Weinheim, 12. Juni 2013. (red/aw) In lockerer Atmosphäre traf sich am Morgen die Europaagbgeordnete Dr. Franziska Brantner mit den Bürgermeistern der Stadt Weinheim, Heiner Bernhard und Dr. Torsten Fetzner sowie einigen GAL-Mitgliedern im Rathaus. Die Runde sprach über aktuelle Geschehnisse in Weinheims Kommunalpolitik sowie deren Bezüge zur Europapolitik. Es ging um Lärmschutz, Krippenplätze und Windenergie. Im September will Franziska Brantner für Bündnis ’90/Die Grünen in den Bundestag einziehen. Um sich auf ihre neue Rolle als Bundestagsabgeordnete vorzubereiten, besucht sie derzeit die Bürgermeister in ihrem Wahlkreis Heidelberg-Weinheim.
Von Alexandra Weichbrodt
Die Stimmung heute morgen war gut. Bestens gelaunt trafen sich Oberbürgermeister Heiner Bernhard und Dr. Franziska Branter, Mitglied des Europäischen Parlaments, auf dem Balkon der Rathauses. Bei herrlichem Blick auf den Schlosspark scherzten sie und lachten. Heitere Stimmung für 9:00 Uhr in der Früh.
Dr. Franziska Brantner möchte die Gemeinden und ihre “drückenden Schuhe” im Wahlkreis Heidelberg-Weinheim kennenlernen. Sie ist interessiert daran, mit welchen aktuellen Problemen die Stadt Weinheim zu kämpfen hat. Dafür braucht es keine Gesprächsagenda oder offizielle Dokumente. Ohne Unterlagen setzte man sich an einen Tisch und plauderte drauf los.
Die Stimmung von Oberbürgermeister Bernhard schlug um, als er Frau Brantner von dem tragischen Unfalltod des Ortsvorstehers von Oberflockenbach, Hans Salbinger, berichtete.
Das macht uns allen einmal mehr deutlich, dass das Leben wichtiger ist, als Kommunalpolitik,
sagte er. Trotzdem sei es sein Job. Als Oberbürgermeister habe er natürlich ein Interesse daran, dass aktuelle Themen und damit verbundene Schwierigkeiten gehört werden. Ob für Europa oder den Bund: Franziska Brantner hörte zu. Und bestätigte viele Eindrücke, die die Weinheimer Stadtverwaltung vom Umgang mit der Kommunalpolitik in Deutschland hat.
Fauler Deal mit der Föderalismusreform
Heiner Bernhard kritisierte besonders den abgeschafften kooperativen Föderalismus. Und stieß damit bei Franziska Brantner auf offene Ohren:
Dieses Verbot muss weg. Da wurde damals ein Deal gemacht. Die geschlossenen Kompromisse, waren aber nicht die besten,
sagte die Europaaabgeordnete. Heiner Bernhard ergänzt: “Ein fauler Deal wurde da gemacht”.
Föderalismus in dieser Form ertrage ich nicht mehr. Es gibt keinen Überblick, keine Matrix. Das erschwert die Diskussion und schwächt die kommunale Seite,
so der Oberbürgermeister. Die Kandidatin für den Bundestag stimmte ihm zu: Der Geldfluss müsse wieder ermöglicht werden. Denn selbst wenn die Länder pleite sind, dürfe der Bund ihnen kein Geld für Bildung überweisen – so will es das aktuelle Kooperationsverbot. Der Plan von SPD und Grüne, das umstrittene Verbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik aufzuheben, war bereits Anfang des Jahres gescheitert.
Mit dem näher rückenden 01. August, dem Tag an dem der Anspruch auf einen frühkindlichen Betreuungsplatz gesetzlich festgeschrieben wird, hat auch Weinheim Sorge, den Anforderungen nicht vollständig entsprechen zu können. Schon jetzt habe man vor allem bei den unter Dreijährigen das Problem, dass eine alleinige Krippe zu selten von den Eltern in Anspruch genommen wird, sagte der Oberbürgermeister.
Lärmschutz: OB hofft auf die Schweizer Konsequenz
Ein weiteres Thema, welches die Stadtverwaltung und vor allem die Bürgerinnen und Bürger in Weinheim beschäftigt, ist der Lärmschutz. Der Erste Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner erläuterte Franziska Brantner, welche Schritte man im Zusammenhang mit dem Bahnlärm bereits getan habe. Er lobte den Dialog mit der Bürgerinitiative “Schutz vor Bahnlärm” und kritisierte die Argumentation der Deutschen Bahn.
Dass die Sanierungsmaßnahmen in Weinheim durch die Bahn bereits abgeschlossen sind und daher die Bahn sich nicht mehr in der Verantwortung mehr sieht, das ärgert uns und die Bürger,
sagte Dr. Fetzner. Heiner Bernhard ergänzte, dass es vor allem schwierig in der Kommunikation mit der Bürgerschaft sei, wenn man von einem “Lärmaktionsplan” spreche.
Wir erwecken damit eine Erwartung, die wir selbst nicht erfüllen können und die andere nicht erfüllen werden,
sagte er. “Klar”, stimmte Frau Brantner ihm zu. Aktionsplan klinge nach Aktion, doch der Handlungspielraum liege meist nur zum Teil oder sogar gar nicht bei den Kommunen, sagte die Europaabgeordnete. Sie hoffe daher, dass die Deutsche Bahn ihre Lärmsanierungsmaßnahmen grundlegend überdenke. Das Aufstellen von Lärmschutzwänden könne auf Dauer keine Lösung sein. Es müsse eine Sanierung des Fuhrparks inklusive der Gleisstrecken her, sagte sie.
Doch dafür sei der Druck in Deutschland noch nicht groß genug. Heiner Bernhard sagte, dass die “finanzielle Dimension dieser Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht vorstellbar” sei.
Meine Hoffnung liegt daher in der Schweiz,
sagte der Oberbürgermeister. Die Schweiz setzt der Güterverkehrsindustrie einfach ein Ultimatum. Ab 2020 sind laute Gussbremsen hier gesetzlich verboten.
“Was gut ist, denn durch die Schweiz müssen sie fast alle”, weiß auch Brantner. Damit würde der Druck auf den Güterverkehr in Europa erhöht. Doch eine schnelle Lösung des Lärmproblems für die Weinheimer ist damit nicht in Sicht.
Kein Verständnis für Bahn-Lärm, mehr Verständnis für Gastro-Lärm
In einem anderen Zusammenhang wünscht sich Weinheim allerdings eine größere Toleranz in Sachen Lärm. Die Regelungen zur Außenbewirtschaftung verursachen Weinheimer Gastronomen und auch der Stadtverwaltung schon länger Bauchschmerzen.
Die Nacht beginnt in Deutschland immer noch um 22 Uhr. Das ist Quatsch,
sagte Heiner Bernhard. Man habe schon viel versucht, die Sperrstunde für Außenbewirtschaftung um wenigstens eine Stunde zu verlängern, doch es sei nicht hinzukriegen, so der OB:
Wenn wir die Innenstädte stärken wollen, dann mit Leben und Frequenz. Und das geht nur über die Gastronomie.
Der mediterane Trend in Weinheim, besonders im Sommer, an lauen Abenden auch zu späterer Stunden noch im Freien sitzen zu wollen, gehe auf lange Sicht mit dieser Sperrstunde kaputt. “Doch davon profitiert Weinheim und sollte es auch weiterhin tun”, so Herr Bernhard.
Frau Dr. Brantner ist dieses Problem aus vielen Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg bekannt. Auch das in diesem Zusammenhang häufig diskutierte Thema “Alkoholverbot” bleibe schwierig, so Brantner. Selbst innerhalb der Grünen-Partei sei man da gespaltener Meinung.
Man muss hier ganz genau überlegen, worin die Vor- und Nachteile eines generellen Alkoholverbots liegen. Da bin ich selbst hin und her gerissen,
so die Europaabgeordnete. Der Oberbürgermeister hat “prinzipiell gar nichts gegen den Konsum von Alkohol”. Ihn ärgere nur, dass die Kommunen nicht passgenau agieren können. Sollte es beispielsweise Plätze geben, an denen vermehrt Alkohol konsumiert wird, kann die Stadt das nicht mit einem partiellen Verbot unterbinden.
Reine Kontrollen, etwa nach dem Alter, müssen durch die Polizei erfolgen. Doch auch das geschehe viel zu selten. “Verständlicherweise”, findet Franziska Brantner:
Die Polizei sieht darin nicht ihre Priorität. Das Jagen von Einbrechern und Vergewaltigern erscheint da häufig wichtiger.
Brantner: “Energiewende stockt”
Ein Thema, welches Franziska Brantner noch wichtig war bei ihrem Besuch der Weinheimer Stadtverwaltung, ist die Energiewende.
Wir brauchen den Ausstieg aus der Atomenergie, doch die Regierung will gerade noch nicht richtig und macht nur halbherzig mit. Die Energiewende stockt,
so die 33-Jährige außenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Derzeit fehle es an Debatten, welche Projekte wie dazu beitragen könnten, die Energiewende erfolgreich zu vollziehen. Sie habe Verständnis für die Kommunen:
Für euch, hier vor Ort, macht es das natürlich unglaublich schwierig.
Das bestätigten die Weinheimer Bürgermeister. OB Bernhard weiß, dass das nicht kommunal geregelt werden kann:
Das muss auf Bundesebene passieren. Warum orientiere man sich nicht am “best practice”-Beispiel von Rheinland-Pfalz? Dort kriege man das mit der Windenergie gut hin. Hier bei uns in Baden-Württemberg wollen sie das Rad wieder neu erfinden,
sagte Herr Bernhard. “Beim Bund fehlt außerdem eine Zuständigkeitsstelle. Das ist lächerlich. Man ist nicht in der Lage die Kompetenzen zu bündeln”, sagte er weiter. Ein wahres “Trauerspiel” bestätigte Brantner, die sich wie ihr Ehemann, der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, nicht scheut, nicht auf “Parteilinie” zu sein:
Und durch nicht nachvollziehbare Ausnahmeregelungen sowie Befreiuungen für Großverbraucher in der Industrie, wird die Energiewende teurer,
Man solle an die Wind-Debatte nicht “ideologisch” angehen, sondern “cool”. Doch so lange das Gefühl aufkommt, “nicht alle ziehen am gleichen Strang”, bleibe es schwierig.
“Kriegen wir die Energiewende gebacken?”
Das fragt sich nicht nur Franziska Brantner:
Hier haben wir so viel Potenzial. Auch, wenn es aktuell kein großes Wahlkampfthema ist, ist es wichtig. Es muss nur konkret auf den Weg gebracht werden.
Am besten mit Hilfe eines Energieministeriums, am besten sogar auf europäischer Ebene, findet Frau Brantner. Womit sie sich selbst daran erinnert, dass sie neben der Vorbereitung auf ihren Wahlkampf zur Bundestagswahl auch noch eine aktuelle Verpflichtung im europäischen Parlament hat.
Dr. Franziska Brantner musste gegen 10:00 Uhr wieder los. Am Nachmittag standen noch Abstimmungen zum Thema Datenschutz an. Ein wichtiges Anliegen der Grünen-Partei, daher “zählt jede Stimme”, so die Europaabgeordnete. Also macht sie sich nach einer guten Stunde in Weinheim und dessen Kommunalpolitik wieder auf den Weg zur großen politischen Bühne Europas.
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