auch mir, als Profi, ergeht es so, aber das ist genau der gleiche Ablauf wie vor einem Jahr beim Erdebeben in Haiti. Anfänglich ein paar bestätigte Zahlen, dann die Erkenntnis, es wird nicht dabei bleiben und dann überschlagen sich die Reaktionen/Meldungen.
Und es zeigt sich, es gibt im Medienkosmos nur das Hinterherhinken. Egal ob Print, TV oder Radio, es muss geschehen sein, bevor berichtet werden kann. Bezogen auf Japan kommt ein sprachliches Problem hinzu. Außerdem die anscheinend unzureichende Informationspolitik der dortigen Regierung. Aber die wird wohl ihre Schwierigkeiten haben, selbst an Infos zu kommen.
Hier setzt dann das eigentliche Thema ein, nämlich die Informationsbeschaffung von vor Ort. Ich möchte nicht wissen, wie das bei uns hier aussehen würde. Wer kann noch kommunizieren, wer hat Zugang zu Quellen und leitet das weiter?
Nehmen wir den Tagszeitungen den Mantel weg, dann offenbart sich tatsächlich eine völlig desorientierte Lage.
Das muss so nicht sein. Delegationen aus Belorussland, spontane Demos, das benachbarte AKW – sie bieten ganz eigene Sichtweisen, die interessant sein können. Wie wirkt sich das Unglück auf Fotohändler oder Autohäuser aus, steigen japanische Briefmarkensammlungen im Wert?
Orientierung kann hier eine Redaktion, können engagierte Journalisten bieten. Vorausgesetzt, sie sind grundsätzlich mit der Materie vertraut.
Gerade die Generation in den Redaktionen, die das Chaos nach Tschernobyl erlebt hat, wäre gefragt. Die hat aber leider verpennt, nämlich die vergangenen 25 Jahre, auf welchem Pulverfass wir saßen und sitzen. Nur zu gerne haben die (Lokal-) Redaktionen Bildchens und PR-Erzeugnisse unreflektiert gedruckt, sich ohne Recherche zu Gehilfen etabliert, die Werbegeschenke einsackten.
Das ist die brutale Realität der regionalen Berichterstattung, jedenfalls wie ich sie beobachtet habe, von Philippsburg bis ins schweizerische Leibstadt.
Journalisten sind nicht unbedingt die moralische Elite, aber sie hätten vielleicht das in sie gesetzte Vertrauen manchmal etwas ernster nehmen sollen. Eine eigene Meinung zu besitzen, das ist aber wohl häufig als Luxus empfunden worden. Entsprechend kommt das nun an, nämlich als haltlose Info-Orgie.
Einer der ersten Beiträge über die Folgen für Deutschland:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,750678,00.html
Einen schönen Tag wünscht
Das rheinneckarblog
Das was derzeit in den Medien abläuft hat schon Neil Postmann in seinem Klassiker “wir amüsieren uns zu Tode” 1986 geschrieben.
Eigentlich müßten bei uns derzeit alle Alarmglocken läuten:
1. Wir haben ca. 40km nördlich ein altes AKW in Biblis, das schon längst hätte abgeschaltet werden müssen. Wie sicher alte Systeme sind sehen wir derzeit, wo alle derzeitigen mehrfachen Sicherheitsketten total versagen.
2. Wir können noch nicht einmal erahnen was für eine volkswirtschaftliche Katastrophe auf uns zurollt, denn Japan benötigt nun viel Geld. Das bedeutet z.B. japanische Gelder werden am Kapitalmarkt abgezogen,
Folge steigende Zinsen,
Folge Investitonshemmnisse
Folge wenige Nachfrage, steigende Arbeitslosigkeit usw.
3. Wir können noch nicht erahnen, wie unsere weltweite Nahrungskette dadurch betroffen ist, da wir ja immer mehr Lebensmittel importieren (das ist ja dann so schön billig) und gleichzeitig hier die letzten heimischen Ackerböden versiegeln.
Das sind die fatalen Nachteile einer Globalisierung, die schon seit Jahren bekannt sind aber nicht öffenlich diskutiert werden. 5 Sekunden Erdbeben in Japan können eine globale Wirtschaft vehement treffen. Es zeigt, dass Globalisierung nicht alles ist.
Erfahren werden wir hierüber wie üblich ehe zu spät, weil die Katastrophenbilder gerade “en vogue” sind (uns aber in keinster Weise hier weiter helfen).
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