Weinheim, 22. Mai 2012. (red) Am Wochenende haben sich wieder Corps-Studenten des Weinheimer Senioren-Convents (WSC) aus ganz Deutschland auf der Wachenburg getroffen, um zu tagen. Am Samstagabend führten die “farbentragenden” und “schlagenden” Verbindungsstudenten einen Fackellauf durch. Im aktuellen Imagefilm der Stadt tauchen sie auch in einer kurzen Sequenz auf, was für viel Empörung gesorgt hat.
Kommentar: Hardy Prothmann
Sie legen viel Wert darauf, nicht verwechselt zu werden: Corps sind zwar Studentenverbindungen, aber sie distanzieren sich zumindest ein Bisschen von den Burschenschaften, von denen manche im Verband Deutsche Burschenschaft eindeutig rechtsextreme Positionen haben.
Der Weinheimer Senioren-Convent vereinigt als Dachverband rund 60 “Korporationen” mit über 1.000 aktiven Studenten und rund 8.000 “alten Herren”, wie sich die Verbindungsstudenten nach dem Eintritt ins Berufsleben nennen.
Mensur als “unverzichtbare Herausforderung”
Die Corps sind “pflichtschlagend”. Das heißt, man muss neben verschiedenen “Voraussetzungen” Mensuren fechten. Dabei stehen sich die “Schläger” mit Schutzkleidung gegenüber und fechten mit einem Säbel aus fester Position. Man nennt das auch “Pauken”. In früheren Zeiten gab es einige Todesfälle, mittlerweile ist die Gefahr einer tödlichen Verletzung durch Regeln und Schutzkleidung gering.
Der WSC schreibt auf seiner Homepage:
Dieses Fechten mit scharfen Waffen kann zu Verletzungen führen, kann aber auch vollkommen ohne Blessuren ausgehen. Die Mensur stellt für den jungen Menschen eine große Herausforderung dar. Aus diesem Grund wollen die Corps auf gar keinen Fall darauf verzichten.
Durch die Treffer mit der Klinge können Platz- oder Schnittwunden beim Gegner erzeugt werden – der so genannte “Schmiss”. Verbindungsstudenten “tragen” ihn als Erkennungszeichen oft voller Stolz, soll er doch ihren “Mut” zum Kampf bezeugen.
Im Kern sind viele Studentenverbindungen etwas, dass kein anderes Land so institutionalisiert hat wie Deutschland: Eine Vereinigung, also ein Verein. Viele sind aber nicht eingetragen (so auch der WSC) und müssen keine demokratischen Spielregeln zwingend beachten.
Hierarchischer Elitedünkel
Tatsächlich stehen die Studentenverbindungen aber schon seit ihrem Aufkommen in der Kritik, weil sie einem hierarischen Standeswesen anhängen. Die meisten Verbindungen verweigern Frauen die Aufnahme, auch Zivildienstleistende sind überwiegend ausgeschlossen. Auch haben Saufgelage, das sogenannte “Kneipen”, den Ruf der Verbindungen nicht gerade verbessert.
Rechtsextreme Verbindungen sind nur vereinzelt vor allem bei den Burschaften zu finden. Insgesamt ist ein rechtskonservatives Hierarchiedenken aber sehr ausgeprägt. Klar positionierte Ablehnungen der Corps gegen die Burschenschaften fehlen leider. Dafür gibt es aber viele Versuche, das Image zu verbessern.
In Mannheim beispielsweise hat sich 2010 eine Modefirma “ProPatria” gegründet, die das Motto “Pauken mit Stil” führt. Der Firmengründer ließ sich bereits mehrfach von rechten Publikationen interviewen und will patriotisch-konservative Kunden finden.
Verklärtes Geschichtsverständnis
Gerade Verbindungen wie der WSC versuchen gezielt, die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit positiv zu beeinflussen. Besonders viel Wert wird auf einzelne Widerstandskämpfer gelegt, die im 3. Reich verfolgt oder sogar getötet worden sind. Die Hitler-Diktatur lehnte die Verbindungen überwiegend ab – aber nicht wegen eines vorhandenen demokratischen Geistes, sondern wegen des bis heute ausgeprägten Elitedenkens, das mit der “nationalsozialistischen Elite” kaum vereinbar war.
Was auch selten deutlich hervorgehoben wird, ist dass diese Studentenverbindungen seit ihrem Aufkommen vor rund 200 Jahren immer wieder verboten wurden. Wenn, dann angeblich wegen ihres “demokratischen” Geistes, doch das ist Geschichtsklitterung.
Gleichzeitig rühmen die Verbindungen Wehrmachtsoffiziere “aus den eigenen Reihen” und zeigen damit ein durchaus “verklärtes” Geschichtsverständnis und einen deutlichen Pro-Militarismus.
Perfide Einvernahme
Besonders perfide ist die Einvernahme von bekannten Persönlichkeiten durch den WSC, beispielsweise Heinrich Heine als Beispiel eines Verbindungsstudenten aus “Kunst und Kultur”. Dass Heine sich zunächst interessierte, aber kein Jahr Mitglied in einer Verbindung war, wegen vermutlich antisemitischer Gründe ausgeschlossen wurde und sich später angewidert vom Verbindungswesen abgewandt hatte, wird nur beiläufig und unangemessen erwähnt.
Auszug aus “Deutschland, ein Wintermärchen”, Kapitel 17
Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr,
Die altdeutschen Narren verdarben
Mir schon in der Burschenschaft die Lust
An den schwarzrotgoldnen Farben.
Viele Studentenverbindungen “alten Schlags” verlieren zunehmend Nachwuchs, weil das deutschtümelnde Brauchtum und das Elitengehabe nicht mehr zieht und früher durchaus vielversprechende Vorteile durch günstige Zimmer oder eine Versorgung auf dem “Haus” heute durch andere Angebote übertroffen werden. Andere Studentenverbindungen, beispielsweise konfessionelle, verzeichnen hingegen teils Zuwächse, weil man sich dadurch eine bessere Vermittlung ins Arbeitsleben erhofft.
Gut fürs Image?
Ob eine Bildungsstadt wie Weinheim tatsächlich solch altvordere Gebilde wie schlagende Studentenverbindungen als Teil des eigenen Images befördern sollte, ist durchaus umstritten. Unsere Leserinnen und Leser lehnten dies klar ab, während sich Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) gerne mit Corps-Studenten fotografieren lässt.
Es gibt sicher auch Menschen, die uniformierte und mit Säbeln bewaffnete, bekappte, angeschickerte Studenten beim Fackelzug für irgendwie “romantisch” halten – ebenso wie die Wachenburg, die aber ganz unromantisch zwischen 1907 und 1928 von den Verbindungen als “Vereinshaus” gebaut worden ist und ganz sicher keinen “alten traditionellen” Ort darstellt.
Und selbst wenn die Mensur erlaubt ist, bei der sich zwei junge Männer mit Säbeln auf den Kopf zu hauen versuchen, wie der Rechtsprofessor Björn Burkhardt im Interview mit dem Weinheimblog feststellt, so kann man durchaus Zweifel haben, dass erstens der Charakter sich mit Schmissen formen lässt und zweitens ein gutes Image dabei rauskommt.
Nicht umsonst ist es mit dem Image der Studentenverbindungen seit 200 Jahren nicht weit her.
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