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Donnerstag, 29. August 2013

Kritischer Blick auf die Vaterlandsliebe in Zeiten der EM

Sind Sie noch Patriot? Oder schon Nationalist?

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Stolz auf die Fahne? Aufs Vaterland? Patriot? Oder schon Nationalist?

 

Rhein-Neckar, 20. Juni 2012. (red/pro) Fiebern Sie mit der deutschen Nationalelf mit? Reden Sie von Deutschland, Spanien, England, Italien und den anderen Ländern als seien dort alle gleich? Verbinden Sie mit “die Italiener”, “die Griechen”, “die…” irgendwelche “Charaktereigenschaften”? Erhöhen Sie Deutschland oder Ihre eigene Nation gegenüber gegenüber anderen Ländern? Dann wird es Zeit, darüber nachzudenken, ob Sie noch ein Patriot oder schon ein Nationalist sind. Und ob “Demokrat” nicht eine brauchbare Alternative wäre.

Von Hardy Prothmann

Im Gegensatz zu den Tageszeitungen finden Sie bei uns immer wieder Hinweise auf andere Medien – manchmal, weil diese sehr gut berichten oder sehr schlecht, manchmal, weil sie etwas berichten, was wir für unsere Leserschaft interessant finden.

Heute empfehlen wir Ihnen ausdrücklich ein sehr interessantes Stück von Nikolas Westerhoff in der Süddeutschen Zeitung: “Weltoffene Demokraten – eine aussterbende Spezies“. Es liest sich, als wäre der Text aktuell zur EM und dem damit verbundenen “Nationalstolz” geschrieben. Der Artikel erschien aber schon vor fünf Jahren – ist aber vermutlich zeitlos.

Patriot vs. Nationalist?

In einer umfangreichen Darstellung stellt der Kollege wissenschaftliche Untersuchungen vor, die den vermeintlich positiven Begriff des “Patrioten” in Frage stellen. Vielmehr deuten die Untersuchungen darauf hin, dass eine Unterscheidung in den guten Patrioten versus dem schlechten Nationalisten nicht möglich ist:

Doch eine solche Zweiteilung der Menschen in Patrioten und Nationalisten ist politisch motiviert – sie dient dazu, Patriotismus als wünschenswerte Eigenschaft propagieren zu können. Eine empirische Basis für den Unterschied zwischen Vorzeige- und Schmuddelbürgern gibt es jedoch nicht, wie neueste Untersuchungen zeigen (Wilhelm Heitmeyer: Deutsche Zustände, Folge 5. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2007).

Ab- und Ausgrenzung liegen wohl tief im Menschen verankert und politische Haltungen werden durch Vorbilder, Erziehung un d Wissen vermittelt. Positiv wie negativ.

Stolz ein was auch immer zu sein?

In Zeiten des Nationalstolzes, die besonders deutlich bei Europa- oder Weltmeisterschaften populärer Sportarten wie Fußball auftreten, sollte man sich selbst mal prüfen. Fühlt man sich als Deutscher, Italiener, Spanier, Türke als “mehr wert” gegenüber anderen Nationen? Ist man besonders stolz aufs eigene Land? Warum? Auf was? Was hat man davon? Was nützt es, den eigenen Staat zu überhöhen? Gibt es einen Status quo oder ist alles im Fluß?

Auf dem Weinheimblog hatten wir vor kurzem über schlagende Verbindungen berichtet, die Corps, die sich einmal im Jahr in Weinheim treffen und sich als “Patrioten” bezeichnen und ihre Vaterlandsliebe sehr hoch halten. Sie grenzen sich gleichzeitig vordergründig von Nationalisten ab. Können Sie das tatsächlich angesichts der vielen wissenschaftlichen Studien oder lügen sie sich was in die Tasche.

Ich zum Beispiel würde nie sagen, dass ich stolz bin, ein Deutscher zu sein. Ich bin stolz auf meine eigene Leistung und achte die anderer – egal welcher Nation. Und ich drücke mein Missfallen aus, wenn ich mit etwas nicht einverstanden bin. Egal ob im eigenen Land oder im Ausland. Egal ob gegenüber Deutschen oder Ausländern.

Tatsächlich bin ich sehr froh, in diesem Land zu leben. Denn Deutschland ist eine stabile und wehrhafte Demokratie und durch die gelebte Ordnung ein Land, in dem man überwiegend sicher leben, Chancen verwirklichen kann und in dem vor allem eines möglich ist: Eine eigene Meinung zu haben.

Andere Länder – andere Vorbilder

Ich habe viele Länder bereits, deren Vorzüge, aber auch Nachteile kennengelernt. Deswegen bin ich ingesamt sehr zufrieden mit meinem Heimatland – obwohl es immer wieder Dinge gibt, die man ändern, verbessern oder abschaffen oder neu schaffen muss.

Wenn mich im Ausland jemand fragt, wo ich herkomme, sage ich “Pfalz”. Denn das ist meine unmittelbare Heimt. Dann sage ich Deutschland. Und manchmal erzähle ich, dass ich ein “Exil-Ossi” bin. Meine Eltern stammen aus Rostock und Dresden, ich bin in Ludwigshafen geboren und in der Pfalz aufgewachsen. Heute lebe ich in Nordbaden.

Ich fühle mich als Deutscher nicht durch Fußballer vertreten. Es kränkt nicht mehr Ehre, wenn die deutsche Mannschaft verliert oder schlecht spielt. Es hat keinen Einfluss auf meine Meinung oder meine demokratische Überzeugung gar mein Selbstbewusstsein. Bislang spielt die deutsche Elf gut und ich verfolge gespannt jedes Spiel, weil es mich “unterhält”.

Und großen Respekt zolle ich der spanischen Mannschaft, die insgesamt sehr stark spielt und vor allem sehr fair – ich wäre froh, wenn sich andere daran orientieren würden. Denn das verdient Respekt.

 

"Ent"täuschende "Berichterstattung"

Geprothmannt: Bagatell- vs. Kollateralschaden

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Bleiben am Ende nur noch Trümmer? Journalismus war mal ein angesehener Beruf - heute ist das Image beschädigt. Archivbild

 

Mannheim/Viernheim/Rhein-Neckar, 18. Juni 2012. (red) Es gibt einen Brand, die Feuerwehr löscht diesen schnell. Der Schaden bleibt eigentlich überschaubar und doch nicht. Das “Opfer” ist das “Scheck In-Center” in Viernheim. Aber es kommt noch ein weiteres hinzu, dass mit allem gar nichts zu tun hat: Die Bevölkerung. Der Schadensverursacher: Journalisten. Der Schaden: Glaubwürdigkeitsverlust in unbekanntem Ausmaß.

Von Hardy Prothmann

Der Ruf von Journalisten ist nicht der beste. Vollkommen zurecht. Sie fragen sich jetzt, wieso ein Journalist dem eigenen Berufsstand ein schlechts Zeugnis ausstellt? Die Antwort ist ganz einfach: Nur wenn man sich nach vorne verteidigt, kann man hoffen, weitere Schäden zu verhindern. Das ist durchaus egoistisch gedacht. Denn ich und meine Mitarbeiter achten sehr auf bestmögliche Qualität unserer Informationen – egal, ob wir über leichte Themen wie Feste und Aktivitäten berichten oder über anspruchsvolle wie Kultur und Wirtschaft oder Politik und Sport.

Ganz klar machen auch seriöse Journalisten Fehler. Wenn diese passieren, sollten die Leserinnen und Leser aber darüber informiert werden. Doch das tun die meisten Medien nicht. Auch klar: Wenn wir einen Rechtschreibfehler entdecken oder auf Fehler hingewiesen werden, verbessern wir den auch ohne eine Korrekturmeldung, wenn es sich um eine Bagatelle handelt. Berichte mit kapitalen Fehlern legen wir in der Kategorie “Korrektur” ab, damit Leserinnen und Leser sofort und ohne lange Suche eine zunächst fehlerhafte Berichterstattung sowie die Korrektur finden können. Auf dem Heddesheimblog sind dort seit dem Start vor drei Jahren “nur” acht von über 2.500 Berichten als fehlerhaft gekennzeichnet. Wir ärgern uns über jeden Fehler und haben diese korrigiert.

Falscher Eindruck vermittelt

Der Mannheimer Morgen hat aktuell über einen Brand im Viernheimer Scheck In-Center “berichtet”. Der “Bericht” ist mit dem Kürzel “bhr” gekennzeichnet. Der unbedarfte Leser denkt jetzt: “Ok, jemand, dessen Namen mit bhr abgekürzt wird, war vor Ort oder nach sich zumindest telefonisch oder auf anderem Weg die Informationen besorgt, geprüft und dann seinen Bericht verfasst.” Doch dieser naheliegende Gedanke ist in diesem Fall und leider viel zu oft ein Fehler. Denn kein Journalist des MM war vor Ort und es wurde auch sonst nichts recherchiert.

Tatsächlich wurde also keine “journalistische Leistung” erbracht. Durch das geschickte Setzen von An- und Abführungszeichen liest sich der Text, als habe “bhr” mit dem Pressesprecher der Feuerwehr Viernheim gesprochen, denn er zitiert ihn ja “wörtlich”. Tatsächlich ist dieser Eindruck aber eine Täuschung. Auf Nachfrage bestätigte uns der Pressesprecher Andreas Schmidt, dass er mit niemandem vom MM in dieser Sache gesprochen hat:

Die haben automatisch eine email mit dem Pressetext bekommen, wie alle Redaktionen, die das wollen.

Ist die Nachricht aber falsch? Ja und nein. Sie erweckt den falschen Eindruck, als habe der Journalist mit dem Pressesprecher gesprochen. Und sie erweckt den Eindruck, der Journalist habe selbständig recherchiert und den Bericht selbst verfasst. Die Fakten sind aus Sicht der Feuerwehr sicher zutreffend. Die Mutmaßung über die Schadenshöhe ist es nicht.

Die Originalmeldung der Feuerwehr. Quelle: FFW Viernheim

 

Die geguttenbergte Version im Mannheimer Morgen. Quelle: SHM


Geguttenbergter Journalismus ist Betrug am Leser

Diese Form “journalistischer” Arbeit ist gängig in vielen Redaktionen: Bei Zeitungen, Magazinen, im Radio und Fernsehen und im Internet. Man nimmt frei zugängliche Informationen, “etikettiert” sie ein wenig um und schon hat man einen “eigenen” redaktionellen Bericht. Das ist und bleibt Betrug am Leser.

Sie fragen sich, warum das passiert? Warum andere Redaktionen so verfahren? Warum es nicht alle ehrlich und transparent wie wir mit unseren Blogs berichten? Fragen Sie die Redaktion Ihres Vertrauens. Ich versichere Ihnen, man wird Sie nicht sonderlich ernst nehmen. Erst, wenn Sie das Abo kündigen wollen.

Wir tun das, was eigentlich eigentlich selbstverständlich sein sollte. Wir benennen nämlich immer deutlich die Quelle, wie auch in diesem Fall ist der Text mit “Information der Feuerwehr Viernheim” klar gekennzeichnet worden. Das hat mehrere Gründe. Der wichtigste: Wir respektieren die Arbeit von anderen. Wir schmücken uns nicht mit “fremden Federn”. Der nächste Grund ist: Wo bei uns “Redaktion” draufsteht, ist auch Redaktion drin. Dafür sind wir verantwortlich. Und ein ebenfalls sehr wichtiger Grund ist: Wir können nur dafür einstehen, was wir selbst recherchiert haben. Wir wollen uns weder fremde Inhalte aneignen, noch darin enthaltene Fehler.

Der Einsatzbericht der Feuerwehr beispielsweise ist überwiegend korrekt – hat aber den Eindruck eines großen Schadens hinterlassen. Viele Kunden blieben heute deswegen dem Markt fern. Wir haben die Meldung ebenso gebracht, waren aber bis 14:00 Uhr das einzige Medium, das einen Reporter vor Ort hatte, um sich ein Bild zu machen und haben danach umgehend berichtet, dass es für Kunden keine Einschränkungen gibt und der Schaden eher überschaubar ist.

Außerdem konnten wir recherchieren, dass in diesem Fall wohl eine “Klarstellung” in der morgigen Ausgabe der Zeitung folgen soll – man darf gespannt sein. Denn die Scheck In-Läden gehören zur Edeka-Gruppe. Und dort ist man “not amused” über den scheinbar redaktionellen Bericht im Mannheimer Morgen. Die Edeka selbst ist ein sehr großer Kunde der Zeitung und dürfte pro Jahr Anzeigen im Wert von einigen Millionen Euro bei der Zeitung schalten. Ich versichere Ihnen, dass man bei der Zeitung in diesem Fall den Ärger sehr ernst nimmt. Aber nicht, weil man “journalistisch” besser oder wenigstens “korrekt” arbeiten will, sondern um den Umsatz nicht zu gefährden.

Bagatell- vs. Kollateralschaden

Nach dem Brand ist im Scheck In – anders als im Feuerwehrbericht gemutmaßt – nur ein “Bagatellschaden” entstanden. Dieser Schaden wurde unnötig durch Umsatzausfälle für das Unternehmen vergrößert. Der große Kollateralschaden entsteht aber durch den alltäglichen Guttenberg-Journalismus, bei dem nach Lust und Laune geklaut und abgekupfert, umetikettiert und abgeschrieben wird. Sie halten diesen “Fall” für eine Bagatelle? Ist er nicht, weil er nur ein Beispiel für eine systematische Täuschung vieler Mediennutzer ist. (Haben Sie die “Jogi”-Fälschung bei der EM mitbekommen? Das ZDF zeigte eine “Live-Berichterstattung”, in die Aufnahmen hineingeschnitten wurden, die vor dem Spiel, also nicht “live” entstanden sind. Das hat zu heftiger Kritik geführt. FAZ: “Die Regie spielt falsch“)

Einen Brandschaden kann man beseitigen – eine beschädigte Glaubwürdigkeit ist nur schwer wieder zu bereinigen.

Darunter leiden aber nicht nur die Schummler, sondern auch alle, die sich größte Mühe geben, einen herausragende oder zumindest ehrlichen Journalismus zu bieten. Leider tun das immer weniger und der für die Gesellschaft und Demokratie so wichtige Journalismus verliert weiter an Ansehen. Da können sich Politiker und Journalisten die Hand geben – aber es gibt auch in der Politik “anständige” Leute.

Die Leserinnen und Leser können ebenso wie Unternehmen aber deutlich machen, ob sie Qualität wollen oder nicht.

Bei einer Wahl macht macht das mit einer Stimme. Im Markt hat man auch Macht: Minderwertige Produkte kann man abbestellen oder muss sie nicht kaufen. Und Werbung kann man im glaubwürdigen Umfeld schalten, wo sie auch am besten wirkt.

Weitere Informationen:

Wie aus einer gemeindlichen Pressemitteilung ein Redakteursbericht wird, lesen Sie hier: “Ist der Mannheimer Morgen ein Sanierungsfall?

Wie die RNZ einen PR-Text eines Politikers zu einem Redakteursbericht macht, lesen Sie hier: “Nachgefragt: Wie wird aus einer politischen PR-Meldung ein redaktioneller Text in der RNZ?

In Sachen Guttenberg war die mediale Empörung groß. Dabei sind viele Medien selbst sehr erfahren in Plagiaten. “Plagiator-Formel: Dreist, dreister, Journalist – wie Tageszeitungen tagtäglich “bescheißen

Ein unabhängiger Reporter berichtet über eine SPD-Hauptversammlung. Weit gefehlt. Der Reporter ist selbst Mitglied im Ortsverein. “Was von der Berichterstattung der RNZ unter dem Kürzel “stu” zu halten ist

Auch wir machen Fehler – und reagieren angemessen: “Urheberrecht vermutlich missachtet

 

Anm. d. Red.: Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Freiwillige Feuerwehr wird ausdrücklich nicht kritisiert. Die hat wie so oft ihren Job gemacht und einen größeren Schaden verhindert.

Heftige Kritik selbst aus Regierungskreisen

Teppich-Affäre: Heidelberger Bundestagsabgeordneter Niebel ein Schmuggler?

Der Heidelberger FDP-Politiker macht schon wieder negative Schlagzeilen - als möglicher Teppichschmuggler. Foto: Niebel 2010 bei einer Veranstaltung in Hirschberg

 

Heidelberg/Rhein-Neckar, 10. Mai 2012. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel soll möglicherweise Steuern hinterzogen haben, weil er einen in Afghanistan privat gekauften Teppich über eine Regierungsmaschine hat einfliegen lassen und diese Einfuhr nicht beim Zoll angemeldet hat. Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft nun, ob ein strafbares Verhalten voliegt.

Von Hardy Prothmann

Dirk Niebel (Wahlkreis Heidelberg-Weinheim) macht mal wieder Schlagzeilen – wie üblich negative. Er ist verdächtig, einen privat gekauften Teppich am Zoll vorbei geschmuggelt zu haben. Gegenüber Medien erklärte er, damit habe er die lokale Wirtschaft fördern wollen. Ganz “Entwicklungsminister” also?

Nein – ein zynischer Typ, dem jede billige Erklärung recht ist, um sein unwürdiges und unangemessenes Verhalten zu rechtfertigen. Wieder einmal missbraucht er sein Amt und andere Politiker kritisieren zu recht, dass jemand, der sich so verhält, kaum im Ausland eine vorbildliche Amtsführung einfordern kann. Er ließ den 30 Kilo schweren Teppich von einer Regierungsmaschine einfliegen – damit sparte er sich Transportkosten und musste nichts selbst schleppen. Am Zoll vorbei prellte er zudem seinen Arbeitgeber, die Bundesrepublik Deuschland um Einfuhrsteuern.

Seine Ämterpartonage und Vetternwirtschaft im Amt ist längst Thema in den Medien – viele Parteifreunde verdanken Niebel Job und Auskommen.

Angeblich hat er 1.400 Dollar für den Teppich bezahlt, der aus Sicht eines von der Bild-Zeitung befragten Experten höchstens 1.000 Dollar wert ist. Niebel hat also 40 Prozent zuviel bezahlt und sich von einem “als vertrauenswürdig empfohlenen” Teppichhändler übers Ohr hauen lassen. Geht er auch so mit Steuergeldern um?

Ob der Teppich eventuell vielleicht sogar durch Kinder geknüpft worden ist, bleibt offen. Niebel weist das zurück – einen Beleg hat er bislang nicht präsentieren können.

Kanzlerin Merkel verlangte, laut Regierungssprecher, dass Niebel “seine Versäumnisse so schnell und umfassend wie möglich nachhole”.

Vermutlich wird Niebel nicht über die Teppich-Affäre stolpern. Man darf aber guter Dinge sein, dass er in seiner Dreistigkeit noch was “Größeres” dreht und dann hoffentlich seinen Hut nehmen und zurücktreten muss. Das müsste ihm eigentlich gelegen kommen – wer sich erinnert: Vor der Wahl hatte Niebel gefordert, das Entwicklungsministerium abzuwickeln. Weil es keinen anderen Job für ihn gab, ist er nun Bundesentwicklungsminister.

 

Professor bezeichnet Fragen der Bürgerinitiative als "albern"

“Dialogexperte” Lietzmann diskreditiert sich

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Wie arrogant kann man sein? Professor Lietzmann hält Fragen der BI für "albern" und Weinheim für "Weilheim".

 

Weinheim, 08. Mai 2012. (red) Der Wuppertaler Professor Hans J. Lietzmann soll eigentlich für einen “Dialog” als “unabhängiger” Moderator sorgen – tatsächlich zeigte er seine Haltung gegenüber der Bürgerinitiative jetzt deutlich in einem Brief.:Er bezeichnet Fragen zum Verfahren als “albern”. Und Weinheim wird zu Weilheim – der Mann weiß offensichtlich nicht, in welcher Stadt er gerade über 40.000 für einen Bürgerdialog erhalten hat.

Kommentar: Hardy Prothmann

Als arrogant und selbstherrlich ist der Professor schon von einigen bezeichnet worden, die mit ihm Kontakt hatten. Jetzt kann man diese Einschätzung auch schwarz auf weiß nachlesen. In einer email an die Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” (BI) schreibt der “Dialog-Fachmann”:

Lassen Sie mich sagen, dass ich den Sinn mancher Ihrer Fragen nach all den Informationsveranstaltungen kaum mehr nachvollziehen konnte. Auch, dass ich die “Fristsetzung” zur Beantwortung als dem Verfahrten insgesamt völlig unangemessen und eher als albern betrachte.

Der Professor hat also “Schwierigkeiten” mit dem “Nachvollziehen” und findet das “albern”. Das ist sehr erstaunlich für einen so erfahrenen Profi, der nach eigenen Angaben schon 120 Dialogverfahren “erfolgreich” abgewickelt haben will.

Außerdem fehlt im offensichtlich der Durchblick, wo er gerade was macht. Er schreibt (Fettung durch die Redaktion):

Zu den Informationswünschen, die Sie an uns richteten, lässt sich sagen, dass das allgemeine und das konkrete Programm für das Weilheimer Verfahren (natürlich) an der Forschungsstelle ausgearbeitet wurde; das sollte eigentlich hinreichend klar geworden sein. Es handelt sich um eine Verfahrensform, die der traditionellen “Planungszelle” sehr nahe kommt, aber den Weilheimer Bedürfnissen und Möglichkeiten angepasst wurde.

Weinheim heißt bei ihm also Weilheim. Eventuell hält er die Breitwiesen für Blödwiesen und Hammelsbrunnen für Hammelsprung. Ist ja auch so was von egal. Namen sind eh nur Schall und Rauch und wenn der Herr Professor unbedingt in Weilheim seine Planungszellen durchführen will, dann wird er das auch tun. Und wer den Mund aufmacht, ist halt albern.

Sehr schön “enttarnt” der Experte dabei seine Ahnungslosigkeit:

Freilich hätte es uns sehr geholfen, wenn Sie uns ein paar Andeutungen gemacht hätten, warum Sie gerade die Vorgeschlagenen für Experten in den jeweiligen Fachgebieten halten. Denn wir selbst sind natürlich bei der Auswahl der ExpertInnen gegenüber den Bürgerräten in der Verantwortung, nur inhaltlich ausgewiesene Personen zu benennen. Dabei können wir uns kaum alleine auf die Vorschläge verlassen, – ganz unabhängig davon, wer uns diese macht. Aber wir werden insgesamt schon zu einer angemessenen Auswahl kommen.

Es ist also klar, wie die “Experten” für die Bürgerräte ausgesucht werden: Die Verwaltung schlägt mit Begründung vor, weil Herr Lietzmann keine Ahnung hat, aber “insgesamt angemessen” auswählt. Von Seiten der BI wurde mitgeteilt, dass keiner der von ihr vorgeschlagenen Experten bislang berücksichtigt worden ist. Ist das “angemessen”?

Die email des Professor ist ein weiterer Baustein im einen schon von Anfang an sehr fragwürdigen Verfahren – mal schauen, obs noch absurder geht. Man darf sich überraschen lassen.

Breitwiesen: Die Stadt spielt unfair

Kampagne statt Dialog

Bürgerbeteiligung? Kampagne!

Weinheim, 29. Mai 2012. (red) Neue Wege will die Stadt Weinheim angeblich gehen, um die Transparenz und die Akzeptanz bei den Bürgern zu fördern. Tatsächlich spielt die Stadt unfair und bedient nur die Breitwiesen-Unterstützer. Dieser “Dialog-Prozess” wird sich zum Desaster entwickeln, wenn sich nicht umgehend eine tatsächlich transparente Haltung einstellt.

Von Hardy Prothmann

Im Grunde ist die Sache ganz einfach: Dialog ist, wenn zwei reden, Monolog, wenn nur einer redet. Angeblich will die Stadt, also der Oberbürgermeister, mit den Bürgern mehr ins Gespräch kommen. Es wird Transparenz, also Öffnung, Öffentlichkeit versprochen.

Der Bürgerdialog ist Augenwischerei

Doch das ist Augenwischerei. Der OB beauftragt einen angeblich unabhängigen Wissenschaftler, der für die Auswahl der Bürgerdialog-Teilnehmer angeblich freie Hand hat. Die Stadt habe niemanden vorgeschlagen, sagte uns OB Bernhard im Interview. Aha. Woher der Wuppertaler Professor die in Frage kommenden Teilnehmer wohl kennt? Woher kann er wissen, wen man alles beteiligen könnte? Kennt sich der Professor so gut aus in Weinheim? Das ist mehr als fraglich.

Zudem verfügt die Stadt über eine Infra-Struktur, die die Bürgerinitiative “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” nicht hat. Hier hat man nicht eben mal 40.-50.000 Euro zur Hand, um einen “Dialogprozess” zu bezahlen. Hier hat man keinen hauptamtlichen Pressesprecher und alle anderen Experten des Rathauses.

Und hier hat man auch keine Facebook-Seite, die qua ihres Gegenstandes, nämlich die offizielle Präsenz der Stadt zu sein, viel Aufmerksamkeit findet. Immerhin 4.700 Fans lassen sich über diese Seite zu Ereignissen in Weinheim informieren.

Vor ein paar Tagen habe wir über einen vermeintlichen “Zensur”-Fall berichtet. Der Stadtrat Peter Lautenschläger hatte einen Kommentar geschrieben und darin einen Link auf die Weinheim Plus-Internetseite gesetzt. Der Kommentar wurde nicht freigegeben. Die Begründung: Man wolle vermeiden, dass andere die Fanbasis ausnutzen, um für sich Werbung zu machen. Das Argument ist nachvollziehbar.

Heute Mittag allerdings teilt einer der Facebook-Admins eine Statusmeldung der Facebook-Seite “Zukunft in Weinheim“, die erst am Wochenende angelegt worden ist und bis dato vollständig unbedeutend ist – ganze sieben Fans gibt es erst. Ist eine solche Seite so wichtig für die Weinheimer Bürgerinnen und Bürger, dass die Weinheim-Admins extra eine Statusmeldung teilen und damit direkt 4.700 Menschen erreichen? Und dann noch zu einem so hochpolitischen Thema? Und dann, wenn der Seiteninhaber Roger Schäfer heißt und Vorsitzender des CDU-Stadtverbands und Inhaber einer Werbeagentur ist? Und Herr Schäfer eine weitere Domain angemeldet hat, stadtmarketing-weinheim.de, auf der dieselben Inhalte auftauchen wie bei “Zukunft in Weinheim”? Und Herr Schäfer sofort nach Verlinkung ein “Gefällt mir” hinterlässt?

Die Pro-Breitwiesen-Kampagne hat begonnen

Verantwortlich für die “Zukunftseite” zeichnet laut Impressum ein Dr. Peter Schuster – ein Mitglied der Freudenberg-Familie. Unter den ersten Fans ist der CDU-Mann Roger Schäfer und siehe da, auch der städtische Pressesprecher Roland Kern, ein früherer Journalist, der jetzt aber abhängig beschäftigt die Interessen des OB nach außen kommuniziert. Dr. Schuster wiederum ist beim Verein Weinheimer Unternehmer, die klar die Breitwiesen-Entwicklung unterstützen und auch am Dialog als eine Gruppe teilnehmen, aktiv.

Offener Dialog? Parteiische Einflussnahme.

 

Kann das noch ein Zufall sein, wenn am Pfingstwochenende ein neues Angebot aufgesetzt wird, dass obwohl noch reichlich inhaltsleer sofort über die Facebook-Seite von Weinheim beworben wird? Und dass der Pressesprecher, obwohl im Urlaub, gleich zu den ersten Fans gehört? Und dass Angebote der Breitwiesen-Gegner nicht verlinkt werden? Geht so ein “offener” Dialog?

Das ist ein unfaires Spiel, bei dem die Fouls indirekt begangen werden. Presseerklärungen zum Dialogverfahren werden nur vom OB bestimmt, eine faire Abstimmung mit der BI gibt es nicht. Wäre das aber nicht ratsam, wenn man die andere Seite tatsächlich respektieren und deren Haltung zwar nicht teilen, so doch aber respektieren würde? Wäre es nicht klug, auch gegenteilige Positionen mit zu kommunizieren, wenn man wirklich mit dem Bürger in einem “offenen” Dialog stehen möchte? Immerhin fast 5.000 Bürgerinnen und Bürger haben das Bürgerbegehren unterstützt, dass die Entwicklung von Breitwiesen verhindern soll.

So muss man den Eindruck haben, dass die angebliche Transparenz und der angebliche Dialog nur ein Lippenbekenntnis ist und der Bürgerdialog ein Beruhigungsmittel. Im Hintergrund beginnt eine gesteuerte Kampagne, die vermutlich jedes Mittel kennt, nur eins nicht: Fairness.

Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) hat immer wieder behauptet, die Unterzeichner des Bürgerbegehrens seien “falsch” informiert worden. Jetzt soll eine Kampagne dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger nach seiner Meinung “richtig” informiert werden. Das Ziel ist nicht offen, sondern klar: Breitwiesen ist die Zukunft von Weinheim. Und wer was anderes behauptet, ist an diesem “Dialog” nicht interessiert. Das wird als Argument sicher auftauchen.

Vorgeführt wird am Ende wieder der Bürger, dem man ein X für ein U vormachen will.

Fackelzug des WSC: Sind Corps-Studenten gut fürs Image?

Kappen, Säbel, Fackeln

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Überwiegend rechtskonservative Vereinigung: Studentische Corps.

 

Weinheim, 22. Mai 2012. (red) Am Wochenende haben sich wieder Corps-Studenten des Weinheimer Senioren-Convents (WSC) aus ganz Deutschland auf der Wachenburg getroffen, um zu tagen. Am Samstagabend führten die “farbentragenden” und “schlagenden” Verbindungsstudenten einen Fackellauf durch. Im aktuellen Imagefilm der Stadt tauchen sie auch in einer kurzen Sequenz auf, was für viel Empörung gesorgt hat.

Kommentar: Hardy Prothmann

Sie legen viel Wert darauf, nicht verwechselt zu werden: Corps sind zwar Studentenverbindungen, aber sie distanzieren sich zumindest ein Bisschen von den Burschenschaften, von denen manche im Verband Deutsche Burschenschaft eindeutig rechtsextreme Positionen haben.

Der Weinheimer Senioren-Convent vereinigt als Dachverband rund 60 “Korporationen” mit über 1.000 aktiven Studenten und rund 8.000 “alten Herren”, wie sich die Verbindungsstudenten nach dem Eintritt ins Berufsleben nennen.

Mensur als “unverzichtbare Herausforderung”

Die Corps sind “pflichtschlagend”. Das heißt, man muss neben verschiedenen “Voraussetzungen” Mensuren fechten. Dabei stehen sich die “Schläger” mit Schutzkleidung gegenüber und fechten mit einem Säbel aus fester Position. Man nennt das auch “Pauken”. In früheren Zeiten gab es einige Todesfälle, mittlerweile ist die Gefahr einer tödlichen Verletzung durch Regeln und Schutzkleidung gering.

Der WSC schreibt auf seiner Homepage:

Dieses Fechten mit scharfen Waffen kann zu Verletzungen führen, kann aber auch vollkommen ohne Blessuren ausgehen. Die Mensur stellt für den jungen Menschen eine große Herausforderung dar. Aus diesem Grund wollen die Corps auf gar keinen Fall darauf verzichten.

Durch die Treffer mit der Klinge können Platz- oder Schnittwunden beim Gegner erzeugt werden – der so genannte “Schmiss”. Verbindungsstudenten “tragen” ihn als Erkennungszeichen oft voller Stolz, soll er doch ihren “Mut” zum Kampf bezeugen.

Im Kern sind viele Studentenverbindungen etwas, dass kein anderes Land so institutionalisiert hat wie Deutschland: Eine Vereinigung, also ein Verein. Viele sind aber nicht eingetragen (so auch der WSC) und müssen keine demokratischen Spielregeln zwingend beachten.

Hierarchischer Elitedünkel

Tatsächlich stehen die Studentenverbindungen aber schon seit ihrem Aufkommen in der Kritik, weil sie einem hierarischen Standeswesen anhängen. Die meisten Verbindungen verweigern Frauen die Aufnahme, auch Zivildienstleistende sind überwiegend ausgeschlossen. Auch haben Saufgelage, das sogenannte “Kneipen”, den Ruf der Verbindungen nicht gerade verbessert.

Rechtsextreme Verbindungen sind nur vereinzelt vor allem bei den Burschaften zu finden. Insgesamt ist ein rechtskonservatives Hierarchiedenken aber sehr ausgeprägt. Klar positionierte Ablehnungen der Corps gegen die Burschenschaften fehlen leider. Dafür gibt es aber viele Versuche, das Image zu verbessern.

In Mannheim beispielsweise hat sich 2010 eine Modefirma “ProPatria” gegründet, die das Motto “Pauken mit Stil” führt. Der Firmengründer ließ sich bereits mehrfach von rechten Publikationen interviewen und will patriotisch-konservative Kunden finden.

Verklärtes Geschichtsverständnis

Gerade Verbindungen wie der WSC versuchen gezielt, die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit positiv zu beeinflussen. Besonders viel Wert wird auf einzelne Widerstandskämpfer gelegt, die im 3. Reich verfolgt oder sogar getötet worden sind. Die Hitler-Diktatur lehnte die Verbindungen überwiegend ab – aber nicht wegen eines vorhandenen demokratischen Geistes, sondern wegen des bis heute ausgeprägten Elitedenkens, das mit der “nationalsozialistischen Elite” kaum vereinbar war.

Was auch selten deutlich hervorgehoben wird, ist dass diese Studentenverbindungen seit ihrem Aufkommen vor rund 200 Jahren immer wieder verboten wurden. Wenn, dann angeblich wegen ihres “demokratischen” Geistes, doch das ist Geschichtsklitterung.

Gleichzeitig rühmen die Verbindungen Wehrmachtsoffiziere “aus den eigenen Reihen” und zeigen damit ein durchaus “verklärtes” Geschichtsverständnis und einen deutlichen Pro-Militarismus.

Perfide Einvernahme

Besonders perfide ist die Einvernahme von bekannten Persönlichkeiten durch den WSC, beispielsweise Heinrich Heine als Beispiel eines Verbindungsstudenten aus “Kunst und Kultur”. Dass Heine sich zunächst interessierte, aber kein Jahr Mitglied in einer Verbindung war, wegen vermutlich antisemitischer Gründe ausgeschlossen wurde und sich später angewidert vom Verbindungswesen abgewandt hatte, wird nur beiläufig und unangemessen erwähnt.

Auszug aus “Deutschland, ein Wintermärchen”, Kapitel 17

Auch deine Fahne gefällt mir nicht mehr,
Die altdeutschen Narren verdarben
Mir schon in der Burschenschaft die Lust
An den schwarzrotgoldnen Farben.

Viele Studentenverbindungen “alten Schlags” verlieren zunehmend Nachwuchs, weil das deutschtümelnde Brauchtum und das Elitengehabe nicht mehr zieht und früher durchaus vielversprechende Vorteile durch günstige Zimmer oder eine Versorgung auf dem “Haus” heute durch andere Angebote übertroffen werden. Andere Studentenverbindungen, beispielsweise konfessionelle,  verzeichnen hingegen teils Zuwächse, weil man sich dadurch eine bessere Vermittlung ins Arbeitsleben erhofft.

Gut fürs Image?

Ob eine Bildungsstadt wie Weinheim tatsächlich solch altvordere Gebilde wie schlagende Studentenverbindungen als Teil des eigenen Images befördern sollte, ist durchaus umstritten. Unsere Leserinnen und Leser lehnten dies klar ab, während sich Oberbürgermeister Heiner Bernhard (SPD) gerne mit Corps-Studenten fotografieren lässt.

Es gibt sicher auch Menschen, die uniformierte und mit Säbeln bewaffnete, bekappte, angeschickerte Studenten beim Fackelzug für irgendwie “romantisch” halten – ebenso wie die Wachenburg, die aber ganz unromantisch zwischen 1907 und 1928 von den Verbindungen als “Vereinshaus” gebaut worden ist und ganz sicher keinen “alten traditionellen” Ort darstellt.

Und selbst wenn die Mensur erlaubt ist, bei der sich zwei junge Männer mit Säbeln auf den Kopf zu hauen versuchen, wie der Rechtsprofessor Björn Burkhardt im Interview mit dem Weinheimblog feststellt, so kann man durchaus Zweifel haben, dass erstens der Charakter sich mit Schmissen formen lässt und zweitens ein gutes Image dabei rauskommt.

Nicht umsonst ist es mit dem Image der Studentenverbindungen seit 200 Jahren nicht weit her.

Katholikentag: Bringt Mannheim die Reformer voran?

Geprothmannt: Der Aufbruch der ängstlich Selbstbewussten

Mannheim/Rhein-Neckar, 21. Mai 2012. (red) Das Alternativprogramm zum Katholikentag in Mannheim war ein voller Erfolg. Die Kritik der Reformer wurde von den Medien transportiert und die große Zahl der Besucher zeigt, wie groß das Bedürfnis nach Änderungen innerhalb der katholischen Glaubensgemeinde ist. Doch darf man sich nicht allzu viele Hoffnungen machen – die streng-konservativen Haltungen versteifen sich gerade durch die Reformrufe noch mehr. 

Von Hardy Prothmann

Wer von außen auf die katholische Kirche schaut, kann nur mit dem Kopf schütteln: Der Umgang mit den Skandalen um sexuellen Missbrauch ist erbärmlich. Der Zölibat ein Anachronismus ohne jeden Sinn – und in der Praxis häufig gebrochen. Die Missachtung der Frauen in der Kirche unglaublich. Die Arroganz der “Fachleute” gegenüber den “Laien” lächerlich. Und die überall schwelende Drohkulisse einfach nur widerwärtig.

Damit sind nur einige, wenn auch wesentliche Punkte deutlich kritisiert, die in der katholische Kirche schon lange nicht mehr und vermutlich noch nie gestimmt haben. Andererseits ist die römisch-katholische Kirche eine Gemeinschaft von religiös Gläubigen, deren Glauben an sich selbstverständlich zu achten ist, sofern es sich dabei um eine freie Willensentscheidung handelt und andere nicht zu schaden kommen.

Katholisch vs. modern

Klare Worte - klare Forderungen. Der österreichische Pfarrer Helmut Schüller ist Kopf einer Reformbewegung.

Und die vielen ehrbaren Menschen, die sich im weitverzweigten System der Kirche für andere engagieren, machen sich um das Gemeinwohl verdient, sind eine wichtige Stütze einer funktionierenden Gemeinschaft. Aber die Herausfordungen, an einem modernen Leben teilzunehmen und gleichzeitig “sehr katholisch” im Sinne von konservativ zu sein, sind manchmal fast unüberwindbar. Deswegen verlieren die Kirchen und insbesondere die katholische immer mehr Mitglieder.

Die Strategie der Konservativen, sich noch mehr auf die Traditionen zu berufen, das Netz immer enger und hierarischer zu ziehen, sich keinen Schritt zu einer Öffnung hin zu bewegen, geht nicht auf, obwohl es zunächst so scheint. Die Hardliner scharen andere Hardliner um sich, im “Glauben fest verbunden”. Gleichzeitig schotten sie sich von anderen ab. Zunächst wirkt die “Geschlossenheit” sehr stark, denn es gibt immer noch gut 27.000 Millionen Menschen in Deutschland, die als Religion “katholisch” im Pass stehen haben.

Aufbruch vs. Stillstand

Tatsächlich gehen aber nur noch 12 Prozent davon, also rund drei Millionen regelmäßig in die Kirche. Tendenz weiter stark fallend. Es gibt immer mehr alte Menschen, die sich weniger in die Kirche einbringen können, als nunmehr Leistungen von der Kirche erwarten. Wer sich heute als junger Mensch für ein Engagement in der katholischen Kirche entschließt, ist eher ein wertkonservativer Typ, statt ein weltoffener. Auf der Suche nach Orientierung gibt es da einige junge Menschen – aber lange nicht genug, um die zu ersetzen, die der Kirche den Rücken kehren. Der beim Kirchentag propagierte Aufbruch hat den Stillstand als Ziel, nicht die Entdeckung einer neuen Zeit.

Fatalerweise haben sich kritische Geister, die fundamental die Kirchenstrukturen angegangen sind, irgendwann abgewandt, als sie merkten, dass die Starre nicht zu bewegen ist. Die Folge ist Stillstand, sagt der Chefredakteur von Publik-Forum, Dr. Wolfgang Kessler:

In der Vergangenheit hatten die Hardliner ein leichtes Spiel, wenn die Unbequemen selbst gegangen oder gegangen worden sind.

Die Starre ist weiter starrköpfig, aber es gibt eine neue, kritische Bewegung aus der Mitte der Gläubigen heraus. Mit teils über 1.000 Teilnehmern bei Programmpunkten des Alternativprogramms haben die Veranstalter, Wir sind Kirche, Initiative Kirche von unten und die christliche Zeitschrift Publik-Forum ein enormes Interesse gefunden.

Allein zur Auftaktpressekonferenz erschienen 25 Medienvertreter, darunter ARD und ZDF, wie auch ORF, große Zeitungen und die Agenturen:

Das war ein Echo – von den Medien wie den Teilnehmern, das wir so nicht erwartet haben, was uns aber enorm freut, weil es klar macht, wie dringend die Mitte der Gläubigen endlich Reformen will.

Nach Ansicht von Wolfgang Kessler haben die Kirchenoberen seit 1997, als es ein Kirchenvolksbegehren mit 1,7 Millionen Unterschriften gegeben hat, die Forderungen nach Reformen gezielt untergraben. Bis 2010 die Missbrauchsskandale umso deutlicher machten, dass so vieles nicht mehr stimmt, in dieser “ehrenwerten” Gemeinschaft.

Die Probleme sind öffentlich geworden und bleiben das solange, bis sie gelöst sind.

Das Kirchenvolksbegehren will die Abschaffung des Zölibats, Frohe Botschaften statt Drohbotschaften, Frauen als Priesterinnen, eine unverkrampfte Sexualmoral und die Beteiligung der Laien in der Kirche. Nichts davon ist seit 1997, also seit immerhin 15 Jahren Wirklichkeit geworden. Der Druck auf die Kirche wächst, weil selbst ältere Gläubige nicht vom Glauben abfallen, wohl aber von den starren Strukturen. Und sei es nur durch den überall bemerkbaren Priestermangel.

Sprachlosigkeit vs. Selbstbewusstsein

Chefredakteur Kessler: "Viele sind immer noch ängstlich."

Die Kirchenoberen reden von Dialog, diktieren aber die Inhalte und wer reden darf. Das steht in krassem Gegensatz zu Entwicklungen in Wirtschaft und Politik und Forschung. Die Basis rumort, wenn auch oft noch ängstlich.

Der Grund darin liegt sicherlich in einer großen Sprachlosigkeit. Denn die Profis haben den Laien immer gesagt, wo es langgeht. Für die blieb ein Ja und Amen.

Vorbilder wie Friedhelm Hengsbach und seit einigen Jahren der einnehmende Österreicher Helmut Schüller stellen aber das alte System in Frage. Schüller hat schon mehrere hundert Pfarrer in einer Initiative hinter sich, die den echten Dialog, eine echte Öffnung fordern. Auch in Irland haben sich rund 80 Pfarrer angeschlossen.

Und Schüller ist nicht umsonst so prominent. Er redet klar und verständlich und vor allem: Verbindlich. Er ist kein linker Revoluzzer, sondern ein verdienter Theologe, seriös und sprachgewandt. Er fordert Debatten und die Öffnung für die Medien, um Öffentlichkeit herzustellen.

Es fehlen die selbstbewussten Frauen

Die Initiative der Pfarrer, die Herr Schüller organisiert, setzt die Kirche unter Druck. Alternativprogramme wie zum Katholikentag in Mannheim verschaffen Öffentlichkeit und stärken eine öffentliche Debatte und zeigen eine noch zaghafte Rebellion an. Getragen wird sie vor allem durch eine Generation 50 plus, wie der Journalist Kessler feststellt.

Leider fehlen der Reformbewegung starke Frauen – die hatten ja bislang auch in der katholischen Kirche nichts zu sagen. Stattdessen werden sie in kirchlichen Organisationen zudem über Billiglöhne ausgebeutet und durch das kircheneigene Arbeitsrecht immer wieder unter Druck gesetzt.

Wenn die Frauen aber beginnen, für sich Rechte zu formulieren und einzufordern, dann beginnt eine Revolution, die Bewegung in die katholische Kirche bringt.

Alle Artikel zum Katholikentag finden Sie hier.

Das Bürgerforum ist eine Nebelkerze

Geld- und Zeitverschwendung

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Weinheim, 15. Mai 2012. (red) Gut 40.000 Euro wird die “Bürgerbeteiligung” in Sachen Breitwiesen kosten. Hinzu kommen bestimmt gut 10.000 Euro Kosten für die ersten anwaltlichen “Gutachten” der Stadt. Weitere Kosten können entstehen. Warum wird so viel Aufwand betrieben, wenn es bereits ein nach der Gemeindeordnung zulässiges Bürgerbegehren gibt? Man muss vermuten, dass OB Bernhard seine Haltung durchsetzen will – die Bürgerbeteiligung dient nur der Verschleierung.

Kommentar: Hardy Prothmann

Oberbürgermeister Heiner Bernhard hat schon mehrfach betont, dass er erstaunt über die Bürgeriniative sei, denn  immerhin habe es seit 2007 keinen Widerstand gegen den geplanten Tausch Hammelsbrunnen/Breitwiesen gegeben.

Er gibt sich überrascht – tatsächlich ist das Verhalten scheinheilig. Es gab keine konkreten Entwicklungen – wogegen hätte sich ein Widerstand formieren sollen? Als es im Herbst 2011 konkret wurde, hat die BI sofort an die 2.000 Unterschriften gesammelt, was den OB nicht weiter beeindruckt hat.

Fortgesetzte Nötigung

Im Eilverfahren hat OB Bernhard den Gemeinderat nahezu genötigt, für den Flächentausch zu stimmen. Die Pistole saß auf der Brust der ehrenamtlichen Stadträte, war durchgeladen, der Abzug gespannt: Entweder, ihr stimmt jetzt zu oder nicht. Eine Alternative gibt es nicht.

Und gleichzeitig hat er öffentlich gelogen: Es ist noch nichts entschieden, sagte er laut und deutlich.

Nach dem Tauschbeschluss war aber doch etwas entschieden – nämlich ein Aufstellungsbeschluss. Und gegen den sei ein Bürgerbegehren, leider, leider, nicht möglich.

Wer so mit seinem Bürgerinnen und Bürgern umgeht, steht nicht im Dialog mit ihnen, sonst nimmt sie den Arm, verschaukelt und verachtet sie.

Verschleuderte Steuergelder

Verschleudert mal eben 50.000 Euro und mehr für eine Bürgerbeteiligung, die nur er braucht: OB Bernhard.

Die Stadt muss überall sparen. Monatelang wird über 100.000 Euro für ein Personalgutachten diskutiert. Und innerhalb kürzester Zeit verbrät der OB eben mal 50.000 Euro, weil Bürgerinnen und Bürger tatsächlich die hohen Hürden für ein Bürgerbegehren deutlich überwunden haben und die Pläne nun nicht mehr so laufen, wie der OB sich das vorgestellt hat.

Das als “demokratische” Bürgerbeteiligung dargestellte Verfahren wird hinter verschlossenen Türen ausgehandelt. Die Besetzung weist ein eindeutiges Ungleichgewicht zugusten der Pro-Breitwiesen-Lobby auf, umgekehrt werden Teilnehmer wie BUND und Nabu “zusammengefasst”.

Mit den Mitgliedern der BI Breitwiesen gab es keine Gespräche. Wieso nicht? Weil der, der zahlt, sagt, wos langgeht.

Wenn die BI nicht am Forum teilnimmt, wird der Vorwurf lauten: Die da sind nicht gesprächsbereit. Damit werden sie diskreditiert. Wenn die BI teilnimmt, muss sie sich einem nicht durchsichtigen Verfahren beugen. Das nennt der alte Grieche ganz klassisch ein Dilemma – wie man sich auch entscheidet, macht man es falsch.

Über den Tisch gezogen

Ein Oberbürgermeister, der seine Bürgerinnen und Bürger derart “miss”handelt, kann das tun. Er hat dazu die Macht – vor allem, wenn der Gemeinderat schwach ist. Im Gemeinderat gibt es aber mittlerweile parteiübergreifend Stimmen, die zwar eigentlich für Breitwiesen sind, aber das Verfahren und die Entwicklung ebenfalls ablehnen.

Festzuhalten bleibt, dass der Weinheimer Gemeinderat sich schon zwei Mal hat über den Tisch ziehen lassen. Das erste Mal bei der Tauschentscheidung und das zweite Mal mit dem Beschluss, die Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu vertagen.

Hält der OB die Bürger wirklich für so blöd? Auch mit diesem mehr als zweifelhaften Verfahren der “Bürgerbeteiligung” ändert sich überhaupt nichts an der Sachlage. Wozu dient der ganze Zauber dann? Doch nur, das Stimmungsbild zu drehen.

Wenn im September nach der bürgermeistergesteuerten “Bürgerbeteiligung” die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerentscheids erneut auf der Tagesordnung steht, ist es immer noch ein Bürgerbegehren gegen einen Aufstellungsbeschluss. Und sollte der Gemeinderat trotzdem für einen Bürgerentscheid entscheiden, müsste der OB nach seinem “Gewissen” wie angekündigt, sein Veto gegen den Beschluss einlegen. Bürgerbeteiligung hin, Bürgerbeteiligung her.

Prinzip Dilemma

Das Verfahren würde in einem Gerichtsverfahren enden. Die strittige Frage würde sein, ob der Aufstellungsbeschluss in einem Raumordnungsverfahren gleichzusetzen ist mit einem Aufstellungsbeschluss einer Bauleitplanung.

Oberbürgermeister Heiner Bernhard bringt nicht nur den Gemeinderat und die Bürgerinitiative in ein Dilemma, sondern auch sich selbst. Wäre er tatsächlich ein bürgernahes Stadtoberhaupt, hätte er bereits im Frühjahr 2011 deutlich machen können, dass für den Herbst eine weitreichende Entscheidung ansteht. Und zwar deutlich und transparent. Er hätte Informationsveranstaltungen anbieten können, die nur einen Bruchteil dessen gekostet hätten, was er jetzt dem Steuerzahler aufbürdet. Nur so macht eine Bürgerbeteiligung sind: Im Vorfeld von Entscheidungen.

Und die Bürgerinnen und Bürger hätten vor dem Aufstellungsbeschluss ein Bürgerbegehren initieren können, das wäre alles möglich und rechtlich einwandfrei gewesen.

Hätte, würde, könnte, sollte – das sind nur noch Überlegungen. Aktuell veräppelt der OB die Bürgerinnen und Bürger und was richtig ärgerlich ist, er beschädigt damit auch echte Formen der Bürgerbeteiligung, weil durch das jetzt anstehende Verfahren beim Bürger am Ende der Eindruck entstehen kann, dass “die da” in der Verwaltung sowieso machen, was sie wollen. Vielleicht will er ja auch genau das erreichen. Dann ist Ruhe bei der renitenten Bürgerschaft und der OB kann machen, was er will.

Beschädigte Bürgerbeteiligung

Wieso soll erst wieder im Herbst entschieden werden? Ganz klar, um das Verfahren in die Länge zu ziehen und Widerstände zeitlich weich zu klopfen. Der Gemeinderat könnte auch sehr gut im Juni oder Juli entscheiden. Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun.

Die BI überlegt ernsthaft, den Klageweg zu beschreiten. Und sie würde gut daran tun, denn die daraus entstehende Rechtssicherheit ist allemal konkreter, als der Firlefanz, der jetzt veranstaltet wird.

Gleichwohl besteht natürlich die Möglichkeit, dass die Gerichte zu dem Schluss kommen, auch dieser Vorgang sei Bauleitplanung und ein Bürgerbegehren nach der Gemeindeordnung deswegen nicht erlaubt.

Dann darf sich der OB Bernhard damit schmücken, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung ganz entscheidend durch sein Verhalten noch weiter beschädigt und eingeschränkt zu haben – und zwar landesweit. Er würde in die Geschichte eingehen – als bürgerferner Hauruck-OB.

 

 

Bundespolitiker stilisiert sich als Opfer

Ströbele weiter uneinsichtig

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Alle Berliner Zeitungen (hier die Welt) berichteten im Herbst 2011 über die Fischfutter-Affäre des Herrn Ströbele. Quelle: Die Welt

 

Weinheim/Heddesheim/Berlin, 28. April 2012. (red) Der Grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele stellt seinen Sturkopf unter Beweis. Aktuell behauptet er bei Spiegel.de, er sei Opfer eines “Shitstorms” geworden. Und er wirft seltsame Thesen auf, das “Internet dürfe kein rechtsfreier Raum” sein und ähnlichen Quatsch. Eine Replik.

Von Hardy Prothmann

Im November haben wir exklusiv über eine Strafanzeige berichtet: “Bundestagsabgeordneter Hans-Christian Ströbele zeigte 13-jährigen Heddesheimer an“. Die Staatsanwaltschaft Mannheim hatte uns auf Nachfrage telefonisch diese Auskunft erteilt. Tatsächlich zeigte nicht Herr Ströbele selbst, sondern dessen Ehefrau Juliana Ströbele-Gregor den minderjährigen Jungen wegen einer “gefährlichen Körperverletzung mittels einer Waffe” im Beisein ihres Mannes bei der Polizei Weinheim an.

Wir haben die “falsche Tatsachenbehauptung” umgehend korrigiert (Ehefrau von Bundestagsabgeordnetem Hans-Christian Ströbele zeigte 13-jährigen Heddesheimer an), nachdem uns die Staatsanwaltschaft Mannheim auf nochmaliges Nachfragen die korrekte Auskunft erteilt hatte. Selbstverständlich hatten wir uns auf die erste Auskunft verlassen und auch versucht, Herrn Ströbele zur Sache zu befragen, was aber erfolglos war.

Strafbewehrte Unterlassungserklärung

Herr Ströbele versuchte nicht, den Fehler in gutem Einverständnis aus der Welt zu schaffen, sondern schickte uns eine strafbewehrte Unterlassungserklärung über einen Promi-Anwalt. Bei 10.000 Euro Vertragsstrafe sollten wir die Behauptung unterlassen, er habe den Jungen angezeigt. Kostennote für das Schreiben: Fast 800 Euro.

Auf der Facebook-Seite “Wir gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg” mit 350.000 Fans, wurde ein Link zu unserem Artikel gepostet. Danach brach erst unser Server kurzfristig durch die massenhaften Aufrufe zusammen – und in der Folge ein von Ströbele titulierter “Shitstorm” über diesen herein.

Was Hans-Christian Ströbele als “Sturm aus Scheiße” bezeichnet, kann man auch anders deutet: Als Empörungs- und Protestwelle. Über 140.000 Mal wurde unser Artikel innerhalb weniger Tage aufgerufen. Alle Berliner Zeitungen berichteten kurz darauf über die “Fischfutteraffäre” des Herrn Ströbele, der Norddeutsche Rundfunk schickte ein Fernsehteam und berichtete in der Mediensendung Zapp über die Auseinandersetzung. Auf der Facebookseite des Politikers kommentieren hunderte von Menschen den Vorgang und brachten ihren Missfallen zum Ausdruck.

Missfallen der Internetnutzer

Die Kommentatoren zeigten kein Verständnis dafür, dass Frau Ströbele mit Unterstützung ihres prominenten Mannes einen Minderjährigen wegen “gefährlicher Körperverletzung” angezeigt hatte, weil der ihr eine Fischfutterkugel an den Kopf geschossen hatte. (Die Ströbeles badeten im Sommer 2011 in einem für Schwimmer nicht freigegebenen Teil des Weinheimer Waidsees, wo drei Jungs mit Futterschleudern und so genannten “Boilis” Fischer anfütterten. Ob die Frau gezielt oder unabsichtlich getroffen worden ist, ist bis heute unklar.)

Noch weniger Verständnis hatten viele der teils zornig reagierenden Internetnutzer für die kostenintensive Abmahnung. Ein juristischer Keulenschlag, den Politiker, Prominente, Firmen und Behörden gerne anwenden, um kritische Stimmen mundtot zu machen.

Vermutlich waren darunter auch beleidigende und bößartige Kommentare. Der überwiegende Teil aber war klar missfallend, aber als Meinungsäußerung in Ordnung. Wenn Herr Ströbele nun diese Meinungsäußerungen von Menschen als “Sturm aus Scheiße” bezeichnet, unterstreicht er nur seine sture Haltung und seine Uneinsichtigkeit, sowohl gegenüber dem Jungen unangemessen reagiert zu haben, als auch gegenüber unserer Redaktion.

Diese harschen Handlungen durch die Ströbeles waren Anlass für die Empörungswelle und in Zeiten des Internets verbreiten sich Nachrichten und Meinungen tatsächlich sehr viel schneller als das über alte Medien möglich wäre.

Gequatsche

Die Aussage des Rechtsanwalts Ströbele, “das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein”, ist gegen sein besseres Wissen und dummes Geschwätz. Selbstverständlich ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Herr Ströbele weiß das und hat dies ja auch mit seinem Abmahnversuch unter Beweis gestellt. Auch hier gelten Recht und Gesetz und Verstöße können geahndet werden.

Wir wissen das auch und bemühen uns aus der überzeugten Anerkennung von Recht und Ordnung immer mit viel Energie um gegenrecherchierte, geprüfte Fakten. Fehler können trotzdem passieren – hier aufgrund einer behördlichen Falschauskunft.

Darauf mit der juristischen Keule zu reagieren, statt eine einvernehmliche (und unauffällige) Lösung anzustreben, ist nahezu typisch für Leute vom Kaliber Ströbele. Und sich dann als “Opfer” zu stilisieren, weil tausende von Menschen ihren Unmut über ein solches Verhalten äußern, ist, mit Verlaub, erbärmlich.

Hans-Christian Ströbele zeigt sich weiter stur und uneinsichtig, wie dieses Zitat bei Spiegel online zeigt.

 

Herr Ströbele behauptet, “notfalls müsse man sich auch mit juristischen Mitteln wehren können”. Das ist eine Falschbehauptung. Es lag kein Notfall vor. Zwischen dem Veröffentlichungsdatum und der Abmahnung lagen drei Tage. Herrn Ströbele lag eine schriftliche Anfrage von uns vor – er hätte innerhalb dieser drei Tage anrufen oder zurückschreiben können, um unsere “Falschbehauptung” zu korrigieren. Wir hätten umgehend das getan, was wir getan haben – die “irrtümliche” Aussage korrigiert. Doch Herr Ströbele wollte es anders und hat auch in den ersten Tagen des “Shitstorms” von seiner Seite aus die Sache weiter befeuert.

Am Ende hat er sich äußerlich der Protestwelle gebeugt und die Abmahnung gegen uns nicht weiterverfolgt. Wie man aktuell sieht, hat er aber nichts verstanden.

Anm. d. Redaktion: Die regionalen Medien hier vor Ort haben den Vorgang übrigens konsequent verschwiegen, weil man sonst die Quelle, also unsere Blogs hätte erwähnen müssen. Seit 2009 wurden wir insgesamt elf Mal abgemahnt. Ein Mal mussten wir (aufgrund unglücklicher Umstände) eine Einstweilige Verfügung hinnehmen, einmal wurde ein Vergleich geschlossen, neun Abmahnversuche konnten abgewehrt werden.
Ein Spendenaufruf brachte knapp 2.000 Euro zusammen. Das Geld sollte uns bei einem Verfahren gegen Herrn Ströbele helfen. Weil dieses nicht zustande kam, haben wir 1.000 Euro an “Journalisten helfen Journalisten” gespendet und unsere Anwaltskosten bestritten. Der Rest von einigen hundert Euro wird verwendet, um einen Verein für Meinungsfreiheit – Gegen Abmahner zu gründen.

 

Geprothmannt: Eine “grasse” Debatte

Günter Krass hat mit seinem Gedicht "Was gesagt werden muss" eine längst notwendige Debatte ausgelöst. Bild: Wikipedia, Florian K, CC BY-SA 3.0

 

Rhein-Neckar, 16. April 2012. (red/pro) Was stimmt mit uns Deutschen nicht? Können wir nicht normal sein? Einfach mit Kritik umgehen? Uns ihr stellen, mit ihr an uns arbeiten? Der Schriftsteller Günter Grass hat mit seinem Beitrag den Nerv einer chronisch leidenden Gesellschaft getroffen und das ist gut so. Die Debatte erreicht jede Stadt, jedes Dorf in Deutschland. Sie sollte jeden Stammtisch und jede Familie, jeden Menschen erreichen, denn die Zeit ist längst reif dafür.

Von Hardy Prothmann

Ganz sicher ist die Debatte um den Beitrag des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass auf den ersten Blick ein nationales und sogar internationales Thema.

Ist das so?

Ganz sicher zeigt der zweite Blick auf das Thema eine Debatte, das uns alle betrifft. Überall. Hier und dort. Vor Ort. Direkt.

Das vermeintliche “Gedicht” von Herrn Grass, “Was gesagt werden muss”, hat enorme internationale Wellen geschlagen und einen politischen Diskurs ausgelöst, der uns alle angeht.

Meinungsfragen

Die entscheidenden Fragen lauten:

Wie geht man mit Kritik um? Was bedeutet Meinungsfreiheit? Was Meinungsvielfalt? Gibt es die Möglichkeit der freien Rede und Gegenrede? Wer urteilt, was richtig, was falsch ist? Was bedeutet Verantwortung im Zusammenhang mit Fragen? Gibt es in der Postmoderne tatsächlich noch Tabu-Themen, über die man nicht reden darf?

Der Schriftsteller Günter Grass musste im Alter von 84 Jahren etwas loswerden. Wäre Günter Grass nur ein alter Mann – wer hätte sich dafür interessiert?

Niemand? Richtig.

Günter Grass ist aber ein bekannter Schriftsteller. Und Literaturnobelpreisträger. Und er war als junger Mann Mitglied der Waffen-SS im Dritten Reich, was er lange verschwiegen hat.

Und er tut, was niemand tut, will man nicht sofort in eine rechte Ecke gestellt werden. Und das trotz seiner Vergangenheit: Er äußert harsche Kritik an der Außenpolitik Israels.

Nicht an der Innenpolitik, der Wirtschaftspolitik, der Sozialpolitik. Grass macht das große Fass auf und spricht davon, dass Israel den “Weltfrieden gefährdet”.

Die vernichtenden Kritiken über seinen Text sind zahlreich. Die Empörung eindeutig. Die Haltung klar: Man kritisiert Israel nicht. Schon gar nicht als Aggressor im Nahen Osten.

Staaträsonismus

Vor allem nicht als Deutscher. Denn es gibt eine historische “Verantwortung”, die jede Kritik und jede Frage verbietet, das gebietet allein schon die von der Bundeskanzlerin zur “Staatsräson” erklärten “Haltung”.

Ist das so?

Man muss Günter Grass für seine extreme Überzeichnung dankbar sein, denn er hat erreicht, dass sich die Extreme und die Überzeichnungen zu Wort melden und verorten.

Das durch den israelischen Innenminister Eli Jischai gegenüber dem Schriftsteller erlassene Einreiseverbot wird selbst in israelischen Medien als “hysterisch” bezeichnet.

Bundestagsvizepräsident Thierse wirft sich für den Schriftsteller in den Ring und bezeichnet Anwerfungen, dieser sei ein Antisemit als “haltlos”.

Was denken wir über all das? Jeder von uns? Ich, Sie, Du? Debattieren wir darüber?

Debattiert so viel ihr könnt

Günter Grass 2004 bei der Buchmesse in Frankfurt. Bild: Wikipedia, Florian K, CC BY-SA 3.0

Hoffentlich tun das viele unserer Leserinnen und Leser. Und das ist gut so. Sich mit einer Sache auseinanderzusetzen. Denn das ist die Übersetzung von Kritik.

Und nichts anderes hat Herr Grass getan. Er hat sich auseinander gesetzt, seine Meinung geäußert und sich damit demokratisch dem Diskurs gestellt.

Inhaltlich mag sein “Gedicht” große Schwächen haben. Die größte ist, dass man eine solch verfahrene Situation, wie sie im Nahen Osten herrscht, noch so sehr “verdichten” kann – sie ist zu komplex, um sie vernünftig in einem Text abbilden zu können.

Deshalb muss man sie aufteilen und die Teile diskutieren. Und den Anfang zu dieser Debatte hat Herr Grass erreicht. Er hat es geschafft, dass sich viele besserwissende sofort empört geäußert haben, um feststellen zu müssen, dass die grass’sche Kritik vielleicht nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch ist.

Günter Grass hat es erreicht, dass über Tabus gesprochen wird, die viele Menschen beschäftigen und die, weil Tabus, öffentlich nicht thematisiert werden dürfen sollen. Grass hat also Öffentlichkeit geschaffen, den Austausch von Meinungen angeregt und hat damit einen demokratischen Prozess ausgelöst.

Deutungshoheiten der Zirkel

Wer ihn deswegen sofort zum Antisemiten abstempelt, will keinen demokratischen Diskurs, sondern einen Hieb mit der Moralkeule. Es sollen keine Fragen gestellt werden dürfen. Die Deutungshoheit ist allein kleinen Zirkeln überlassen. Ist das demokratisch?

Wer das Gesamtwerk von Grass sieht und seine über Jahrzehnte verschwiegene Mitgliedschaft in der Waffen-SS, erkennt eine zerrissene Figur. Einen, der eitel und selbstherrlich ist. Neudeutsch “erfolgsgeil”, was ihm viele vorwerfen, die aber wie ein Reich-Ranicki oder Broder selbst auf der Debatten-Welle mitschwimmen, ohne viel zum Thema beitragen zu können. Aber Hauptsache, sie reden mit oder es wird über sie geredet, wobei sie jedem, der ihnen nicht genehm ist, genau das vorwerfen.

Wer die Debatte um das Thema verfolgt, sieht jede Menge Anwürfe, die jede Interessengruppe für sich zu nutzen sucht.

Und wer über all dem darüber nachdenkt, was der Text von Grass bewirkt hat, erkennt: Es ist eine “grasse” Debatte.

Mit einem Für und Wider. Einem Hin und Her. Und all das ist gut und sinnvoll.

Denn “Positionen” haben die Chance, neu überdacht und definiert zu werden. Man kann aus der Vergangenheit lernen, sie mit dem Jetzt abgleichen und für die Zukunft Ziele entwickeln.

Das geht nur durch Einlassungen von kritischen Geistern.

Tabus brechen

Abnicker, Zusager, Nichtfrager, Nichtwisser haben in der Vergangenheit und Gegenwart immer nur für großes Leid und viel Blutvergießen gesorgt.

Günter Grass hat weder ein literarisch wertvolles, noch stilistisch anerkennenswertes “Gedicht” geschrieben. Das ist meine persönliche Meinung.

Ebenso finde ich seine Position zu überzeichnet. Aber ich bin sehr froh, dass er das Gewicht seiner Persönlichkeit nutzt, um die Debatte über Tabus anzuregen.

Er ist ein alter Mann, hat sein Leben und sein Geld verdient, schließt irgendwann mit “letzter Tinte” ab. Und er hat enorm viel negative Energien auf sich gezogen – egal, ob zu Recht oder Unrecht -, statt einfach seinen “Lebensabend zu genießen”.

Persönlich hat mich Grass als Schriftsteller nicht interessiert. Mich spricht sein Werk nicht an. Das ist aber eine Geschmackssache.

Persönlich habe ich großen Respekt vor diesem Mann, weil er sich traut, eine Meinung zu haben. Trotz aller Kritik, die seine Meinung durch andere auf sich zieht.

Persönlich habe ich meine Meinung und meine Geschichte. Mein Großvater beispielsweise ist 1928 geboren worden und hat als 16-Jähriger jüngere Kinder in den letzten Kriegsjahren in Sachsen als “Gebirgsjäger ausgebildet”.

Und er hat mir gegenüber zugegeben, dass er damals an den “Führer” geglaubt hat und erst später erkannt hat, welchem Übel er anhängig war. Fast jeder von uns Deutschen hat so einen “Link”, so eine Verbindung, in die Vergangenheit. Und egal, wie wenig man damit “persönlich” zu tun hat. Die historische Schuld bleibt. Und sie ist schrecklich.

Verantwortung fordert Fragen

Die Verantwortung aber, sich gegen Krieg, gegen Genozid, gegen Unrecht einzusetzen, ist eine Verantwortung, die gerade die Deutschen historisch am besten vertreten können. So kann die Schuld zur Chance werden. Wenn man bereit ist, verantwortlich zu sein. Um verantwortlich zu sein, muss man aber Fragen stellen dürfen, können und wollen.

Verantwortung ergibt sich sicherlich nicht dadurch, indem man sich keinem Diskurs stellt, keinen Fragen, keinen Haltungen. Wer sich so verhält, muss sich den Vorwurf des Gleichschaltens, des Gleichmarschierens, des Faschistischen gefallen lassen.

Wer bereit ist, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, Kritik zu üben und auszuhalten, für seine Haltung zu werben unter Anerkennung unseres Grundgesetzes, der agiert demokratisch und verantwortlich.

Wer eine berechtigte Kritik eines Schriftstellers missbraucht, um diesen und andere mundtot zu machen, agiert antidemokratisch.

Günter Grass hat mit seinem “Gedicht” sehr krasse Reaktionen hervorgerufen, die zeigen, wie wenig demokratisch viele Medien in Deutschland gesinnt sind, obwohl wir doch schon mindestens sechs Jahrzehnte Zeit hatten, um zu üben.

Die Debatte hat gezeigt, wie wenig demokratisch der Staat Israel unter seiner aktuellen Regierung ist.

Traumatisierungen

Und er hat ins Bewusstsein gerufen, dass ein Konflikt droht, der sicherlich kein iranisches Volk auslöscht, aber die Region und die Welt massiv zu traumatisieren in der Lage ist.

Und wer, wenn nicht wir Deutschen, haben eine bessere Vorstellung davon, was es heißt, andere zu traumatisieren und selbst traumatisiert zu sein? Und wer, wenn nicht wir Deutschen können ehrlicher und glaubhafter uns dafür einsetzen, dass es nicht woanders zu Verwüstung, Zerstörung und Verfolgung kommt?

Mein Deutschland ist ein Land der Demokratie, des Austausches von Meinungen, des Ringens um Mehrheiten um eine größtmögliche Freiheit der Menschen zu ermöglichen.

Ein Land, dass sich um Fortschritt des Lebens statt für den Rückschritt des Tötens einsetzt.

Ich empfinde es als ekelhaft, wenn irgendjemand argumentiert, ein israelischer “Erstschlag” würde nicht das “gesamte” iranische Volk auslöschen, sondern nur “Teile”. Mir wird schlecht, wenn ich Argumente lese, man müssen Israel einen “Zweitschlag” ermöglichen, um, nachdem man selbst größte Verluste habe, dem anderen auch noch welche zufügen zu können. Wer so zynisch argumentiert, hat keine Respekt vor dem Leben.

Jeder vernünftige Mensch wird solche “Debatten” nicht nur ablehnen, sondern sich vernünftigerweise verweigern, weil sie an Dummheit nicht zu übertreffen sind.

Meinungsvernichtungswaffen

Jeder von uns ist aufgerufen, sich dringlich eine Meinung zum Thema zu bilden. Günter Grass hat in Deutschland zu Recht eine Debatte ausgelöst, bevor “Fakten” geschaffen werden. Die Konflikte im Nahen Osten sind geeignet, den Weltfrieden zu gefährden – die Konflikte bestimmen schon seit Jahrzehnten unser Leben, ohne das es “möglich” war, sich widersprüchlich dazu zu “äußern”.

Die Zeit ist reif, Meinungen zu überprüfen, zu definieren und zu vertreten. Und vor allem wir Deutsche sollten sagen können müssen:

Wir lehnen jede Form von Massenvernichtungsmöglichkeiten ab.

Denn wir Deutsche wissen wie kein anderes Volk, dass jede fehlende demokratische Debatte nur fürchterliche Folgen haben wird. Deswegen sollten man sich nicht von Meinungsvernichtungswaffen wie sinnfreien Antisemitismusvorwürfen beeindrucken lassen.

Neuer Imagefilm über die Stadt

Ist dieser Film gut fürs Ansehen?

Der Imagefilm der Stadt Weinheim

Weinheim, 15. April 2012. (red/pm) Mit einer aktuellen Pressemitteilung macht die Stadt Weinheim auf ihren neuen Imagefilm aufmerksam. Der vier Minuten dauernde Film habe bisher alle begeistert, die ihn gesehen haben, so die Stadt. Unsere Erfahrung ist eine gegenteilige – wir haben den Film auf Facebook gepostet und dort kamen nur negative Statements. Machen Sie sich selbst ein “Bild” und kommentieren Sie gerne, was Sie von dem Film halten. [Weiterlesen...]

Regionalverband befürwortet Flächentausch - Gespräche laufen seit gut einem Jahr

Regionalplaner nennt Breitwiesen-Verfahren “eleganten Weg”

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Links im Boden an der Autobahn liegt Breitwiesen, rechts daneben Hammelsbrunnen. Quelle: Google Maps

 

Weinheim/Mannheim, 23. März 2012. (red) Aus Sicht des baden-württembergischen Regionalplaners Manfred Hopfauf ist der Fläschentausch Hammelsbrunnen-Breitwiesen “ökologisch und verkehrlich” eine gute Lösung. In der Folge würde Hammelsbrunnen mit einem Grünzug überplant und kein mögliches Gewerbegebiet mehr. Oberbürgermeister Heiner Bernhard aber trägt die Verantwortung für den politischen Unfrieden in der Stadt – denn er hätte viel früher informieren können.

Von Hardy Prothmann

Soviel ist sicher – die aktuell laufende Regionalplanung ist ein sehr komplexes Geschäft. Seit dem Staatsvertrag 2005 überplanen die Länder Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz einen länderübergreifenden Regionalplan für die “Metropolregion”. Zuständig für die Regionalplanung ist der Regionalverband Rhein-Neckar.

Die Planung ist dreistufig von den Ländern über die Regionalplanung in die kommunale Planung. Die Stadt Weinheim stellt einen eigenen Flächennutzungsplan auf. Aktuell ist dort das Gebiet Hammelsbrunnen als mögliche Gewerbefläche ausgewiesen. Am 19. Oktober 2011 fasste der Gemeinderat auf Drängen des Oberbürgermeisters den Aufstellungsbeschluss, Hammelsbrunnen gegen Breitwiesen zu tauschen. Gegen diesen Beschluss läuft ein noch nicht entschiedenes Bürgerbegehren.

Breitwiesen bereits über ein Jahr in der Planung

Regionalplaner Manfred Hopfauf bestätigt auf Nachfrage, dass im September der Vorentwurf für die Regionalplanung vorgelegt worden ist und weiter:

Natürlich hat die Stadt mit uns Gespräch geführt und wir haben nach kontroverser Diskussion den Flächentausch im Vertrauen auf eine solche Entscheidung mit aufgenommen.”

An diesem Punkt wird es spannend. Es pressierte tatsächlich mit einer Entscheidung im Oktober, um noch in die Regionalplanung hineinzukommen. Die entscheidende Frage ist: Warum wurde die Bürgerschaft nicht frühzeitiger informiert? Denn Gespräche gab es schon zum Jahreswechsel 2010/2011.

Frühzeitige Information? Fehlanzeige

Oberbürgermeister Heiner Bernhard ist in guter Gesellschaft, wenn es um “frühzeitige” Informationen geht. Kaum ein Bürgermeister informiert wirklich früh. “Frühzeitig” ist ein sehr dehnbarer Begriff. Konkret auf die Situation bezogen hat der der Gemeinderat einen Aufstellungsbeschluss gefasst und seither gibt es zwar wenig konstruktive, aber doch Gespräche mit der Bürgerinitiative und damit stellvertretend fast 4.700 Unterzeichnern. Ist das nicht irgendwie auch sehr “frühzeitig”?

Egal, wie man den Begriff dehnt – aus Sicht des Oberbürgermeisters sind Fakten geschaffen worden. Er hält einen Bürgerentscheid für unzulässig. Die Bürgerinitiative für zulässig und der Gemeinderat hat sich auf Antrag von CDU und SPD nicht getraut, eine Entscheidung zu treffen.

Solange keine Entscheidung getroffen ist, geht die Regionalplanung von der Zulässigkeit des getroffenen Beschlusses aus. Sprich: Breitwiesen wird weiterhin als Gewerbefläche eingeplant. Und zwar im Tausch gegen Hammelsbrunnen:

Es war klar, dass Weinheim nicht mehr Fläche gibt. So bleibt mit Hammelsbrunnen verbindlich eine ökologisch wertvollere Fläche unbebaut und Breitwiesen wird herangezogen.

Hammelsbrunnen oder Breitwiesen

Für Manfred Hopfauf ist das planerisch alles eindeutig. Zwar versteht er Bedenken der Bürger. Er sagt aber auch:

Wenn der Beschluss nicht getroffen worden wäre, hätten wir Hammelsbrunnen als ausgewiesene Gewerbefläche in die Planung aufgenommen.

Das wird automatisch passieren, falls es eine wie auch immer geartete Entscheidung gegen Breitwiesen gibt:

Wenn dem so wäre, nehm ich Breitwiesen wieder raus und Hammelsbrunnen ist wieder drin.

Aktuell ist der Stand: “Wir werden Hammelsbrunnen mit regionalplanerischen Restriktionen überziehen.” Konkret: Da wird so schnell nichts mehr gebaut.

Übergreifende Regionalplanung

Den Hintergrund, warum der Regionalplaner, den Entschluss des Gemeinderats begrüßt, schildert er so: Hammelsbrunnen sei aktuell im Flächennutzungsplan ausgewiesen. Die Regionalplanung sammelt zur Zeit alle Flächennutzungspläne ein und verbindet diese in einer übergreifenden Regionalplanung:

Wer Änderungen haben will, musste die bis vergangenen Herbst anmelden.

Das heißt, im April kommt es zur Anhörung bei der Verbandsversammlung. Im Mai geht die Vorplanung an die Träger öffentlicher Belange mit einer mindestens drei Monate dauernenden Offenlage. Im September/Oktober wird wieder beraten. Rund 1.500 Stellen werden gehört. Dazu können natürlich auch Bürger Einwände und Anregungen vorbringen:

Das mag hier und da gesetzlich nicht notwendig sein, aber wir nehmen darauf natürlich Rücksicht.

Das heißt, auch hier hat die BI “Schützt die Weinheimer Breitwiesen” wiederum die Möglichkeit, sich gegen den Flächentausch zu wenden. Aber immer im Bewusstsein, dass, sollte es keinen Tausch geben, der alte Flächennutzungsplan mit Hammelsbrunnen gelten wird.

Geschmäckle

Das Verfahren ist sehr aufwendig und wird in etwa zweieinhalb Jahren beendet sein. Dann gelten die Flächennutzungspläne, die dort eingearbeitet sind. Für eine mittelfristige Planung spielen die 700-750 Hektar Konversionflächen eine unsichere Rolle: Viele zu viele rechtliche Unwägbarkeiten lasten noch auf den Arealen, als das man sie auch nur  grob überplanen könne. Aus Sicht von drei bis fünf Jahren wird sich da vermutlich nicht sehr viel tun – Kommunen, die dann aber initiativ werden wollen, brauchen ihre beplanbaren Flächen – soweit die Regionalplanung.

Die Tatsache, dass Oberbürgermeister Bernhard schon gut ein Jahr an dem Projekt arbeitet, es dann aber im Galopp durch den Gemeinderat gebracht hat, hat mindestens ein Geschmäckle. Auch für den Gemeinderat, der insgesamt sehr überrascht getan hat, weil man angeblich auch nur kurz von den Planungen wusste. Sollte aber auch der Gemeinderat (oder Teile) schon früher als bislang bekannt von den Planungen gewusst haben, wird es streng. Dann hätte das Gremium mit all seinen politischen Volksvertretern ebenfalls kein Interesse gezeigt, die Bürger “frühzeitig” in Kenntnis zu setzen und jetzt sogar einen gesetzlichen Bürgerwillen vorsätzlich verletzt, indem nicht über das Bürgerbegehren entschieden worden ist.

“Bürgernähe” geht auch anders

Die jetzt beschlossenen “Bürgerräte” sind beim besten Willen kein Beweis dafür, dass OB Bernhard bürgerfreundlich agiert. Es ist der letzte Versuch, die im Hauruck-Verfahren durchgezogene Entscheidung für den Aufstellungsbeschluss irgendwie zu retten und den Anschein zu wahren, alle laufe in einem geordneten Verfahren ab.

Ein geordnetes Verfahren hätte spätestens 2010 den Plan bekannt gemacht, die Flächen tauschen zu wollen. Dann hätten sich Bürgerschaftschaft in öffentlicher Debatte eine Meinung bilden können. Und es wäre keine Rechtsunsicherheit entstanden, falls Bürger ein initiierendes Bürgerbegehren geplant hätten. Dann hätte es einen Bürgerentscheid geben können – der sich hinterher als gut oder falsch erwiesen hätte, ganz unabhängig vom Ausgang.

So bleiben zwei Alternativen: Entweder hat die Verwaltung das wichtige Thma verschlafen oder verbummelt oder sie bis zum letzten Ausweg gewartet, um Druck aufzubauen und eben keine Diskussion zuzulassen. Beide Varianten sind nicht sehr charmant und vor allem eins nicht: bürgerfreundlich.

Tatsächlich wurden Fakten geschaffen. Es gibt kein “Wachstum im Verbrauch”, wie Regionalplaner Manfred Hopfauf sagt. Das ist bezogen auf die ausgewiesenen Flächen zutreffend. Der Verbrauch der Energie der Bürger, der Verbrauch von politischer Glaubwürdigkeit des OB und des Gemeinderats hingegen, sind exorbitant hoch.

 

Auf Joachim Gauck lasten schon jetzt viele Hoffnungen - die Enttäuschungen werden nicht ausbleiben

Der Aufrechte

Joachim Gauck ist der 11. Bundespräsident. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia

 

Rhein-Neckar, 18. März 2012. (red) Joachim Gauck (72) ist heute zum 11. Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden. 991 von knapp 1.200 Stimmen konnte er in der Bundesversammlung auf sich vereinigen und wurde damit überzeugend als gemeinsamer Kandidat der großen Parteien ins Amt befördert. Der ostdeutsche Pfarrer vereint viele Hoffnung auf sich, das Lob ist groß, doch das kann sich ändern.

Von Hardy Prothmann

Was soll man über einen schreiben, den man nicht kennt? Gar nichts? Oder das, was man zu wissen glaubt?

Wenn Sie heute oder morgen oder in den nächsten Tagen Artikel über Joachim Gauck lesen – denken Sie an diese Fragen und fragen Sie sich, ob die, die etwas geschrieben haben, sich diese Fragen auch gestellt haben.

Die allermeisten Journalisten, die sich über Joachim Gauck in der Vergangenheit ausgelassen haben, kennen ihn nicht persönlich. Das ist auch nicht unbedingt nötig, um sich eine Meinung zu bilden. Da geht es Journalisten wie anderen Menschen: Man sammelt Informationen, vergleicht sie, ordnet sie ein und irgendwann hat man irgendeine Meinung.

Viel Lob am Anfang

Aktuell wird sehr positiv über den neuen Bundespräsidenten geschrieben. Das ist auch vollkommen in Ordnung, denn Gauck hat auf den ersten Blick sehr viele Vorteile.

Er ist klug, ein brillanter Redner, vor allem parteilos. Er gilt als frei von Seilschaften und bisweilen als stur, was seine Meinungen angeht. Diese wirken manchmal ein wenig sonderbar, weil er beispielsweise als Beauftragter für die Stasi-Unterlagen (Gauck-Behörde) ein Vermächtnis der DDR-Diktatur aufbereitete, über das Missetäter zu Fall kamen und Opfer Entschädigungen einfordern konnten, andererseits aber auch Opfern übers Maul fuhr.

Hardy Prothmann, verantwortlich für dieses Blog, tritt für subjektiv-objektiven Journalismus ein: Seine Meinung auf Basis von Fakten finden und äußern.

Er hat irritiert, weil ihm jeder den aufrechten Demokraten abnimmt, er aber andererseits positive Äußerungen zum Rechtspopulisten Sarrazin von sich gab.

Soviel steht fest: Gauck passt in keine Schublade und das ist gut so.

Die Kritik wird folgen

Gauck gilt vielen vor allem als Hoffnungsträger, die Deutschen nach über zwanzig Jahren Einheit endlich zu einen. Er wird in Ost und West respektiert. Als Staatsoberhaupt bringt der 72-jährige evangelische Pfarrer vor allem eines mit – eine souveräne Ausstrahlung.

Das kleine Skandälchen, dass er seit Jahren mit der 20 Jahre jüngeren Journalistin Danila Schadt liiert – allerdings immer noch mit seiner Frau Gerhild, mit der er vier Kinder hat, verheiratet.

Im Jahre 2012 wird das zwar immer noch debattiert in der Öffentlichkeit – aber es hindert Gott sei Dank nicht, trotzdem mit Würde und Respekt das oberste deutsche Amt auszuüben.

Man darf gespannt sein, wann Gauck für Ärger sorgen wird. Und das wird er – nicht beim Volk vermutlich, aber bei den Parteien. Denn Gauck wird so klug sein, sich überwiegend auf seine repräsentativen Aufgaben zu konzentrieren und diese gut ausfüllen. Er gilt als strukturierter Arbeiter. Aber er wird sicher immer dann, wenn er denkt, dass er sich äußern muss, seine machtvollstes Instrument gebrauchen: das Wort. Und dieses beherrscht er wie nur wenige.

Gauck und Merkel

Gauck ist sicherlich nicht der Bundeskanzlerin Angela Merkel erste Mal – wie mögen beide christlich sein und beide aus dem Osten. Das ist aber schon ungefähr alles, was die beiden verbindet.

Gauck wird ein partei- und klüngelfreier Bundespräsident sein.

Meine große Hoffnung ist – das er Zuversicht und dank seiner Rhetorik den Unterschied zwischen Kritik und Nörgelei klar macht. Denn das Nörgeln beherrschen die Deutschen – die Kritik und den Umgang damit oft nicht.

Der Aufrechte. Auf Joachim Gauck lasten viele Hoffnungen. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia

Weiter hoffe ich, dass Gauck nach außen unsere deutsche Demokratie sehr gut vertritt und nach innen klar macht, dass wir eines der glücklichsten Länder dieser Welt sein müssen, denn unsere Freiheit, unser Rechtssystem, unsere Wirtschaft, unsere Kultur und unsere Bildung funktioniert im Vergleich mit anderen Ländern sehr gut bis brillant. Das vergessen leider viele immer wieder.

Gauck ist dafür der richtige Mann. Beide Eltern waren in der NSDAP – wie viele. Der Vater in Kriegsgefangenschaft – wie viele. Gauck wuchs unter dem Regime der DDR auf – wie viele.

Und Gauck schätzt und liebt die Freiheit, die die Wiedervereinigung gebracht hat. Er weiß auch, was das Gegenteil bedeutet.

Ganz sicher ist der Rostocker kein Revolutionär. Er ist nicht, anders als oft dargestellt, eine treibende revolutionäre Kraft “Wir sind das Volk” gewesen. Er kam später dazu, aber er war dann sicher eine wichtige Person.

Jetzt ist er der oberste Deutsche. Ein Aufrechter.

Hoffen wir, dass es ihm gelingt, diese Haltung zu wahren. Es wird genug geben, die ihm schwer machen werden.

Warnstreiks bringen Ärger für Bürgerinnen und Bürger

Rhein-Neckar, 05. März 2012. Müllmänner, Busfahrer, Krankenschwestern, Kinderbetreuer sind von der Gewerkschaft verdi zu Warnstreiks aufgerufen werden. Die Folge: Durch den Arbeitskampf leiden die Bürgerinnen und Bürger.

Von Hardy Prothmann

Der Ärger ist kalkuliert und soll Druck ausüben. Die Gewerkschaft rechnet mit mehreren tausend Streikenden. Zehntausende, hunderttausende Bürgerinnen und Bürger werden darunter leiden müssen.

Hintergrund ist die Forderung nach mehr Geld für die fast zwei Millionen Beschäftigten beim Bund und den Kommunen. Die Gewerkschaften fordern 6,5 Prozet mehr Lohn. Die Arbeitgeber forderten, dass die Gewerkschaften ihre Forderungen nach unten anpassen sollten.

Die Gewerkschaftler fassten es als Provokation auf, dass die Arbeitgeber kein Angebot vorgelegt hätten. Nun reichen die Gewerkschaften diese “Provokation” an die Bürgerinnen und Bürger weiter:

“Beim Auftakt der Tarifverhandlungen am 1. März 2012 in Potsdam haben die Arbeitgeber erneut die Chance verpasst, aus den Fehlern vergangener Tarifrunden zu lernen: Zum wiederholten Male legten sie zu Verhandlungsbeginn kein Angebot vor.”

Ob es auch ein Fehler sein könnte, die Bürgerinnen und Bürger so unter Druck zu setzen, fragen sich die Gewerkschaften nicht. Sie tun das einfach: Und eine Forderung von 6,5 Prozent mehr Gehalt ist utopisch hoch. Will man am Ende die Provokation?

Dabei haben die Verhandlungern erst am 01. März begonnen, heute, am 05. März wird schon gestreikt, die nächste Verhandlungsrunde soll am 12. März stattfinden.

Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes haben klar ein recht auf Streik, wenn die Arbeitsbedingungen unzumutbar oder im Vergleich sehr viel schlechter sind. Ist das so?

Diese Beschäftigten haben aber eine ungleich höhere Verantwortung als andere Arbeitnehmer, denn sie erhalten ihr Geld über die Steuern von uns Bürgerinnen und Bürgern.

Und diese müssen auch irgendwie rumkommen – allein erziehende Mütter ihre Kinder unterbringen können, Schulkinder müssen transportiert werden und andere ihre Arbeit erreichen.

Man muss von beiden Seiten, Gewerkschaften und Arbeitgebern, mehr Vernunft erwarten dürfen, sonst schwindet das Vertrauen in einen zuverlässigen öffentlichen Dienst.

Geprothmannt: Die Bundespräsidenten und die Meinungsfrage

Die Medien, die Macht und die Moral

Joachim Gauck soll der 11. Bundespräsident werden. Es gibt Kritik an ihm, aber auch Hoffnung. Jeder entscheidet sich selbst über seine Meinung aufgrund von Informationen. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia

 

Rhein-Neckar, 23. Februar 2012. (red) Neben der Debatte um Wulff und Gauck wird auch eine über die Rolle der Medien geführt. Wie viel Macht haben sie? Wie viel Moral? Was dürfen Medien, was nicht? Diese Fragen und das Suchen von Antworten begleiten die Debatte um “den” Bundespräsidenten und das ist gut so. Medien sollen kontrollieren und meinungsfördernd sein – aber sie müssen auch kontrolliert werden: Man darf sich durch sie eine Meinung bilden und eine Meinung zu ihnen haben.

Von Hardy Prothmann

Was rauschte der Blätterwalt, was wurde nicht alles gepostet – zu Wulff und Gauck? Zum zurückgetretenen 10. und zum designierten 11. Bundespräsidenten.

Und parallel zum unwürdigen Verhalten des Vorteilspräsidenten Wulff wurde das Verhalten der Medien diskutiert. Gut oder schlecht? Mächtig oder überschätzt?

Und mit der Entscheidung für Gauck kam der angebliche “shitstorm” in den sozialen Netzwerken, falsche oder verfälschte Quellen und Zitate bei elektronischen Medien. Behaupten vor allem “traditionelle” Medien.

Kritik vs. Kritik

Kritik folgte auf Kritik. Aber nicht vorurteilsfrei, sondern verurteilungsfreudig. Meinungsmache vs. “Meinung haben”. Standpunkt vs. Polemik – je nachdem, aus welcher Perspektive man die Debatten über den zurückgetretenen und vermutlich künftigen Bundespräsidenten eben hat, haben kann, haben will.

Hardy Prothmann, verantwortlich für dieses Blog, tritt für subjektiv-objektiven Journalismus ein: Seine Meinung auf Basis von Fakten finden und äußern.

Diese Debatten sind sehr erstaunlich: Während viele Bürger die Macht der Meinungsmacher, also der (traditionellen) Medien thematisieren, thematisieren (traditionelle) Medien die Äußerungen von Bürgerinnen und Bürgern als unzulässig, unprofessionell und als “shitstorm”.

Und “schuld” daran ist dieses Internet: Ein Medium ohne zentrale Struktur, ohne Redaktionsschluss, ohne Redaktionslinie, ohne Seilschaften, ohne Parteibuch, ohne jede Abhängigkeit, bis auf die, ob man einen Online-Zugang hat oder nicht.

Informationsfreiheit

Ohne auf Einzelheiten zu Wulff oder Gauck eingehen zu wollen: Jeder hat die Möglichkeit, sich ungehindert über das Internet zu informieren und zu kommentieren. Jeder hat die Möglichkeit, eine Information, die er hier findet, mit anderen Informationen zu vergleichen.

Und zwar auch unabhängig von Öffnungszeiten von Kiosken, Zustellzeiten von Zeitungen, Sendungszeiten von Hörfunk oder Fernsehen.

Das Internet ermöglicht allen Bürgerinnen und Bürgern, sich ungehinderter denn je ihre Meinungen zu bilden und ebenso ungehinderter denn je, ihre Meinungen zu äußern. Nicht nur zu äußern, sondern sogar zu verbreiten.

Irritationen

Das irritiert die “Torwächter” (Gatekeeper), die traditionelle Medien lange waren. Die Politiker, die mit traditionellen Medien lange gemeinsame Sache gemacht haben wie auch alle anderen, die “die Medien” als das genutzt haben, was “die Medien” aus sich selbst gemacht haben – eine Meinungsverkaufstheke.

Bei den konservativen Medien gabs Schwarzbrot, bei den linken Medien Habssattbrot und bei der Bild gibts seit jeher Brot und Spiele.

Kein anderes Medium beherrscht den Kosmos von Blut und Sperma, Moral und Empörung, Star und gefallener Engel, Teufel und Hoffnungsträger so gut, wie das Springerblatt.

Tiere – Titten – Tote

Die einfache Formel TTT – Tiere, Titten, Tote – zieht seit Jahrzehnten.

Mit der Bild nach oben und dann ab in den Keller: Das Ehepaar Wulff. Bild: Franz Richter, BY-SA CC 3.0, Wikipedia

Die Bild-Zeitung ist ein Drecksblatt, skrupellos und habgierig. Es bemächtigt sich allem und jedem, womit man Aufmerksamkeit erzielen und diese verkaufen kann.

Und jeder, der sich auf die Bild einlässt, muss wissen, dass man mit ihr “nach oben fährt, aber auch nach unten” (Anm. d. Red.: Es gibt einen “Pater noster” im Axel-Springer-Hochhaus”, der unaufhörlich nach oben und nach unten wandert.)

Aber die Bild-Zeitung ist das professionellste Blatt in ganz Europa. Sie beschäftigt sich mit Schmutz und wenn keiner da ist, dann erfindet sie welchen. Die Rechtsabteilung ist groß, Schadensersatz ins Produkt “Bild” mit einkalkuliert.

Leidmedium Bild

Und die meisten anderen Medien folgen der Bild – die wird im Kanzleramt wie auf der Schicht wie in den Redaktionen zuallerst gelesen.

Hat sie deshalb Macht? Missbraucht sie diese? Sind alle Personen, die in Bild auftauchen nur Opfer?

Keineswegs und ganz klar ja.

Der Skandalbundespräsident Christan Wulff wurde von der Bild nicht gezwungen, sich von einem befreundeten Unternehmer einen Kredit geben zu lassen. Auch nicht, von anderen Unternehmern Vorteile zu erlangen.

Er wurde nicht Home-Stories gezwungen, zu Urlaubsstories und was sonst noch privat alles so interessant am Glück der Wulffs war.

Sündenfälle

Die Bild zwingt niemanden ins Bett mit Sekretärinnen und Geliebten. Sie veranstaltet keine Drogen- und/oder Prostituiertenparties, sie stiftet nicht zur Steuerflucht an, sie ist nicht verantwortlich für Gammelfleisch, einen “Wir sind Papst”, für Korruption und Vorteilsnahme und schon gar nicht für Mord und Totschlag, der immer gerne genommen wird.

Und die Bild hat die Staatsanwaltschaft Hannover nicht gezwungen, um Aufhebung der Immunität von Wulff zu bitten, um zu Verdachtsmomenten ermitteln zu können.

Die “Macht der Medien” basiert auf Artikel 5 Grundgesetz:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Die Bild nutzt dieses Bürgerrecht gnadenlos aus. Das muss man ihr genauso vorwerfen, wie jedem, der nur “Scheiße” loswerden will bei einem Shitstorm im Internet.

Haltung

Jede journalistische Redaktion muss prüfen, welche Linie sie vertreten will, was wichtig und was nicht wichtig ist. Worauf man Wert legt und worauf nicht. Das ist eine Stilfrage – aber auch eine, die über Aufmerksamkeit entscheidet.

Wird Jochim Gauck ein "guter" Bundespräsident werden? Darüber darf und sollte man sich seine eigene Meinung bilden. Bild: J. Patrick Fischer. BY-SA CC 3.0 Wikipedia

Die Nutzer dieses Produkts “Meinungsbildung”, haben das Recht und die Pflicht, sich ebenso verantwortlich zu verhalten. Dreck als Dreck zu identifizieren und ihre Macht durch ihre Aufmerksamkeit und was sie dafür “bezahlen” auszuspielen.

Christian Wulff hat durch sein Verhalten das Amt des Bundespräsidenten beschädigt – diese Meinung teilen viele, aber nicht alle.

Joachim Gauck wird kein einfacher Bundespräsident werden und ob er geeignet ist, wird die Zukunft zeigen.

Der “shitstorm” ist gut, denn Herr Gauck wird über- und geprüft. Das ist ein großer Vorteil, denn alles, was er vor der Amtsübernahme gesagt hat, kann er nun selbst prüfen, sich eine neue Meinung bilden und dann als Bundespräsident dafür einstehen, was er im Amt tut oder sagt.

Meinungsfreiheit

Darüber urteilen werden alle die, die interessieren und sich interessieren – mit der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit.

Die Menschen, die Medien und die Moral der daraus resultierenden Gesellschaft.