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Mittwoch, 13. November 2013

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Wieso der Konflikt vorprogrammiert war

Dossier Breitwiesen: Chronologie eines Streits

Darum gehts: Links in rot liegt das Gewann Breitwiesen. Hier soll Amazon ein riesiges Logistikzentrum planen. Rechts daneben liegt das Gewann Hammelsbrunnen, dessen Flächentausch der Gemeinderat am 19. Oktober 2011 beschlossen hatte. Bild: blogspot.breitwiesen.com

Darum gehts: Links in rot liegt das Gewann Breitwiesen. Hier soll Amazon ein riesiges Logistikzentrum planen. Rechts daneben liegt das Gewann Hammelsbrunnen, dessen Flächentausch der Gemeinderat am 19. Oktober 2011 beschlossen hatte. Bild: blogspot.breitwiesen.com

 

Weinheim, 17. März 2012. (red) Der Streit um das mögliche Gebiet Breitwiesen hat eine Vorgeschichte – wie jede Auseinandersetzung. Wir skizzieren die Eckdaten.

Die Bauern betonten auf der Veranstaltung der Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen“, dass Anfang der 50-er Jahre beschlossen worden sei, die Bauern aus dem Stadtgebiet auszusiedeln und ihnen vor der Stadt Ackerland als “Allmende” zur Verfügung zu stellen.

Die Bauern siedelten aus und beackern heute beispielsweise das Gebiet Breitwiesen, dass einen Bodenwert von 65-80 Prozent habe, also ein wertvolles Ackerland sei. Nun werde ihnen auch dieses genommen.

Was bisher geschah

Der Flächennutzungsplan sah 2004 das Gebiet Hammelsbrunnen als zu entwickelndes Gewerbegebiet vor, Breitwiesen war eine Option.

Am 4. Juli 2007 beschloss der ATU (ohne bindende Wirkung), dass die Verwaltung “auf einen Flächentausch der Gebiete Hammelsbrunnen und Breitwiesen hinwirken soll”. Der Regionalverband zeigte sich inhaltlich offen dafür, so die Verwaltung. Allerdings verlangte der Verband einen entsprechenden Beschluss als “eindeutige Willensbekundung”.

Danach geschah genau nichts. Bis zum Sommer 2011. Kurz vor der Sommerpause kam das Thema erneut auf. Im September sammelte die BI Unterschriften gegen die Ausweisung von Breitwiesen und übergab fast 2.000 Unterschriften an Oberbürgermeister Heiner Bernhard.

Der nahm sie entgegen, zeigte sich wenig beeindruckt und ließ den Flächentausch Breitwiesen gegen Hammelsbrunnen als Beschlussvorschlag auf die Tagesordnung der Gemeinderatsitzung vom 19. Oktober 2011 setzen.

Gemeinderat unter Druck

In dieser Sitzung machte er ordentlich Druck auf den Gemeinderat: Wenn man jetzt nicht entscheide, könne ein Tausch nicht mehr für den kommenden Flächennutzungsplan berücksichtigt werden. Und er betonte, es sei noch nichts entschieden.

Die GAL beantragte, den Beschluss zu vertagen, was abgelehnt worden ist. Die Mehrheit des Gemeinderats stimmte für den Flächentausch. Dieser Beschluss wurde am 05. November veröffentlicht und damit gültig.

Damit stieg die Empörung in der Bevölkerung und die BI sammelte in nur knapp fünf Wochen über 5.000 Unterschriften für ein kassatorisches Bürgerbegehren, von denen knapp 4.700 nach Überprüfung durch die Verwaltung als gültig angesehen werden. Notwendig wären nach den Vorschriften der Gemeindeordnung mindestens 2.500 Unterschriften gewesen – ein voller Erfolg also aus Sicht der BI und eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung. Am 30. November 2011 wurde das Bürgerbegehren fristgerecht innerhalb einer sechs-Wochen-Frist nach Beschluss eingereicht.

Die Stadtverwaltung ließ sich bis Januar Zeit mit der Stimmauszählung und beauftragte den Freiburger Rechtsanwalt Dr. Thomas Burmeister mit einem Gutachten, ob das Bürgerbegehren zulässig sei. Der Experte beschied: Nicht zulässig.

Die Bürgerinitiative beauftragte das Hamburger Rechtsanwaltsbüro Graf von Westphalen. Die kamen zur Auffassung: Zulässig.

Der Rechtsanwalt Burmeister prüfte das Gegengutachten und blieb bei seiner Meinung.

Stadtverwaltung und BI lieferten regelmäßig neue Stellungnahmen zur Sache. Die BI forderte Bürgerbeteiligung und setzte den Oberbürgermeister enorm unter Druck.

Hintergrund: Gerade die Bauern sind tendenziell eher konservative CDU-Wähler – auch in den Reihen der CDU-Stadträte nahm die Unsicherheit zu. Und die CDU-Stadträtin Susanne Tröscher ist eine der Stützen der BI. Die SPD sieht zwar Arbeitsplätze als Argument, eventuell dämmert aber dem ein oder anderen, dass die Partei sowohl bei der Landtagswahl als auch im Stimmungsbild aktuell nicht sehr gut dasteht, was Bürgernähe angeht. Die GAL, Linke und Weinheim Plus sind gegen den Tausch. Das ist keine sichere Basis im Gemeinderat für den OB.

OB unter Druck

Der überlegte sich, nun nicht nur von Bürgerbeteiligung zu sprechen, sondern aktiv zu werden und nahm Gespräche mit der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung der Universität Wuppertal auf. Professor Dr. Hans Lietzmann präsentierte vergangene Woche seinen Vorschlag eines gemischten Verfahrens aus öffentlichem Forum und nicht-öffentlichem Bürgerrat, um sich ein umfassendes Bild machen zu können.

Die Aktivisten der Bürgerinitiative haben zunächst eine ablehnende Haltung eingenommen und wollen sich darauf einlassen, wenn der Gemeinderat den Aufstellungsbeschluss aufhebt.

Das aber steht nicht auf der kommenden Tagesordnung: TOP 2 empfiehlt, dass der Gemeinderat das Bürgerbegehren für unzulässig erklären soll, man dann in die Bürgerbeteiligung gehe und danach über einen Bürgerentscheid nochmals entscheiden solle.

Aktuell sieht alles danach aus, dass der Streit weitergeht – und zwar vor Gericht.

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