Weinheim/Karlsruhe, 20. Dezember 2011. Die Stadt Weinheim hat eine “Stellungnahme” zum Bürgerbegehren Breitwiesen veröffentlicht. Aus der Sache wird langsam aber sicher eine “Causa” und der Oberbürgermeister bringt sich selbst in eine verzwickte Position, aus der er nur beschädigt hervorgehen kann, wenn er seine Haltung nicht verändert.
Kommentar: Hardy Prothmann
Laut, deutlicher und klarer hätte Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) es nicht formulieren können:
“In Sachen Breitwiesen ist noch nichts entschieden – wir stehen ganz am Anfang.”
So gesagt, gehört, wahrgenommen und von der Mehrheit im Gemeinderat geglaubt in der Sitzung vom Oktober. Also wurde ein Aufstellungsbeschluss zum Tausch der Flächen Hammelsbrunnen gegen Breitwiesen im Regionalplan beschlossen.
Wo nichts entschieden ist, kann man also noch Einfluss nehmen. Sollte man meinen. Dementsprechend hat sich eine Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” gebildet, das notwendige Quorum von 2.500 Unterschriften mit über 5.000 Unterschriften um mehr als das Doppelte erfüllt und die Listen fristgerecht abgegeben.
Soll eine Bürgerbeteiligung juristisch unterbunden werden?
Das Ziel: Im Gemeinderat soll über einen Bürgerentscheid beraten werden, so dass letztlich die Bürger über die Zukunft der Breitwiesen entscheiden. Ein absolut demokratisches, verfassungsgemäßes Verfahren also. Und ganz im Sinne der “trendigen” Bürgerbeteiligung.
Ganz gegen den Sinn einer Bürgerbeteiligung engagiert OB Bernhard erst einen Anwalt (Honorarkosten in unbekannter Höhe) und eilt zusätzlich zum Regierungspräsidium, um dort vorab klären zu lassen, ob das Bürgerbegehren zulässig ist. Seine Aussage, im Januar würde im Gemeinderat über das Thema beraten und entschieden, hat er vergessen und den Termin auf Februar verlegt.
Was ist hier los? Ganz sicher hat Herr Bernhard weder einen Anwalt eingeschaltet noch das Regierungspräsidium, um die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens feststellen zu lassen. Ganz sicher sucht er einen Weg, um einen Bürgerentscheid zu verhinden. Sehr “bürgerfreundlich” ist das nicht. Bürgerbeteiligung ist in der Causa Breitwiesen also überhaupt nicht erwünscht.
Warum diese Eile? Herr Bernhard hätte auch dem Verfahren seinen Lauf lassen können, den Gemeinderat einen Bürgerentscheid (oder auch nicht) entscheiden lassen und dann im Fall eines Zweifels sein Veto einlegen können. Dann hätte das Regierungspräsidium auch prüfen müssen. Die nächste Stufe wäre eine Klage von einer der beiden Seiten.
Wer andern eine Grube gräbt…
Ganz unabhängig davon gräbt sich Oberbürgermeister Bernhard aber gerade eine Grube mit drei Löchern und in eins wird er fallen, wenn er so weitermacht.
- Loch 1: Mit dem Aufstellungsbeschluss ist alles entschieden. Nichts steht am Anfang. Eine Einflussnahme ist nicht mehr möglich. OB Bernhard hat das gewusst und somit den Gemeinderat getäuscht, wenn nicht sogar belogen.
- Loch 2: Mit dem Aufstellungsbeschluss ist alles entschieden. Nichts steht am Anfang. Eine Einflussnahme ist nicht mehr möglich. OB Bernhard hat das nicht gewusst, somit den Gemeinderat auch nicht getäuscht oder belogen. Dann hat er “dummes Zeug gebabbelt” und verantwortungslos gehandelt.
- Loch 3: Um weder in Loch 1 noch Loch 2 zu fallen, versucht er, die Aufmerksamkeit abzulenken und das Regierungspräsidium in die Verantwortung zu nehmen. Weil aber alle, die sich mit dem Thema befassen, Loch 1 und Loch 2 schon inspiziert haben, wird er auch hier tief fallen.
Die einzige Chance, einen Bogen um den absehbaren Aufschlag zu machen, ist eine sofortige Abkehr seiner Aktivität.
OB Bernhard müsste die “Prüfungen” zurückziehen, den Gemeinderat eine Entscheidung treffen lassen und sofern ein Bürgerentscheid beschlossen wird, diesen durchführen lassen. Sollten sich die Bürger für den Flächentausch aussprechen, wäre er damit der bürgernahe “Bernie”.
Sollten sich die Bürger dagegen aussprechen, müsste er weiter passiv bleiben und warten, ob jemand diese Entscheidung anficht – dann hätte ein anderer den schwarzen Peter.
Auf Seiten der Bürgerinitiative sagt Elisabeth Kramer auf Anfrage:
Wir bedauern, dass nun erst im Februar beraten werden soll. Wir gehen davon aus, dass es keine nachteiligen Entwicklungen gibt oder gar durch die zeitlich spätere Beratung “Fakten” geschaffen werden könnten.
Das ist diplomatisch ausgedrückt und soll es auch sein. Es ist ein Zeichen, dass OB Bernhard zur Kenntnis nehmen kann oder auch nicht.
Entwickelt sich eine Causa Bernhard?
Sollte eine Entscheidung im Gemeinderat aus “in der Zwischenzeit eingetretenen Fakten” nicht mehr möglich sein, dann würde sich sicher ein viertes Loch aufmachen. Das wäre sehr tief. Ob OB Bernhard diese Fallhöhe bestehen könnte, ist mehr als fraglich.
Diese Fakten hat er schon geschaffen: Einige Stadträte bezweifeln mittlerweile ihre Entscheidung und beobachten die Sache mit größter Sorge und sicher auch mit Ärger. Vor allem jüngere, die sich nicht als Stimmvieh, sondern als souveräne Mandatsträger sehen. Vielleicht sollte Herr Bernhard seine künftigen Entscheidungen in Sachen Breitwiesen sehr sorgfältig abwägen bevor eine Causa Breitwiesen und daraus eine Causa Bernhard wird.
Dokumentation der Stellungnahme der Stadt Weinheim:
“Bei der Bewertung der rechtlichen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Breitwiesen ist die Stadt in dieser Woche in Kontakt mit dem Karlsruher Regierungspräsidium eingetreten, nachdem der von der Stadt beauftragte Rechtsanwalt seine Stellungnahme Ende letzter Woche vorgelegt hat.
Zwischen Stadt und Regierungspräsidium wurde abgestimmt, dass sich die Stadt wie auch das Regierungspräsidium frühestens nach der Prüfung durch das Regierungspräsidium öffentlich zur Frage der Rechtmäßigkeit des Bürgerbegehrens äußern werden. Dies ist der Bedeutung des Themas wie auch den zu behandelnden Rechtsfragen geschuldet.
Über die rechtliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, also die Frage, ob das vorgelegte Bürgerbegehren alle rechtlichen Voraussetzungen aus der Gemeindeordnung erfüllt, muss abschließend der Gemeinderat entscheiden. Aufgrund der aufwendigen Unterschriftenprüfung und der laufenden Abstimmung über die rechtlichen Fragestellungen wird der Gemeinderat mit der Thematik aller Voraussicht nach in der Februarsitzung befasst werden.”
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