Weinheim, 23. September 2013. (red) Es ist entschieden: Breitwiesen bleibt Acker. 13.144 Weinheimer/innen stimmten für den Erhalt, das entspricht 38,33 Prozent. Für den Tausch stimmten 9748 Weinheimer/innen, was 28,43 Prozent entspricht. 33,24 Prozent beteiligten sich nicht. Welche Konsequenzen dieser eindeutigen Bürgerstimme hat ist noch unklar. Vor allem wie souverän Oberbürgermeister Heiner Bernhard damit wird umgehen können. Ein Kommentar.
Von Hardy Prothmann
Was für eine Schlappe. Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) hat glatt verloren.
Eigentlich muss der seinen Hut nehmen, so wie der sich aufgeführt hat,
höre ich mehrmals gestern Abend. Muss er das? Darüber kann man geteilter Meinung sein.
Freude und Erschöpfung
Im Diebsloch feiern gut gelaunte BI-Mitglieder ihren Sieg. Sie haben es geschafft. Das Ringen war so zäh und kräfteraubend. Alle haben glänzende Augen, sie singen und machen Stimmung, um dann wieder in sich zu gehen. Was haben sie seit zwei Jahren nicht alles erlebt? Dann wird wieder gelacht. Und so weiter. Sie schwanken zwischen Erschöpfung und Freude.
Diese BI ist eine besondere Gruppe: Naturschützer, Stadträt/innen aus CDU, Grüne, Linke und Weinheim Plus sind darunter, sogar FDP-Mitglieder, Landwirte und viele Bürger/innen. Was für eine Allianz – im normalen politischen Leben kaum vorstellbar.
Oder ist das Weinheim? Eine Stadt, in der Menschen über Parteigrenzen hinweg zusammenkommen können? Und sehr, sehr hart für ihre Position arbeiten? Sich über Gebühr engagieren – tatsächlich vollkommen ehrenamtlich – wow, was für eine tolle Stadt mit tollen Menschen.
Wie stolz muss man eigentlich als oberster Repräsentant über solche Bürger/innen sein? Verdammt stolz, würde ich meinen. Heiner Bernhard wird das zumindest heute Abend anders sehen.
Kunterbunte BI
Im Vergleich zu Heddesheim ist die BI anders. Die IG-Nein-zu-Pfenning bestand überwiegend aus Geschäftsleuten, denen man Eigennutz unterstellen konnte. Das trifft auf die allermeisten der BI nicht zu. Welchen persönlichen Nutzen könnten Mitglieder haben? Es gibt welche – die Landwirte. Denen würde ihm wahrsten Sinne des Wortes wieder eine Grundlage entzogen worden. Aber ein Karl Bär und vor allem der stimmgewaltige Fritz Pfrang ist als “ehrliche Haut” ein Sympathieträger. Was er sagt, passt. Wie macht er das?
Horche Se Mol. Wenn ich auf dem Traktor in der Natur langfahre, habe ich Zeit zu denken. Und wenn mir was gescheites einfällt, notier ich mir das.
Dann leuchten die Augen und er teilt seine Gedanken und lächelt. Es ist tatsächlich erstaunlich wie viel Aufrichtigkeit dieser Mann ausstrahlt. Gekrümmt wie er durch eine Erkrankung ist.
Dagegen stand ein Heiner Bernhard, zuletzt vollkommen “abgenervt” von allem und aufbrausend, der sich nicht zu schade war, seine Mitarbeiter zu instrumentalisieren und sich im Gemeinderat zum Thema bis zum Flegelhaften zu präsentieren. An anderer Stelle auch als großartiger Apokalypse-Darsteller mit jesushaften Zügen: Ich leide für Euch.
Klare Befangenheiten
Das Leiden geht für den Oberbürgermeister weiter. Er hat angekündigt, dass er Hammelsbrunnen bebauen wird. Er? Wieder setzt er sich über den Gemeinderat hinweg. Weil ihm da eine Mehrheit blind folgt, hat er genau da jetzt ein großes Problem. Denn viele der Mehrheit haben sich als Hammelsbrunnen-Schützer geoutet. Kein Gewerbe am Krankenhaus. Will Bernhard jetzt den Terminator geben und alles in Beton gießen?
Angefangen bei Dr. Torsten Fetzner. Der ist erklärter Hammelsbrunnen-Schützer. Ebenso die CDU. Bei der SPD weiß man das wie immer nicht so genau. Die müssen sich künftig allesamt als befangen erklären, weil sie sich eindeutig geäußert haben. Wer sich politisch erklärt, den Hammelsbrunnen schützen zu wollen, der kann darauf nichts bauen. Punkt. Wer sich “gezwungen” fühlen sollte, kann auch Konsequenzen ziehen und gehen. Die Gewissensentscheidung würde respektiert werden.
Damit bin ich wieder beim Anfang. Muss Heiner Bernhard gehen?
Ich finde nein. Heiner Bernhard ist zwar mit einem ultraschlechten Ergebnis in seine zweite Amtszeit gewählt worden. Das und der aktuelle Bürgerentscheid sollten ihm zu denken geben. Mühle und Puff kann er mit einbeziehen. Er hat eine Chance verdient.
Roter Kopf vs. Obermeister aller Bürger/innen
Ich finde, Heiner Bernhard hat für sich selbst eine grandiose Chance. Er kann einen roten Kopf bekommen, mit dem er nach dem Ergebnis des Bürgerentscheids gesehen worden ist – er kann aber auch in sich gehen und hat hoffentlich gute Berater, die ihn unterstützen – und ein Obermeister aller Bürger werden.
Tatsächlich muss man seinen roten Kopf fürchten. Heiner Bernhard neigt zum Wüten. Und wenn er jetzt nicht wütend wird, dann irgendwann in der nächsten Zeit.
Denn soviel ist klar. Die BI-Mitglieder sind für sich bis an die Schmerzgrenze gegangen. Sie wollen durchatmen, befürchten aber eine Fortsetzung der Auseinandersetzung. Wird der Oberbürgermeister alles versuchen, um in dieser Wahlperiode nach Fakten zu schaffen? Das wird die BI wieder auf den Plan rufen.
Oder schafft es Heiner Bernhard als Oberbürgermeister, einfach einzulenken?
Jemand, der ihn lange kennt, erzählt:
Der Hoiner, der ist verlieren nicht gewohnt. Ich tippe, dass er abgeht.
Das wäre schade für “Hoiner”. Schade für Heiner Bernhard. Und schade für das Amt des Oberbürgermeisters einer solch überraschenden Stadt.
Sollte Heiner Bernhard “abgehen” – dann sollte er lieber gleich ganz gehen.
Ich bin gespannt auf die weitere Entwicklung. Gelingt es Heiner Bernhard, Größe als Verlierer zu zeigen oder verliert er noch mehr an Größe?
Auf der Feier der BI hätte er viele Menschen treffen können, die froh waren. Glücklich. Und seinen Respekt zeigen können. Und umgekehrt Respekt zu erhalten. Wo Heiner Bernhard heute Abend gefeiert hat? Ist so unbekannt wie die informellen Netzwerke, die die Menschen nicht mehr wollen.
Anmerkung der Redaktion:
Wir haben in den vergangenen Monaten vermehrt Zugriffe auf frühere “Pfenning”-Artikel im Heddesheimblog.de feststellen können. Die Menschen informieren sich. Nicht die Masse. Aber Menschen, die sich interessieren und Informationen weitertragen. “Pfenning” wurde mehrmals von vielen in Weinheim in der Debatte genannt – kritische Berichte dazu gibt es fast nur bei uns.
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