Rhein-Neckar, 14. Januar 2013. Umzüge sind nicht nur eine äußerliche Veränderung des Wohnraums, sondern verändern auch das eigene Leben. Eine von Gabis Freundinnen ist gerade umgezogen und hat Ordnung geschaffen – innerlich und äußerlich, wie Gabi erfahren hat.
„Ausmisten ist gut für die Seele, befreit und macht leichter“, nach diesem Motto ging eine Freundin ihren Umzug an. Meistens schreibe ich ja über meine Beobachtungen. Heute präsentiere ich Ihnen, was ich protokolliert habe:
Der Kleiderschrank war zuerst dran. Es ist erstaunlich, wieviel Kleiderstücke “frau” im Schrank aht, die „frau“ in den letzten drei bis fünf Jahren nicht mehr getragen haben, da sie A zu klein, B nicht mehr modern oder C eigentlich noch nie wirklich gefallen haben? Das waren zumindest bei mir ziemlich viele. Denn man hofft stets A, dass man wieder abnimmt, B, dass die Kleider wieder in Mode kommen oder C, dass man doch noch eine Gelegenheit findet, diese “guten” Stücke zu tragen, denn schließlich waren sie ja teuer.
Macht man sich davon frei – und das habe ich wirklich versucht – ist der Haufen der ausgemisteten Kleider größer als der, der im Schrank verbleibt. So schleppte ich gefühlte hundert Säcke zur Altkleidersammlung.
Schwieriger gestaltete sich das Aussortieren des Bücherregals. Es gibt die aktuellen Romane und die Klassiker, die packt man ganz schnell in die Kiste. Doch was macht man mit “Uta Danella”-Romanen, die im Umschlag den Namenszug der Großmutter tragen? Büchern mit Widmungen, die man noch nie gelesen hat? Bildbände mit „Wunder dieser Welt“, die mal “sauteuer” waren und die man in den letzten zehn Jahren nicht einmal in der Hand hatte? Und mit Lexika, die in den 90er Jahren erschienen sind?
Da hilft nur Ausmisten. Doch wohin? Alte Romane kriegt man in den Bücherregalen der Kommunen unter, aber wohin mit Bildbände und Lexika, die möchte keiner mehr, also bleibt nur die Tonne und das ist schmerzhaft. Der Mannheimer Umzugsberater meines Vertrauens von ASH Kurpfalz Umzüge hatte volles Verständnis dafür: “Lassen Sie sich Zeit und sehen Sie es als Chance”, sagte er verständnisvoll.
Horrorszenario Speicher
Ein Horrorszenario offenbarte sich auf dem Speicher: Kisten mit Kinderspielzeug, Kinderbetten, alte Fotos und Briefe, Dias, Unterlagen aus dem Studium – ein unerschöpflicher Quell der Erinnerungen. Hier geht Sortieren ans Eingemachte.
Die Uni-Unterlagen, die ich schon zweimal umgezogen habe, flogen jetzt endgültig ins Altpapier. Briefe, Tagebücher und Fotos – da bin ich ganz sentimental – landeten in der Umzugskiste.
Die Kindersachen wurden in Aschenputtel-Marnier sortiert, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen. Sprich Bilderbücher und Spielsachen, die der Nachwelt bzw. den Enkelkindern in weiter Ferne erhalten bleiben sollen, sowie Kinderbettchen und Schaukelpferd wurden eingepackt. Unvollständige Spiele und kaputte Spielsachen wanderten in den Müll und den Rest brachte ich neben Schränken, Regalen und Nippes zu einem sozialen Secondhand-Kaufhaus.
Horte der Sammelwut und Momente des Glücks
Und was bleibt noch übrig? Richtig, der Keller. Ein weiterer Hort der ungezähmten Sammelwut. Braucht man wirklich acht Isomatten und zehn Schlafsäcke? Wird man in naher Zukunft die Luftmatratze und das Schlauchboot flicken? Wie viel Beachball-Spiele und Squash-Schläger kommen in den nächsten Jahren wirklich zum Einsatz? Da helfen nur eiserne Disziplin und große Müllsäcke.
Das männliche Spielfeld – die Werkstatt – auszumisten, habe ich meinem Mann überlassen. Wie er mir versicherte, habe er gnadenlos weggeschmissen, dennoch blieb bei mir der Eindruck zurück, dass man mit den übrig gebliebenen Schrauben, Nägeln und Brettern nebst Werkzeug in allen Größen und Formen ein ganzes Haus bauen könnte. Sehr lustig war, wenn ich ihn nach diesem und jedem fragte und wann er das schon mal benutzt hatte: “Bis jetzt noch nicht, Schatz, aber man weiß ja nie.”
Immerhin: Als ich eine Hakenschraube (nennt man das so?) erst mit dem Schraubenzieher und dann mit einer Zange aus der Wand holen wollte, verschwand er und kam triumphierend mit so einer Art Hakenzieher wieder. Das “Tool” setzte er an und drehte mühelos mit einem Lächeln die Haken aus der Wand: “Siehst Du, geht doch viel einfacher”, sagte er nicht ohne Stolz, endlich mal eines seiner sonst jahrelang ungebrauchten Werkzeuge einsetzen zu können. Und andere Männer sammelten schließlich Briefmarken oder Modellautos, er stehe halt auf Werkzeug. Sicher freut er sich drauf, im neuen Haus die Haken wieder eindrehen zu können.
Wohin mit dem Müll?
Die wichtigsten “Events” in dieser Lebensphase waren die Abfuhrtermine von Sperrmüll, Elektroschrott und Wertstofftonne sowie Altkleidersammlungen.
Denn hat man sich schon mehr oder weniger schweren Herzens von allen möglichen Dingen und Erinnerungen getrennt, bleibt die große Frage, wohin damit? Einen Container aufzustellen erschien mir zu brachial und gegen die – heutzutage in aller Munde – Nachhaltigkeit. Dementsprechend hat es mich gefreut, wenn Passanten und Sammler noch Nützliches vor meiner Tür gefunden haben.
Freiheit!
„Und“, fragte ich nach dem Bericht meiner Freundin, „fühlst du dich jetzt leichter?“ „Befreit“, meinte sie, denn schließlich habe sie nun in Schränken und Regalen wieder viel Platz und Neues könne jetzt Einzug halten – im Haus und im Leben.
Vielleicht sollten wir alle mal häufiger ausmisten, nicht nur beim Umzug, dachte ich.
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