist. Dafür müssen noch Gäste zusagen. Sie telefoniert mit ihrem Büro in Brüssel und fragt nach der Lage, bittet ihre Mitarbeiter, nochmal nachzufragen.
Wieder geht ihr Blick auf den Stapel mit den Unterlagen:
Ich muss mir das kurz durchlesen. Wann ist das Treffen?
fragt sie Jonas Paul.
Um 09:30 Uhr trifft sie den slowakischen Abgeordneten Eduard Kukan an der Members’ Bar. Um 10:00 Uhr ein Treffen mit den Schattenberichterstattern (siehe Bericht) im Winston-Churchill-Gebäude. Um 11:00 Uhr trifft sie im Hémicycle eine Besuchergruppe und geht um 12:00 Uhr zu den Abstimmungen ins Plenum.
Es folgen Gruppentreffen mit Fraktionskollegen aus dem auswärtigen Ausschuss, dessen Mitglied sie ist, eine weitere Besuchergruppe und noch ein Meeting in der Members’ Bar, bevor die Fraktionssitzung beginnt. Um 21:00 Uhr ist heute das Terminprogramm zu Ende.
Am nächsten Morgen geht es um 08:00 Uhr mit einem Termin beim Zahnarzt los. Dann das übliche Programm. Dann fährt sie nach Ladenburg, in den den Wahlkreis, für den sie im Herbst bei der Bundestagswahl antritt. Sie will von den Bürgermeistern wissen, welche Probleme es vor Ort gibt.
Die Wahrscheinlichkeit, in den Bundestag gewählt zu werden, ist groß. Sie tritt auf Platz 09 der Landesliste an. Von den Grünen-Abgeordneten kommen elf aus Baden-Württemberg.
Ihr Schwerpunkt wird die Europäische Finanzkrise sein. Sie freut sich auf den Wechsel von Brüssel nach Berlin:
Ich werde die internationale Atmosphäre hier vermissen. Aber wenn es um die Lösung der Finanzkrise geht, kann ich in Berlin mehr erreichen. Deutschland spielt darin gerade die größte Rolle.
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