Rhein-Neckar, 11. April 2013 (red/ms) In den letzten Jahren hat das SchülerVZ mehr als vier Millionen Mitglieder verloren. Nachdem die Massen zu Facebook abwanderten, sind nur noch 200.000 Benutzer bei der Seite angemeldet. Darunter sind so viele gefälschte Profile, dass das Netzwerk von vielen als “FakeVZ” verspottet wird. Jetzt soll dem ein Ende bereitet werden. Auf der Website verkünden die Betreiber: “Wir machen’s kurz: Es ist vorbei. schülerVZ wird am 30. April 2013 geschlossen. Für immer.“
Kommentar: Minh Schredle
Als das SchülerVZ vor sechs Jahren startete, war ich gerade mal zwölf Jahre alt. Am Anfang war ich noch skeptisch. Das rosafarbene Design war für pubertierende Jugendliche aber auch wirklich fürchterlich feminin. Trotzdem, in meinem Bekanntenkreis setzte es sich durch und plötzlich hatte es jeder. Natürlich wollte man dazu gehören.
Ich glaube, in meiner alten Schulklasse gab es niemanden, der nicht zumindest für eine kurze Zeit einen Account hatte. Für die meisten wurde es dann zur Gewohnheit, sich täglich einzuloggen. Man guckte nach, ob man neue Nachrichten bekommen hatte, chattete ein bisschen oder noch viel wichtiger für uns Heranwachsende: Man inszenierte sich. Denn das ging im SchülerVZ so gut, wie sonst nirgendwo.
Auf seinem Profil konnte man Angaben über fast alles machen. “Lieblingsfilme”, “Was ich mag” und “Über mich” waren aber nicht einfach Felder zum Ausfüllen, sondern Chancen, sich cool darzustellen.
Das Highlight waren die Gruppen. Es gab Gruppen, in denen man einfach sein musste, um in seinem Freundeskreis nicht als seltsam zu wirken. Gruppen, die vermeintlichen Humor bewiesen (Etwa: “Wann sterbe ich endlich, weil ich keine Kettenbriefe beantworte?!”) und wenn man selbst eine Gruppe gründete, die richtig viele Mitglieder bekam, trug das in unseren Kreisen etwa so sehr zum Status bei, wie eine imposante Yacht unter Superreichen.
Allgemeine Jugendsünde
Aber wir alle wurden älter. Irgendwann schämte man sich dann über seine kindische Eigendarstellung. Dann kam Facebook. Das wirkte reifer, erwachsener… cooler. Die meisten hatten zwar noch ihr Benutzerkonto bei SchülerVZ, aber kaum noch jemand nutzte es. Mit Facebook war man jetzt mit allen seinen Freunden verbunden, nicht nur mit seinen Schulfreunden.
Nach und nach wurde SchülerVZ immer mehr zur Jugendsünde. Man spottete über Funktionen wie “gruscheln” – ein Mischwort aus “grüßen” und “kuscheln”, das dem “anstupsen” bei Facebook entspricht – oder den “Buschfunk”, wie der Chat hieß.
Mittlerweile bedaure ich, dass ich meinen SchülerVZ-Account vor etwa zwei Jahren gelöscht habe. Es wäre wirklich interessant und wahrscheinlich enorm lustig gewesen, jetzt noch einmal mit fünf Jahren Abstand zu sehen, wie ziemlich Cooles absolut lächerlich wurde.
Dass das SchülerVZ am 30. April verschwinden wird, finde ich ein wenig bedauerlich. Vielen meiner Freunde geht es ähnlich. Niemand würde es noch ernsthaft benutzen wollen. Niemand wird es vermissen. Trotzdem ist es irgendwie traurig, dass es in zwanzig Tagen einfach weg sein wird. Schließlich war das SchülerVZ unweigerlich ein wichtiger Teil meiner frühen Jugend – zumindest ein Jahr lang.
Für die vier Millionen Nutzer, die das SchülerVZ in den letzten Jahren verlassen haben, hat die Löschung keine allzu große Relevanz. Für die Betreiber ist es eine Katastrophe. 2007 hatte die Holtzbrinck Verlagsgruppe noch 85 Millionen Euro für das Netzwerk bezahlt. In späteren Verhandlungen wurden Übernahmeangebote von Facebook ausgeschlagen. Im September 2012 kaufte die Investmentgesellschaft Vert Capital MeinVZ, StudiVZ und SchülerVZ. Eigentlich sollten die angeschlagenen VZs mit einem neuen Image zu neuer Popularität gelangen. Der Plan ging gewaltig schief. Jetzt, nur ein halbes Jahr später, ist endgültig Schluss.
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