Weinheim, 25. Januar 2013. (red/pro) Am 27. Februar wird der Gemeinderat für einen Bürgerentscheid in Sachen Breitwiesen stimmen. Tut er das nicht, wird er sich politisch diskreditieren. Damit keine Spielchen getrieben werden können, sollten sich Stadträte wie der SPD-Politiker Wolfgang Metzeltin erst gar keine Gedanken über eine geheime Abstimmung machen. Das Thema ist zu weit fortgeschritten, als dass man sich starre Positionen noch erlauben könnte.
Von Hardy Prothmann
Die Sache ist rund. Es gibt eine Fragestellung, die mehrheitsfähig ist:
Sind Sie dafür, dass im Bereich ‚Breitwiesen’ die Ausweisung von Gewerbeflächen unterbleibt, das heißt, dass die bisherige Ausweisung von Gewerbeflächen im Gebiet ‚Hammelsbrunnen’ erhalten bleibt?
Diese Frage können die Bürger eindeutig mit Ja oder Nein beantworten. Ja bedeutet, Breitwiesen ist vom Tisch und Hammelsbrunnen bleibt ausgewiesenes Gewerbegebiet. Nein bedeutet, Hammelsbrunnen bleibt wie es ist und Breitwiesen wird eine mögliche Entwicklungsfläche, so wie die Mehrheit des Gemeinderats dies bereits im Oktober 2011 mit der Änderung des Flächennutzungsplans entschieden hat.
Heftiger Schlagabtausch
Gegen diese Entscheidung hat die Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” (BI Breitwiesen) fast 5.063 Stimmen gesammelt, von denen rund 4.700 nach Prüfung durch die Stadt gültig waren. 2.500 Stimmen hätte die BI Breitwiesen benötigt, um einen Bürgerentscheid zu beantragen.
Oberbürgermeister Heiner Bernhard, die Breitwiesen-Befürworter und -Gegner lieferten sich in der Folge mit Pressemitteilungen, Stellungnahmen und Debatten einen heftigen Schlagabtausch. Der OB hielt einen Bürgerentscheid allein aus rechtlichen Gründen für unzulässig, weil das Baugesetz einen solchen gegen eine Bauleitplanung ausschließt. Und auch Flächennutzungspläne sind Teil der Bauleitplanung. Die BI Breitwiesen ist anderer Meinung – eine juristische Klärung wäre ein Präzedenzfall geworden.
Angesichts der enormen politischen Debatte und Aufmerksamkeit hat der OB seine Haltung verändert und über ein gut 40.000 Euro teures Bürgerdialog-Verfahren die Pro- und Kontra-Argumente durch Bürger/innen erarbeiten lassen. Auch diese Ergebnisse zeigen, dass es gute Argumente für beide Positionen gibt. Heiner Bernhard hatte zuletzt im September 2012 in der Gemeinderatssitzung als erster Verfechter für einen Bürgerentscheid geworben. Ob ganz freiwillig aus Überzeugung oder der Einsicht, dass eine andere Haltung nicht mehr tragfähig ist, sei dahingestellt.
Entscheidung bringt Ruhe
Er hat – und das ist seine große Leistung – entgegen seiner Überzeugung für die Entwicklung von Breitwiesen klar erkannt, dass es nicht mehr allein um die Frage Breitwiesen vs. Hammelsbrunnen geht, sondern um den politischen Frieden in der Stadt. Das unterscheidet ihn deutlich von anderen, wie dem Heddesheimer Bürgermeister Michael Kessler und der dortigen Gemeinderatsmehrheit, die bei der Entwicklung von Pfenning wenig auf den Dorffrieden gaben und die Stimmung im Ort nachhaltig vergiftet haben.
Die Gemeinderatsmehrheit in Weinheim hat im September 2012 einen Bürgerentscheid abgelehnt. Der SPD-Fraktionschef Wolfgang Metzeltin wollte dies sogar in geheimer Abstimmung erreichen. Dieser Antrag wurde nicht mitgetragen. Sollten Herr Metzeltin oder jemand anderes wieder einen Antrag auf geheime Abstimmung stellen, kann man nur hoffen, dass diese Vertreter “nicht-öffentlicher” Entscheidungen wieder verlieren.
Insgesamt 30 Mitglieder des Gemeinderats haben sich per persönlicher Unterschrift für eine erneute Behandlung des Themas vor Ablauf einer vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Frist von sechs Monaten ausgesprochen. Das entspricht der notwendigen zwei-Drittel-Mehrheit, um einen Bürgerentscheid durch den Gemeinderat auf den Weg zu bringen. Die BI Breitwiesen ist mit der Fragestellung auch einverstanden. Es wäre nahezu absurd, wenn der Bürgerentscheid erneut behandelt und erneut abgelehnt werden würde. Das wäre dann nur noch ein Kasperletheater und der Gemeinderat hätte sich nachhaltig diskreditiert – was er in Zügen schon hat.
Bürger entscheiden
Jetzt besteht die Gelegenheit, sich klar für einen Bürgerentscheid auszusprechen und ein Signal zu setzen, dass über die Entscheidung Breitwiesen vs. Hammelsbrunnen hinausgeht: Über dieses Instrument direkter Demokratie die entscheiden zu lassen, die es angeht, nämlich die Bürger/innen.
Die Bayern machen uns Baden-Württembergern vor, wie das geht. Dort kann man gegen Bauleitplanung Bürgerentscheide organisieren und so gut wie jedes größere Bauprojekt, mindestens aber jedes umstrittene, wird dort auch per Bürgerentscheid angenommen oder abgelehnt. Nach den Entscheidungen, die überwiegend für die Bauleitplanungen ausgehen, herrscht wieder Friede, so wie sich das für gute demokratische Gesellschaften gehört.
Weinheim und Bayern verbinden nicht nur die weiß-blauen Rauten im Wappen, sondern hoffentlich auch derselbe demokratische Geist. Wer behauptet, ein so komplexes Thema könne man nicht mit einem Ja oder Nein beantworten, ist, mit Verlaub, ein Dummschwätzer.
Es gibt aktuell in der Stadt kein Thema, zu dem mehr abgewogen worden ist, als zu dieser Frage. Und eine Entscheidung wird am Ende immer mit einem Ja oder einem Nein entschieden. Die Gegner und Befürworter werden bis zum Bürgerentscheid für ihre Positionen werben.
Das wird nochmal ein harter Kampf für beide Seiten werden. Die Befürworter werden die aus ihrer Sicht “bessere” wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit von Breitwiesen in den Vordergrund stellen. Wenn die Gegner clever sind, werden sie die ebenfalls gegebene wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeit von Hammelsbrunnen nicht verneinen. Es gibt einige, die wollen weder das eine, noch das andere Gebiet entwickelt sehen. Doch das muss klar sein: Es wird eindeutig über die Option entschieden, nicht darüber, ob tatsächlich auch entwickelt wird – auch wenn man davon ausgehen kann. Klar ist auch: Wer für Breitwiesen stimmt, vergrößert die Wahrscheinlichkeit einer gewerblichen Entwicklung, da die Fläche sehr viel einfacher zu überplanen ist und sicher auch sehr viel einfacher zu vermarkten.
Unterm Strich sollten alle Beteiligten etwas gelernt haben: Die Stadtverwaltung, dass man nicht mehr im husch-husch-Verfahren solche weitreichenden Verfahren durchziehen kann, sondern frühzeitig informiert, Pläne konkretisiert und im Dialog mit den Bürger/innen gestaltet. Die Bürger sollten gelernt haben, dass “Fakten” nicht plötzlich entstehen und man sich kontinuierlich mit der eigenen Gemeinde befassen muss, wenn man diese mitgestalten möchte. Und der Gemeinderat, dass man repräsentativ gewählt ist, was vor allem heißt, dass man allen Bürger/innen der Stadt verpflichtet ist und nicht nur einzelnen Interessen.
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Die nächste Frage wird sein, wann entschieden wird. Der Termin liegt auf der Hand: Ende September zur Bundestagswahl. Das reduziert die Kosten und bringt eine hohe Beteiligung, und damit eine bessere “Eindeutigkeit”. Ein solch später Termin wird die Befürworter stärken, weil die BI Breitwiesen einen sehr langen Atem braucht, bis endlich entschieden sein wird, was schon längst hätte entschieden sein können, wäre der Gemeinderat bislang als Souverän davon überzeugt gewesen, dass der eigentliche Souverän das Volk ist.
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