Weinheim, 07. Dezember 2012. (red/aw) Die Strompreiserhöhungen sind derzeit in aller Munde. Das Bündnis 90/Die Grünen wollten zu dem Thema die Bürgerinnen und Bürger von Weinheim informieren. Das Interesse der Bevölkerung war gering. Informiert und diskutiert wurde trotzdem, wenn auch in kleiner Runde und hauptsächlich innerparteilich.
Von Alexandra Weichbrodt
Da hatte man wohl mit dem Termin “Pech”, mutmaßte der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Uli Sckerl am Dienstagabend. In anderen Kommunen sorge dieses Thema für volle Säle. Vielleicht lag es an der späten Uhrzeit, dass sich um 20 Uhr gerade einmal zehn Personen im Alten Rathaus in Weinheim eingefunden haben. Der Weinheimer Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen hatte eingeladen, um über die, ihrer Meinung nach, wahren Hintergründe der Strompreiserhöhung zu informieren.
“Der Kunde wird in die Irre geführt”
Im Durchschnitt müssen Privathaushalte 2013 rund 13 Prozent mehr bezahlen. Glaubt man dem Landtagsabgeordneten Uli Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen), wird im Zusammenhang mit der Diskussion um die Strompreiserhöhung mit falschen Karten gespielt:
Da sind Feinde der Energiewende am Werk.
Demnach sei nicht die Energiewende Schuld an der Erhöhung, sondern zu einem Großteil die Gier von Staat, Wirtschaft und Industrie. Diese seien nämlich zu einem Großteil die Profiteure der Erhöhung von 3,59 Cent/kWh auf etwa 5,3 Cent/kWh.
Dass diese jetzt dem Ausbau der erneuerbaren Energien den schwarzen Peter zuschieben, will Sckerl nicht tolerieren. Mit einer regelrechten Kampagne versuche man die Energiewende zu “torpedieren”. Der Stromkunde werde bewusst in die Irre geführt, während sich Energieversorger sowie Bundesregierung Mehreinnahmen sichern und Industriebetriebe, aufgrund von internationalen Wettbewerbsbedingungen von ihren Energiekosten befreit werden.
Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif
Das wissen auch die Grünen. Die 14 Milliarden Euro EEG-Umlage, die derzeit mit einem Kostenfaktor von etwa 3,6 Cent/kWh auf die Stromverbraucher umgelegt werden, halten sie für “vertretbar”. Schon aus “ökonomischen Gründen, muss die Energiewende vorangetrieben werden, da Ressourcen durch Verknappung auf lange Sicht deutlich teurer werden”, sagte Sckerl.
Die Erhöhung allerdings sei nicht gerecht und schon gar nicht transparent. Laut der Grünen, setzt sich die Preiserhöhung aus vier Hauptfaktoren zusammen. Neben steigender Netzentgelte und einem eventuellen Anteil an der Offshore-Haftungsregel, sind es vor allem die Entlastungen für Unternehmen, die der normale Stromverbraucher mitträgt.
Auch der Weinheimer Solar-Unternehmer Carsten Brinkmeier vertritt die Meinung, dass die anstehende Preiserhöhung nur wenig mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zu tun hat:
Nur 27,87 Prozent der realen 100 Prozent Preiserhöhung gehen auf die EEG-Umlage zurück.
Der Rest seien Zusatzgewinne der Energieversorger und zusätzliche Steuereinnahmen des Staates. Der momentan stattfindende Kampf mit “teuren” Argumenten gegen die Energiewende, sei gezielt dazu da, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
Strom nur ein Drittel der eigentlichen Energiekosten für Verbraucher
Den größten Anteil an der Erhöhung trägt die steigende EEG-Umlage. Von 1,7 Prozent Strompreiserhöhung, die ihr geschuldet sind, kommen 1,1 Prozent aufgrund von Befreiungen der Industrie. Diese werden auf “normale” Verbraucher umgelegt.
Zu den befreiten Unternehmen gehören beispielsweise die Wiesenhof Geflügel GmbH, die Bayrische Milchindustrie, aber auch die Kölner Verkehrsbetriebe. Das Argument des internationalen Wettbewerbs greift für die Grünen bei einer Vielzahl der befreiten Unternehmen nicht. Die Grünen fordern eine transparentere Analyse der Kostensteigerungsursache sowie eine anschließende faire Verteilung der Kosten zwischen Staat, Wirtschaft und Verbraucher.
Carsten Brinkmeier versucht den Anwesenden noch einmal deutlich zu machen, dass Strom nicht der Hauptfaktor für steigende Energiekosten ist. Im Vergleich zu Heizöl und Benzin sei der Preis in den letzten Jahren noch verhältnismäßig moderat gestiegen:
Die Erhöhung bei Heizöl und Benzin wird in diesem Zusammenhang totgeschwiegen.
Immer sei nur von EEG die Rede. Für den Verbraucher sei der Strom noch der einzige Energiefaktor, den man im Haushalt beeinflussen könne. Etwa durch eigenständige Stromgewinnung. Eine gute Möglichkeit seien nach wie vor Photovoltaik-Anlagen.
Carsten Brinkmeier ist Experte in Sachen Solartechnik. Der Weinheimer Geschäftsmann ist der Meinung, dass die Zukunft in der Gewinnung eigener Stromreserven liegt. Da sei man nach wie vor auf einem guten Weg:
Die Förderung von Photovoltaik-Anlagen brauchen wir aber nicht mehr.
Viel wichtiger sei es jetzt in Pufferanlagen zu investieren und eine unabhängige Stromversorgung der Normalverbraucher zu gewährleisten. Dieses alternative Modell kommt trotz alldem ja aber nur für einen Teil der Bevölkerung in Frage. Wer zur Miete wohnt, hat hier schon wieder deutlich schlechtere Karten.
“Diskussion einfrieren, ist der bessere Kompromiss”
Alternativen also, die nicht für alle sind. Nicht zuletzt deshalb hält Uli Sckerl das jetzige System für sehr ungerecht und “absolut abgezockt.” Er sieht kein Licht am Ende des Tunnels, solange die Regierungsspitze dieselbe bleibt. Das Thema werde jetzt ausgesessen bis “nach der Wahl”, weil man auf einen Regierungswechsel hoffe.
Jede Maßnahme, die die Regierung im Moment treffen würde, würde das Erneuerbare-Energien-Gesetz verschlechtern.
Bei den jetzigen Machtverhältnissen sei es besser, man friere die Diskussion ein. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum nur so wenige Interessierte zum Informationsabend kamen. Wenn selbst die Berufspolitiker das Thema aussitzen, was soll sich dann der Normalbürger damit rumärgern?
Die Erhöhung ist beschlossene Sache. Ab Januar muss mehr gezahlt werden. Dann wollen auch die Grünen erneut zum Thema informieren. Mit der Mehrbelastung in der Haushaltskasse zeigt dann vielleicht auch die Bevölkerung größeres Interesse.
Bis dahin bleibt zu hoffen, dass das Bündnis 90/Die Grünen ihren Kampf für die Energiewende nicht nur auf vorübergehend auf Eis legen, sondern ihn auch rechtzeitig wiederbeleben.
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