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Sonntag, 10. November 2013

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Urteil im Verfahren gegen Weinheimer Vermieter

Sechs Jahre Haft wegen versuchten Mordes

Mannheim-Landgericht-002_610-2704

Der 56-jährige Hausverwalter hatte im Prozess immer wieder beteuert, dass er nicht die Absicht gehabt habe, jemanden zu töten oder zu verletzen. Seine Verteidiger plädierten auf eine Bewährungsstrafe. Das Gericht sah das anders und verurteilte ihn wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Haft.

 

Mannheim/Weinheim, 19. Juli 2013. (red/ld) Der Vermieter aus Weinheim, der im Januar dieses Jahres den Kamin seines Wohnhauses mit einem eigens dafür angefertigten Blech verschlossen hatte, ohne seine Mieter darüber zu informieren (wir berichteten), wurde heute Mittag zu sechs Jahren Haft wegen zweifachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Damit übertraf das Gericht die Forderungen der Staatsanwaltschaft deutlich. Die hatte eine Haftstrafe von vier Jahren beantragt. Die Verteidiger des Angeklagten hatten auf eine Bewährungsstrafe plädiert.

Von Lydia Dartsch

Er wolle nicht, dass jemand zu Schaden kommt, oder schlimmeres passiert, beteuert der Angeklagte nach den Plädoyers seiner Verteidiger Thomas Dominkovic und Günter Karl. Mit jedem Wort dieses Satzes fällt es ihm schwerer, zu sprechen. Dann bricht er in Tränen aus.

Haben Sie noch etwas dazu zu sagen?

fragt Richter Dr. Ulrich Meinerzhagen den Angeklagten. Doch dieser hat Mühe, sprechen, kämpft mit den Tränen:

Ich bring nichts mehr raus.

Die Gerichtsverhandlung wird unterbrochen. Eineinhalb Stunden später verkündete Richter Meinerzhagen das Urteil:

Sechs Jahre Haft wegen versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen und gefährlicher Körperverletzung, ebenfalls in zwei tateinheitlichen Fällen.

Strafmaß deutlich über dem Antrag der Staatsanwaltschaft

Das entsprach der Forderung der Nebenklage, vertreten durch Rechtsanwalt Uwe Edelmann und lag deutlich über dem Antrag von Oberstaatsanwalt Dr. Reinhard Hofmann. Der hatte vier Jahre Haft gefordert. Die Verteidiger des Angeklagten hatten sogar auf eine Bewährungsstrafe  unter zwei Jahren plädiert und beantragt, den Vorwurf des versuchten Mordes fallen zu lassen. Die Mordmerkmale – Heimtücke und Handeln aus niederen Beweggründen – sahen sie als nicht erfüllt. Ihr Mandant habe die Mieterinnen lediglich “ärgern” wollen, indem er sie dazu zwang, auf die Elektroheizungen umzusteigen.

Das Gericht entschied anders: Der Angeklagte sei sich über die Auswirkungen seines Handelns voll bewusst gewesen und habe billigend in Kauf genommen, dass seine Hausbewohner durch den Verschluss des Kamins hätten sterben können:

Wie der Angeklagte bereits am ersten Prozesstag gestanden hatte, hatte es bereits seit einigen Jahren Streit mit den Bewohnern seines Mietshauses gegeben. Die Kommunikation fand lediglich über Anwälte statt. Während es bereits seit einigen Jahren Elektroheizungen in den Wohnungen gab, heizten die Mieter dennoch mit den dort ebenfalls eingebauten Holzöfen – was für die Mieter günstiger war als die Stromheizung.

Mieter sollten zu höheren Nebenkosten gezwungen werden

Um sie dazu zu bringen, die Elektroheizung zu benutzen und ihnen dadurch höhere Nebenkosten zu verursachen, habe er Anfang Januar dieses Jahres den Beschluss gefasst den Kamin zu verschließen. Er hatte dafür extra ein Blech anfertigen lassen und am Vormittag des 14. Januar installiert, ohne die Bewohner zu informieren. Diese nutzten die Holzöfen weiter und bemerkten keine großen Veränderungen am Brennverhalten. Im Laufe des Tages war eine Bewohnerin von dem einströmenden Kohlenmonoxid eingeschlafen und hatte nach dem Aufwachen über Schwindel und Kopfschmerzen geklagt.

Als deren Tochter der Brandgeruch im Hausflur aufgefallen war, hatte die Mieterin ihre Nachbarin angesprochen. Bei der gemeinsamen Suche nach der Ursache hatten die beiden Frauen schließlich festgestelllt, dass aus der Tür im verschlossenen Dachgeschoss Rauch quoll. Sie riefen den Vermieter an, der die Anrufe jedoch auf einen Anrufbeantworter umgeleitet hatte. Die alarmierte Feuerwehr entdeckte schließlich nach der Öffnung des Geschosses das im Kamin installierte Blech, das sich nur mit Werkzeug entfernen ließ.

“Er wusste, dass jemand im Haus ist und hat nicht versucht, die Mieterin zu informieren”

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte gewusst hatte, wie man einen Kamin ordnungsgemäß verschließt. Bereits sechs Jahre zuvor hatte er einen anderen Kamin am selben Haus vorschriftsmäßig still gelegt. Er hatte zudem kurz vor der Tat mit dem zuständigen Schornsteinfeger über eine Kaminstillegung telefoniert.

In diesem Fall hatte er seine Mieter nicht über die Stilllegung des Kamins informiert und Sorge dafür getragen, dass sie ihn nicht erreichen konnten: Während des Einbaus des Blechs habe er mehrmals zu seinem Wagen und zuück ins Dachgeschoss gehen müssen und dabei die Haustür offen stehen lassen. Die Mieterin im Erdgeschoss hatte diese mehrfach geschlossen, so dass – so die Ansicht des Gerichts – der Angeklagte habe bemerken müssen, dass jemand anwesend war. Einen Versuch, die Mieterin anzusprechen, hatte er aber nicht unternommen. Auch hatte er mit der Rufumleitung auf einen Anrufbeantworter dafür gesorgt, dass die Bewohner ihn nicht erreichen konnten.

“Der Angeklagte wusste, dass er seine Mieter bis zu Tötung gefährdet”

Die Verteidiger des Angeklagten hatten argumentiert, dass ihr Mandant davon ausgegangen war, dass der Holzofen nach dem Verschluss des Kamins nicht mehr funktionieren konnte. Diese Erfahrung habe er bei seinem eigenen Kamin bereits gemacht. Das sah das Gericht anders: Der Angeklagte habe nicht davon ausgehen können, dass die drei Holzöfen in dem Mehrfamilienhaus nicht mehr funktionieren. Die Gegebenheiten seien vollkommen unterschiedlich gewesen.

Durch seine Kenntnisse aus dem Ingenieursstudium, seine guten Noten im Fach Thermodynamik und seine Zusatzausbildung zum Kfz-Mechaniker habe er gewusst, dass durch den Verschluss des Kamins eine luftarme Verbrennung von statten geht und Kohlenmonoxid frei wird, das geruch- und farblos im Haus verbreitet wird. Er habe auch von der Gefährlichkeit des Gases gewusst und – indem er die Mieter nicht informiert hatte – in Kauf genommen, dass sie durch das Kohlenmonoxid hätten getötet werden können. Das Argument der Verteidigung, dass der Sachverständige eine Tötungswahrscheinlichkeit von fünf Prozent ermittelt hatte, fiel bei dem Urteil nicht ins Gewicht.

Beide Mordmerkmale erfüllt

Aus der fehlenden Information an die Mieter leitete das Gericht das Mordmerkmal der Heimtücke ab: Die Opfer hatten sich in ihrer Wohnung – als persönlicher Raum – sicher gefühlt und konnten nicht verhindern, dass das giftige Kohlenmonoxid in ihre Wohnung strömte. Sie bemerkten es nicht und auch die Feuerwehr konnte keinen besonderen Geruch in den Wohnungen feststellen. Die Opfer waren damit arg- und wehrlos.

Die niederen Beweggründe bejahte das Gericht ebenfalls. Der Angeklagte hatte sich durch den seit Jahren schwelenden Streit mit den Mietern erniedrigt gefühlt und wollte sich durch den Zwang zu höheren Nebenkosten – indem fortan die Elektroheizungen hätten benutzt werden müssen – seine Überlegenheit als Hausbesitzer beweisen und seine Rolle als “Herr im Haus” geltend machen. Zudem stehe der Verschluss des Kamins und damit die wissentliche Gefährdung der Bewohner in keinem Verhältnis zu der Tatmotivation.

Hohe kriminelle Energie

Auf Mord steht zunächst eine lebenslängliche Freiheitsstrafe, auf versuchten Mord drei bis fünfzehn Jahre Haft. Beim Strafmaß kam dem Angeklagten zu Gute, dass er nicht vorbestraft ist. Er hatte sich von Beginn der Ermittlungen geständig gezeigt und die Opfer seien nicht längerfristig in ihrer körperlichen Gesundheit beeinträchtigt worden. Positiv wurde auch berücksichtigt, dass er sich während der Hauptverhandlung bei den Opfern entschuldigt hatte. Das sei nicht selbstverständlich und erfordere ein hohes Maß an Überwindung, sagte Richter Meinerzhagen.

Straferhöhend wurde dem Angeklagten zugemessen, dass er das Blech installiert hatte – also den Vorsatz vollendet hatte. Die Tatsache, dass es zwei Opfer gab und zwei Mordmerkmale erfüllt waren führten ebenfalls zu einer höheren Strafe. Außerdem zeuge die Tat von einer hohen kriminellen Energie: Während der zehn Tage zwischen dem Entschluss und der Durchführung hätte er Gelegenheit gehabt einzulenken, stattdessen habe er eine dritte, unbeteiligte Person – den Handwerker, bei dem er das Blech in Auftrag gegeben hatte – mit hineingezogen. Dieser mache sich nun Vorwürfe, weil er nicht gefragt hatte, wozu der Angeklagte das Blech braucht.

Verteidiger kündigt Revision an

Mit Fassung nahm der Angeklagte das Urteil und die anschließende Urteilsverkündung auf: Die Arme vor der Brust verschränkt und auf den Tisch gestützt. Den Blick nach unten gerichtet. Gegen das Urteil kann er binnen einer Woche Revision einlegen.

Diese werde er einlegen, sagte uns sein Veteidiger Thomas Dominkovic nach der Urteilsverkündung. Bis diese vor dem Bundesgerichtshof behandelt wird, könne es ein halbes Jahr dauern. Wird sie dort angenommen, dort behandelt oder zurückgewiesen, werde es ein weiteres halbes Jahr dauern.

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