Weinheim, 10. Mai 2013. (red/ld) Die Nordanbindung an den Industriepark kommt. Die Bahnbrücke am Langmaasweg muss bis 2014 abgerissen werden. Das sieht der Bebauungsplanvorentwurf vor, den der Ausschuss für Technik und Umwelt am Mittwoch beschlossen hat. Besonders kritisch betrachteten die Stadträte die Kostenverteilung zwischen der Firma Freudenberg und der Stadt. Nach ihrer Meinung profitiert hauptsächlich das Unternehmen von dem Bebauungsplan. Die größten Anteil der Kosten trägt aber die Stadt.
Von Lydia Dartsch
Die Debatte um den Bebauungsplan Nr. 1/02-13 für den Bereich “Holzweg, Langmaasweg” lief gestern heiß, vor allem als es darum geht, wer welchen Teil der Kosten zu tragen hat. Davon will Freudenberg, so scheint es, so wenig wissen wie möglich. Für die Stadträte ist das Unternehmen aber Hauptprofiteur des Bebauungsplans.
Die Stadtverwaltung strebt eine Anbindung des Freudenberg-Firmengeländes von der B38 her an. Dort werde der Rhein-Neckar-Kreis noch in diesem Jahr die Bundesstraße auf drei Spuren erweitern und das sogenannte Südohr bauen, wie die geplante Verbindung zwischen der B38 und der Kreisverbindungsstraße genannt wird.
Die Zufahrt zu Freudenberg soll dann über den Holzweg durch das Tiefgewann verlaufen, der dafür ausgebaut werden soll. Die für diese Maßnahme benötigten Grundstücke will die Stadtverwaltung im Rahmen des Flurneuordnungsverfahrens bereitstellen/erhalten, das derzeit im Zusammenhang mit dem Bau des Südohrs durchgeführt wird. Zu Flächenabzügen der dortigen Eigentümer, die das Gebiet landwirtschaftlich oder privat nutzen, soll vermieden werden. Als Rad- und Fußgängerweg bleibt der feldwegartige Holzweg zunächst erhalten.
Innenstadtverkehr soll entlastet werden
Die Stadtverwaltung verspricht sich von der Nordanbindung eine Entlastung vom Schwerlastverkehr zur Firma Freudenberg und längere Erhaltung der innerstädtischen Straßen. Die Lkw erreichen das Firmengelände bisher hauptsächlich über das Tor 2 an der Viernheimer Straße. Weitere Zufahrtswege zum Gelände bestehen über das Tor 1 am Höhnerweg sowie über das Tor 4 am Langmaasweg, der über eine Eisenbahnbrücke führt.
Warum ist man darauf nicht früher gekommen?
fragte Elisabeth Kramer (GAL). Die Nordanbindung sei schon viel früher diskutiert, aber bisher nie realisiert worden.
Die Antwort von Oberbürgermeister Heiner Bernhard gab den Blick frei auf das politische Kalkül der Stadtverwaltung: Es stimme zwar, dass eine Zufahrt von Freudenberg über die nördlich gelegene B38 bereits seit Jahren diskutiert werde. Sie sei aber erst jetzt möglich geworden, weil der Rhein-Neckar-Kreis jetzt das Südohr baue:
Wären wir vorher aktiv gewesen, hätte der Kreis uns die Kosten dafür aufgebrummt,
sagte der Oberbürgermeister.
Von der neuen Zufahrt profitieren die Weinheimer Bürger ebenso wie die Fahrer der Lkws die den Innenstadtverkehr nutzen müssen, um den Industriepark anzufahren:
Die bestehenden Zufahrten sind mehr als dürftig,
waren sich die Gemeinderäte einig. Der Erste Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner sagte, der Schwerlastverkehr habe sich in vergangenen Jahren stark erhöht, vor allem, weil mehr Fremdfirmen beauftragt werden. Teilweise irrten die Fahrer lange durch die Stadt:
Die fahren bis Rippenweier, weil sie “Höhenweg” in ihr Navi eingeben, statt Höhnerweg,
sagte Oberbürgermeister Heiner Bernhard.
Vor allem letzterer diene den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Freudenberg als schnelle, fußläufige Möglichkeit, morgens zur Arbeit zu gelangen. Besucherinnen und Besuchern der Moschee am Langmaasweg hatte Freudenberg bisher gestattet, ihre Autos auf dem firmeneigenen Parkplatz auf der gegenüberliegenden Seite der Bahnschienen zu parken. Auch landwirtschaftliche Fahrzeuge nutzen die Langmaasbrücke als Zufahrt zum Tiefgewann.
Eine Million für Neubau der Langmaasbrücke nötig
Die Brücke soll aber spätestens 2014 abgerissen werden. Das hatte der Gemeinderat bereits 2008 beschlossen. Reparatur? Unmöglich! Das wurde in der Sitzung klar. Seit Jahren bröckelt dort der Beton. Provisorische Auffangnetze sollen verhindern, dass Betonteile auf die Bahnschienen fallen. Zwar wurden seit 2008 im mittelfristigen Haushalt für die Jahre 2010 und 2011 950.000 Euro für einen Neubau der Brücke angemeldet, im Haushalt für 2012 wurden jedoch nur 160.000 Euro für den Abriss der Brücke beschlossen. Das gehe auf Anfragen des Gemeinderats zurück, die eine Fußgänger- und Radfahrbrücke vorsehen. Außerdem habe sich Freudenberg an den entstehenden Kosten eines Neubaus in Höhe von einer Million Euro nicht beteiligen wollen.
Für den Neubau kommt erschwerend hinzu, dass die Brücke länger werden müsse als die bestehende. Das liegt an einer Kreuzungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn. Für einen Neubau müsse die Stadtverwaltung mit der Bahn ins Gespräch kommen. Die Schienentrasse unter der Langmaasbrücke sei zu schmal. Die Deutsche Bahn AG könne verlangen, im Zuge des Neubaus, die sogenannte “lichte Weite” der Brücke auf das Normmaß zu erweitern. Ein Neubau könnte somit teurer werden als gedacht und sich länger hinziehen.
Höhere Verkehrssicherheit und höherer Parkdruck als Folge
Der Abriss der Brücke bringt Vorteile und Nachteile. Alternativen gibt es wenig. Der Industriepark könnte von der B38 aus erreicht werden ohne das innerstädtische Straßennetz zu benutzen. Damit verlängere sich die Lebensdauer der Straßen rechnet die Stadtverwaltung. Außerdem spare sie die Unterhaltskosten für eine Brücke. Außerdem könnte sich die Verkehrssicherheit für die Kindertagesstätte “Nordlicht” verbessern.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihre Kinder dort betreuen lassen, werden dennoch das Nachsehen haben, wenn sie nach dem Abriss einen großen Umweg fahren müssen, um ihre Kinder abzuholen oder in die Kita zu bringen. Dazu erwartet die Stadtverwaltung, dass sich der Parkdruck auf dieser Seite drastisch erhöhen wird, wenn die Besucherinnen und Besucher der Moschee den freudenberg’schen Parkplatz nicht mehr erreichen können, den sie bisher nutzen durften.
Wir sind für eine neue Brücke dort.
sagte Holger Haring (CDU). Die Notwendigkeit sei dort gegeben. Auch Gerhard Mackert (Freie Wähler) sprach sich für eine Fußgänger und Radfahrerbrücke von der Nordstadt auf das Freudenberggelände aus:
Das wäre ein großer Vorteil für die Bewohner der Nordstadt, wenn sie das Firmengelände fußläufig erreichen könnten.
Stadtrat Rolf Emenlauer (SPD) sprach eine moralische Verpflichtung der Firma Freudenberg an, sich am Neubau der Brücke zu beteiligen:
Als die Brücke 1927 gebaut worden ist, sind die Arbeiter aus dem Odenwald über diesen Weg ins Werk gelaufen.
Tiefgewann wird über die B38 für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge erreichbar sein
Um die Situation zu erleichtern sieht der Bebauungsplanvorentwurf eine Brücke “ausdrücklich vor”, wie es in der Vorlage heißt. Die Kosten hierfür werden auf 500.000 Euro geschätzt – deutlich billiger als eine neue Autobrücke – auch im Unterhalt. Eine Beteiligung der Firma Freudenberg ist bislang nicht vereinbart.
Am einfachsten scheint die Lösung für den landwirtschaftlichen Verkehr. Die Fahrzeuge sollen das Tiefgewann über die B38 erreichen können. Dafür soll die Bundesstraße zwischen der Auffahrt auf die B3 und der Kreisverbindungsstraße freigegeben werden. Die verkehrsbehördliche Anordnungsbefugnis liegt bei der Stadtverwaltung.
Nach Aussage von Oberbürgermeister Heiner Bernhard sei das für die Landwirte eine akzeptable Lösung. Dr. Wolfgang Wetzel (FDP) fand diese Lösung problematisch für die Verkehrssituation vor Ort:
Auch wenn es nur ein kleines Stück Bundesstraße ist, wird es dort zu Verkehrsbehinderungen kommen.
Flächennutzung des Tiefgewann wird nicht geändert
Beteiligen will sich Freudenberg am Bau der Nordanbindung mit mindestens 250.000 Euro für den Straßenverlauf auf dem Firmengelände. Die Kosten für den nördlichen Abschnitt im Tiefgewann in Höhe von 200.000 Euro bezahlt die Stadt, da dort eine öffentliche Nutzung festgestellt wurde. Weitere 140.000 Euro fallen für den mittleren Abschnitt an. Der wird sowohl öffentlich, als auch privat von Freudenberg genutzt. Das Unternehmen werde sich nach derzeitigem Stand aber nicht daran beteiligen.
Das möchte der Gemeinderat nachverhandelt haben. Schließlich werde die Nordanbindung an die B38 einzig für Freudenberg gebaut. Die Landwirte seien auch mit einem Feldweg zufrieden, sagte Elisabeth Kramer (GAL). Oberbürgermeister Heiner Bernhard sagte, er habe bereits mit dieser Reaktion des Ausschusses gerechnet und erklärte die kaufmännische Argumentation seitens Freudenberg zur Finanzierung der Straße:
Die kaufmännische Argumentation beschränkt sich auf: Mir gebet nix!
Der Bebauungsplan soll es Freudenberg ermöglichen, einen neuen Zufahrtsbereich zum Firmengelände am Holzweg zu schaffen und die dafür nötigen Gebäude dort zu bauen. Davon soll laut Vorlage das Tiefgewann aber nicht betroffen sein. Eine Änderung im Flächennutzungsplan ist nicht vorgesehen.
Viele Alternativen blieben den Stadträten nicht, wie Oberbürgermeister Bernhard sagte:
Mit dieser Lösung kriegen wir Verkehr aus der Stadt, den wir nicht haben wollen. Wir können keine Maßnahmen für Lärmschutz ergreifen und an gegebener Stelle nicht zustimmen.
Die Kostenbeteiligung werde die Stadtverwaltung noch einmal mit Freudenberg besprechen, sicherte er den Stadträten zu. Diese stimmten mit fünf Enthaltungen für den Bebauungsplanvorentwurf. Nun wird der Bebauungsplan im Regelverfahren durchgeführt. Die Stadtverwaltung rechnet damit, den Offenlagebeschluss Mitte dieses Jahres fassen zu können.
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