Weinheim/Rhein-Neckar, 28. April 2013. (red) Sulzbach kommt nicht zur Ruhe – seit geraumer Zeit hat die rechtsextreme NPD sich den Weinheimer Vorort ausgewählt, um hier Zusammenkünfte abzuhalten. Vom 20.-21. April hielt die NPD hier ihren Bundesparteitag ab, angeblich gab es schon vorher Treffen im Schwarzen Ochsen, heute Abend fand ein “Veteranentreffen” mit 80 Personen statt.
Von Hardy Prothmann
Die Polizeimeldung informiert sehr sachlich:
Die Gaststätte im Ortsteil Sulzbach, in der vergangenes Wochenende der Bundesparteitag der NPD durchgeführt wurde, geriet am Sonntagmittag erneut in den Focus der Polizei. Anwohner hatten festgestellt, dass sich Personen, die dem rechten Spektrum zuzuordnen waren in der Gaststätte trafen.
Sulzbach als Zentrum für Nazi-Veranstaltungen?
Doch das Treffen ist eine gezielte Provokation. Nach verschiedenen Medienberichten, darunter den Weinheimer Nachrichten, soll der Wirt des Schwarzen Ochsen Geldnöte haben. Deshalb habe er an die NPD vermietet. Das scheint ein gutes Geschäft zu werden – dem Vernehmen nach soll es schon vor dem Bundesparteitag der NPD hier rechte Treffen gegeben haben und nur eine Woche nach dem vermutlich größten Aufregerthema, das Sulzbach seit Jahrzehnten hatte, kommen wieder 80 Anhänger der rechtsextremen Partei zu einem “Veteranentreffen” in den Schwarzen Ochsen. Mitten in den Ort.
Thema: “Zeitzeugen der Divison Wiking sprechen”. Dabei handelt es sich um die 5. SS-Panzerdivision, die für Kriegsverbrechen verantwortlich ist, wie sich laut Wikipedia nachlesen lässt:
Im Zuge des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 ermordeten Angehörige der Division mehrere Hundert Juden. So wird die Division unter anderem für das Massaker im zwischen Ternopil und Lwiw gelegenen Zborow am 11. Juli 1941 verantwortlich gemacht, bei dem 600 jüdische Einwohner als Vergeltung für „sowjetische Grausamkeiten“ ermordet wurden.
Aufmerksame Anwohner bemerken äußerlich auffällige Personen und informieren besorgt die Polizei. Als diese am frühen Abend eintrifft, sind viele der Teilnehmer schon weg. Mehrere Streifenwagen und Polizisten in zivil erkunden die Lage, halten nach verfassungsfeindlichen Aktivitäten Ausschau. Es lässt sich nichts mehr feststellen. Es gibt Personenkontrollen. Man bemerkt, dass es einige Fahrzeuge mit “auswärtigen” Nummernschildern gibt. Wir erfahren, dass viele aus dem Saarland und der Pfalz angereist sein müssen.
Der braune Ochse
Organisator dürfte wieder einmal Jan Jaeschke sein, der NPD-Kreisvorsitzende, der seit kurzem auch im Landesvorstand der rechtsextremen Partei ist. Irgendwann guckt er aus der Einfahrt des Schwarzen Ochsen, der im Ort längst “Brauner Ochse” heißt.
Provokation im Ortschaftsrat
Erst am Donnerstag hatte der Ortschaftsrat einstimmig eine Resolution beschlossen, dass man alles versuchen wolle, um Nazi-Veranstaltungen im Ort zu verhindern. In den Reihen der Zuschauer saßen Jan Jaeschke und zwei andere Männer, die die “Muskeln spielen ließen”. Aggressiver Ausdruck, kurzärmelige T-Shirts, angespannte Muskeln. Die Botschaft war klar: Wir nutzen Eure demokratischen Spielregeln und Ihr müsst das ertragen, egal, wie Ihr das findet. Drei Tage nach der Resolution nun also ein “Veteranentreffen”.
Errichtet die NPD ein Zentrum in Sulzbach?
Im Ort heißt es auch, die NPD plane, den Schwarzen Ochsen zu kaufen, womöglich als NPD-Zentrum auszubauen. Ein Kauf ist zwar angesichts der Finanzlage der NPD wenig wahrscheinlich – was aber, wenn die NPD zumindest bis zur Bundestagswahl den Wirt finanziell soweit über Wasser hält, dass er bis Ende September durchkommt?
Denn ohne die NPD darf der Schwarze Ochse kaum noch auf Kundschaft hoffen – alle demokratisch-gesinnten Bürger/innen in Sulzbach und Umgebung werden den Gasthof meiden, alle, denen das eigentlich egal ist, werden sich keine Probleme einhandeln wollen und auch wegbleiben.
“Idealer” Standort
Der Standort ist ideal. Über die Autobahnen und die B3 kann man den Schwarzen Ochsen gut erreichen, es gibt eine passable Nahverkehrsanbindung und angesichts der Lage an der B3 sind “Proteste” von Bürgern oder Aktivisten kaum möglich. Und wenn, wird die Polizei entsprechend absperren – der “Sulzbacher Kessel” mit rund 700 Beamten ist schon ein feststehender Ausdruck bei der Polizei.
Die Nazis haben also Platz und Ruhe in Sulzbach – notfalls durch die Polizei geschützt, die heute Abend wieder mit mehreren Streifen und Zivilbeamten vor Ort war. Ein zusätzlicher Einsatz, der an der Personalsituation der Polizei zerrt. Klar ist aber auch, dass die Polizei sehr bemüht ist, Konfrontationen zu vermeiden.
Wie lange bleibt das braune Problem?
Dabei sind ihr die Hände gebunden – private Veranstaltungen in privaten Räumlichkeiten lassen sich nur äußerst schwer verbieten. Klar, man kann kontrollieren, ob es verfassungsfeindliche Handlungen gibt, aber das ist immer ein einsatztechnischer und möglicherweise auch juristischer Spagat.
Als wir vor Ort sind, erhält mindestens ein angetrunkener junger Mann aus Weinheim einen Platzverweis. Er stellt sich provokativ an die Ampel vor dem Schwarzen Ochsen in Sichtweite zu den Polizeibeamten. Seine zwei Kumpels ebenfalls. Zwischendrin grölt er, die Presse solle zu ihm kommen, um “die Wahrheit zu erfahren”.
Sulzbach scheint mitten im Ort ein braunes Problem zu haben, dass sich eventuell nicht so schnell auflöst, wie viele hoffen. Resolutionen sind ein moralischer Appell – wenn der aber an der Provokationsfreude anderer scheitet, eben nur moralisch von Wert. Faktisch scheint die NPD entschlossen, Sulzbach zum braunen Zentrum in Nordbaden zu machen – wenn es das nicht schon längst seit geraumer Zeit war und die Öffentlichkeit erst jetzt davon erfährt.
Übrigens lädt der Schwarze Ochse zur Feier in den 1. Mai ein - vor einem Jahr demonstrierten damals 300 NPD-ler in Mannheim.
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