Dienstag, 06. Dezember 2011 (02:47 Uhr)

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Stuttgart 21: Auch die Bürger in Nordbaden entscheiden über “Kündigungsgesetz”


Guten Tag!
Rhein-Neckar, 08. November 2011. (red/cm) Am 27. November steht Baden-Württemberg erstmalig in der Landesgeschichte eine Volksabstimmung bevor. Das Thema könnte dabei nicht schwieriger sein. Es geht um “S21″. Einen milliardenschweren Bahnhof für Stuttgart (S21), der in den vergangenen Monaten abertausende Bürger auf die Straßen getrieben hat. Im Rahmen der Volksabstimmung wird nun deutlich werden, wie breit die Ablehnung oder Unterstützung für “S21″ ist – vor allem wird interessant sein, wie sich die Bürgerinnen und Bürger fernab von Stuttgart verhalten.

Von Christian Mühlbauer

Das monatelange Kräfteziehen um das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 (S21) lässt sich nur schwer knapp zusammenfassen – es ist ein komplexes Projekt, sechszehn Jahre ist es in der Entwicklung, seit über einem Jahr überschlagen sich die Entwicklungen.

Angefangen vom “schwarzen Donnerstag”, als die Polizei friedliche Bürger verprügelte bis hin zur Landtagswahl 2011, als es einen historischen Regierungswechsel gegeben hat, der ohne “Stuttgart 21″ kaum denkbar war.

Bei Befürwortern wie Gegnern gibt es einfach zu umfangreiche Facetten. Die wesentlichen Kernpunkte sind jedoch einfach nachvollziehbar.

Pro-Seite

Auf der einen Seite stehen die Schöpfer und Befürworter von Stuttgart 21, die aus dem obererdigen Kopfbahnhof einen unterirdischen Durchgangsbahnhof machen wollen.

Dieser soll – verteilt auf mehrere Ebenen – die Stadtentwicklung vorantreiben. Gemeint ist damit auch die Schaffung neuer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Möglichkeiten, die der Bahnhof im Zentrum Stuttgarts ermöglichen soll. Darüber hinaus wird aufgrund der Durchfahrtmöglichkeit eine Fahrzeitverkürzung mit ebenfalls daraus hervorgehenden Zunahmen bei den Bahnreisenden angenommen.

Contra-Seite

Die Projektgegner halte indes entgegen, dass das Mammut-Projekt eher schädlich für die Region ist. Die Bahnkunden würden durch den Bahnhof nichts gewinnen. Auch die angekündigte Fahrzeitverkürzung sei bestenfalls marginal. Aufgrund der größe des Bauprojektes finde zudem eine nicht akzeptierbare Beeinflussung der Umwelt vor.

Auch hinsichtlich der Baukosten des Projektes seien die Schätzung fernab der Realität, von der enormen Investitionslast, an der auch das Land Baden-Württemberg beteiligt ist, ganz zu schweigen. Insgesamt soll Stuttgart 21 über 4 Milliarden Euro kosten. Die Kritiker gehen von einem deutlich höheren Betrag aus.

Das erforderliche "Quorum" von 33 Prozent gilt als fast nicht erreichbar. Bildausschnitt: Wikipedia

Nachdem die Grünen in Baden-Württemberg im Zuge der Landtagswahlen und durch die Wahl ihres Koalitionspartners bemüht zeigten, gegen Stuttgart 21 vorzugehen, brachte man im September den entscheidenden Schritt auf den Weg.

Das Kündigungsgesetz

Mit Ausnahme der Grünen stimmten alle Parteien gegen das sogenannte Kündigungsgesetz , mit dem der Ausstieg des Landes aus der Finanzierung des Bahnhofsprojektes ermöglicht worden wäre. (Information der Landesregierung und Dokumentation des Entwurfs finden Sie hier.)

Ministerpräsident Kretschmann, Wissenschaftsministerin Bauer, Verkehrsminister Hermann und Justizminister Stickelberger bei der Regierungspressekonferenz am 26. Juli 2011 in Stuttgart. Quelle: Landesregierung

Aufgrund des Scheiterns des Gesetzes wurden die Grünen nun in die Lage versetzt, eine Volksabstimmung auf den Weg zu bringen. Es brauchte hierzu lediglich die Initiative von einem Drittel der Abgeordneten. Nach Ansicht des Verfassungsrechtlers Paul Kirchoff ist eine derartige Volksabstimmung jedoch rechtlich nicht möglich.

Nur wenig später wurde dann auch die Frage bekannt, mit der die Bürger im Rahmen der Volksabstimmung konfrontiert werden. Diese werden nämlich nicht etwa gefragt, ob sie für oder gegen Stuttgart 21 sind.

Vielmehr muss sich eine Volksabstimmung auf das gescheiterte Kündigungsgesetz beziehen. Deshalb werden die Bürger Baden-Württembergs am 27. November folgender Frage in den Wahlkabinen gegenüberstehen:

“Stimmen Sie der Gesetzesvorlage, Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21′ (S-21-Kündigungsgesetz) zu?”

Wer sein Kreuzchen bei “Nein” macht, erklärt damit, dass er gegen das “Kündigungsgesetz” ist, mit dem das Land aus den vertraglichen Vereinbarungen rund um das Bahnprojekt Stuttgart 21 aussteigen könnte.

Wer sein Kreuzchen hingegen bei “Ja” macht, spricht sich für das “Kündigungsgesetz” aus. Dies ebnet den Weg, damit das Land Baden-Württemberg aus dem Bahnprojekt aussteigen kann.

(Siehe auch unseren weiteren Bericht hier im Blog.)

Ungeachtet der möglichen Abstimmungsergebnisse bleibt indes jedoch fraglich, ob die Volksabstimmung überhaupt erfolgreich zustande kommt.

Damit dies geschieht, muss ein sogenanntes “Quorum” erreicht werden. Das bedeutet, dass ein Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung im Rahmen der Volksabstimmung ihre Stimme mit Ja abgeben müssen. Wenn dies nicht geschieht, entsteht kein Quorum, so dass auch die Volksabstimmung gescheitert wäre.

Laut der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg müssten etwa 2,5 Millionen Bürger zu den Wahlurnen gehen.

Um diesen Wert ins Verhältnis setzen zu können: Bei der Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg gingen rund 5 Millionen Bürger des Landes zur Wahl. Die Grünen erhielten rund 1,2 Millionen Stimmen.

Im Wahlkreis 29 Weinheim (für den wir durch unsere Lokalausgaben intensiv berichten), ist die Lage besonders interessant:

Der CDU-Landtagsabgeordnete Georg Wacker hatte zwar das Direktmandat gewonnen, aber nur mit deutlichen Verlusten. (siehe unseren Artikel zur Stimmenauszählung.)

Der grüne Abgeordnete Hans-Ulrich Sckerl (hier in unserem Video nach der Wahl) hingegen wurde zweiter und darf als “Gewinner” gelten, hat er doch deutliche Stimmungzuwächse auf sich vereinigen können.

Der SPD-Abgeordnete Gerhard Kleinböck wurde dritter, wie sein Konkurrent Wacker musste auch er Stimmeinbußen hinnehmen. Die FDP hat ihr Mandat verloren.

Der Wahlkreis gilt traditionell als konservativ, aber es ist viel Bewegung drin. Die Abstimmung wird also spannend.

(siehe auch unseren Kommentar: Grün-rot hat gewonnen – und zwar einen Haufen Probleme.)

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Stuttgart 21: Parteipositionen im Überblick


Guten Tag!
Heddesheim, 08. November 2011. (red/cm)) Stuttgart 21 kennt viele Gegner wie Befürworter. Die großen Volksparteien vertreten dabei mitunter höchst unterschiediche Ansichten. Wir haben in der nachfolgenden Übersicht die Parteipositionen zusammengefasst. Am 27. November 2011 wird in einer Volksabstimmung über das Schicksal der derzeitigen Planung entschieden.

Von Christian Mühlbauer

Die eigentliche Intention von “Stuttgart 21″ ist laut Befürwortern, die Entwicklung von Stuttgart, der umgebenden Region sowie des Landes Baden-Württemberg zu fördern. Hierzu wurde bereits 1995 im Rahmen einer “Machbarkeitsstudie” des Bahnprojektes der Grundstein gelegt.

Aus dem Kopfbahnhof soll ein sogenannter Durchgangsbahnhof werden. Die Reisezeiten für Bahnkunden sollen sich verkürzen. Durch die Verlegung des Durchgangsbahnhofs unter die Erde soll darüber hinaus Fläche oberhalb bereitgestellt werden, die der städtebaulichen Entwicklung zu Gute kommt.

Problematisch sind jedoch die enormen Baukosten sowie die Dimensionierung des Projektes. Kritiker gehen davon aus, dass die geschätzten Kosten bei weitem nicht ausreichend sind.

Im Oktober 2010 hat der derzeitige CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Hauk auf einer Parteiveranstaltung in Hirschberg an der Bergstraße sogar behauptet, es “es kann Baden-Württemberg wurscht sein, ob Stuttgart 21 zehn oder fünfzehn Milliarden Euro kostet“. Derzeit ist die Zahl 4,4 Milliarden im Umlauf, nachdem es ursprünglich unter zwei Milliarden kosten sollte.

Der Spiegel berichtete aktuell, dass der frühere Baden-Württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU), bereits 2009 über höhere Kosten Bescheid wusste, dies allerdings der Öffentlichkeit verschwiegen hat:

“Nach Informationen des SPIEGEL hatten Landesbeamte aus Baden-Württemberg auf Grundlage von Bahn-Unterlagen Gesamtkosten von mindestens 4,9 Milliarden Euro kalkuliert. Für wahrscheinlicher hielten sie sogar einen Endbetrag von bis zu 6,5 Milliarden.”

Und weiter:

“Der damalige Ministerpräsident und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) verbat sich daraufhin weitere Berechnungen: “Auf Wunsch des Herrn MP”, so heißt es in dem Vermerk, solle derzeit von einer “neuen Kostenberechnung abgesehen werden”. Entsprechende Zahlen seien “in der Öffentlichkeit schwer kommunizierbar”, schrieben Oettingers Beamte.”

Darüber hinaus ergeben sich zahlreiche weiteren umwelttechnischen Probleme. Auch die vorgebrachte Reisezeitverkürzung wird von Kritikern als kaum erwähnenswert angesehen.

Ob Stuttgart, das Umland sowie Baden-Württemberg selbst von diesem Bahnprojekt also letztendlich profitieren könnten oder damit nur ein Milliarden-Grab schaufeln, obliegt der individuellen Abwägung aller Argumente durch jeden Einzelnen.

Bündnis 90 / Die Grünen:

Die Grünen sind seit Beginn des Bauvorhabens Stuttgart 21 gegen das Projekt. Als das Landesparlament im Jahr 2006 einen Entschließungsantrag für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm fasste, standen bei der Abstimmung lediglich die Stimmen der Grünen gegen das Bauvorhaben.

Die Partei nutzte das Bauprojekt sowie die dazu anhaltenden Proteste geschickt im Landtagswahlkampf 2011. Nicht zuletzt aufgrund dieses Engagements gelang den Grünen bei der Landtagswahl 2011 ein großer Sieg, bei dem die Partei über 12 Prozent mehr Stimmen einfahren konnte.

Gemeinsam mit dem Koalitionspartner SPD stellen die Grünen den Baden-Württembergischen Ministerpräsidenten. Der Koalitionspartner der Grünen vertritt jedoch keine ablehnende Haltung zu Stuttgart 21.

SPD:

Die SPD vertritt ebenso wie die beiden weiteren Parteien im Landesparlament die Ansicht, dass Stuttgart 21 ein erforderliches und wünschenswertes Bauvorhaben ist.

Man hat sich dennoch mit den Grünen als Koalitionspartner zusammengetan. Das Thema Stuttgart 21 ist ein zentraler Bestandteil des Koalitionsvertrages. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Claus Schmiedel erklärte Ende Oktober gegenüber der FAZ, dass er eine Veränderung des Koalitionsvertrages wünsche.

Darin sollen sich die Grünen verpflichten, von ihrer ablehnenden Haltung zu Stuttgart 21 abzuweichen, wenn die Volksabstimmung scheitern sollte.

Sollte die Volksabstimmung das Ende von Stuttgart 21 einläuten, will wiederum die SPD ihre befürwortende Haltung aufgeben und sich dem Volkswillen beugen.

CDU & FDP:

Die beiden letzten Vertreter im Landesparlament Baden-Württemberg vertreten seit jeher wie auch die SPD die Ansicht, dass Stuttgart 21 ein wichtiges Bauprojekt ist.- Die ersten Schritte zu diesem Projekt wurden unter einer CDU-Landesregierung gegangen, weshalb die bedingungslose Befürwortung nicht verwunderlich ist.

Das eingebrachte “S21-Kündigungsgesetz”, welches einen Rückzug des Landes aus dem Bauprojekt ermöglichen würde, wurde von der SPD sowie der CDU und FDP abgelehnt.

Stadtentwicklungsplan Stuttgart 21. Klicken Sie auf die Grafik, um zum Wikipedia-Eintrag zu gelangen. Quelle: Wikipedia, Stoeffler

Stuttgart 21 – Bedeutung für Baden-Württemberg

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Volksabstimmung zu Stuttgart 21: Wenn Ja Nein und Nein Ja bedeutet – der Abstimmungszettel im Detail


Guten Tag!

Heddesheim, 08. November 2011. (red) Am 27. November können alle Wahlberechtigten Bürger Baden-Württembergs über das “Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21″ abstimmen. Es gibt nur zwei Antwortmöglichkeiten. Für oder gegen das Gesetz. Im nachfolgenden möchten wir den Stimmzettel kurz anhand einer Animation erläutern.

Von Christian Mühlbauer

“Stimmen Sie der Gesetzesvorlage ‘Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21 (S21-Kündigungsgesetz)’ zu?

Wer am 27. November im Zuge der Volksabstimmung zur Wahl geht, wird sich dieser Frage gegenübersehen. Die Antwortmöglichkeiten sind dabei klar gefasst: Ja oder Nein.

Klingt einfach – ist es aber nicht, denn Ja bedeutet Nein zu Stuttgart 21 und Nein bedeutet Ja zu Stuttgart 21.

Abstimmung – Ja? Nein?

Wer sein Kreuz bei Ja macht, stimmt dafür, dass das “S21-Kündigungsgesetz” auf den Weg gebracht wird. Ein Ja-Votum ist also eine Stimme gegen Stuttgart 21.

Wer sein Kreuz bei Nein macht, stimmt gegen das “S21-Kündigungsgesetz”. Ein Nein-Votum ist also eine Stimme für Stuttgart 21.

Ungeachtet des Votums ist es notwendig, dass im Rahmen der Volksabstimmung ein Quorum erreicht wird. Das bedeutet, dass mindestens ein Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung mit Ja abstimmen müssen. Das sind laut Angaben des Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg etwa 2,5 Millionen Menschen. Ist dies nicht der Fall, kommt es zum “unechten Scheitern”, weil das “Quorum” nicht erfüllt worden ist.

Ob dies erreicht werden kann, ist indes offen. Zum Vergleich: Bei der Landtagswahl 2011 erhielten die Grünen “nur” 1,2 Millionen Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei knapp über 5 Millionen Wählern.

Unser animierter Stimmzettel zeigt, wie es geht:

Der Stimmzettel zur Volksabstimmung über Stuttgart 21