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Samstag, 31. August 2013

Behörden-Fernsehen – der SWR und sein Dilemma


Guten Tag!

03. Februar 2011. Der Südwestdeutsche Rundfunk (SWR) will ein TV-Duell zwischen Ministerpräsident Stefan Mappus und “seinem Herausforderer” Nils Schmid veranstalten. Dabei zeigen Umfragewerte, dass der Grüne Winfried Kretschmann der “vermutliche Herausforderer” ist. Doch die Umfragewerte, die sonst so gerne wichtig berichtet werden, bezeichnet SWR-Chefredakteur Michael Zeiß als “flüchtig”. Die Frage ist, wovor Herr Zeiß und der SWR auf der Flucht sind.

Kommentar: Hardy Prothmann

Grünen-Spitzenkandidat will sich "duellieren" - der SWR will die "Machtverhältnisse" einhalten. Journalistische Fragen spielen für SWR-Chefredakteur Michael Zeiß nur eine "flüchtige Rolle". Quelle: Bündnis90/Die Grünen

Wer sich ein wenig für Medien interessiert, ist nicht wirklich über das Dilemma erstaunt, in dem sich der SWR gerade befindet und das er selbst provoziert hat.

Am 15. März 2011 will der SWR ein “TV-Duell” zeigen, in dem Ministerpräsident Mappus mit dem SPD-Spitzenkandidaten Schmid diskutieren soll. Seit Monaten zeigen allerdings Meinungsumfragen, dass Bündnis90/Die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann vermutlich zweitstärkste Kraft im Stuttgarter Landtag werden könnten. Und deren Landesvorsitzende Silke Krebs und Chris Kühn beschwerten sich nun in einem offenen Brief an die Intendanten Peter Boudgoust: “Das geht an der Realität vorbei.”

Politischer SWR-Proporz.

Der SWR sieht die Realitäten anders und orientiert sich nicht an einer möglichen neuen “Machtverteilung”, sondern an der bestehenden. Danach ist die CDU die stärkste Partei, gefolgt von der SPD und dann den Grünen.

Ein “Angebot” von Mappus, in je ein Duell mit je einem der Kandidaten einzusteigen, lehnte der Sender ab, weil Mappus dann “bevorzugt” würde.

Das klingt auf den ersten Blick vernünftig, tatsächlich muss man sich für dumm verkauft vorkommen.

Denn diese so “schlagkräftige” Argument, mit dem der Sender und Herr Zeiß scheinbar so tun, als verhalteten sie sich “journalistisch einwandfrei”, ist logisch falsch.

Zu Ende gedacht, sollte man das Angebot von Herrn Mappus annehmen. Statt einem oder zwei “Duellen” sollten drei stattfinden: Auch eines zwischen Herrn Schmid und Herrn Kretschmann.

Jeder gegen jeden wäre spannender.

Jeder Kandidat hätte dann mit je einem anderen Kandidat diskutiert. Das wäre sogar journalistisch spannend.

Tatsächlich steht das SWR-Fernsehen unter TV-Chefredakteur Michael Zeiß eher nicht für guten Journalismus, wie die Ägypten-Berichterstattung, für die der SWR “federführend” ist, eindrücklich belegt.

Der SWR zeigt sich unbeweglich wie eine Behörde, die er letztlich auch ist. Mit GEZ-Gebührengeldern fein ausgestattet, werden die politischen “Ist”-Zustände bedient.

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass die wichtigen Posten in den Sendern streng nach Parteien-Proporz besetzt sind. Einmal schwarz, einmal rot, ein bisschen gelb und grün ist bislang, wenn überhaupt besetzt, dann eher für die Berichterstattung von der Wiese.

Hier werden im Hintergrund mit großer Wahrscheinlichkeit “Strippen” gezogen. Oder anders: Der Kampf um die Macht in der Politik ist auch ein Kampf um die Macht im Sender.

Denn wenn die Grünen tatsächlich zweitstärkste Kraft im Land werden sollten, wird sich auch beim SWR viel verändern, sobald die Verträge von altgedienten “beamteten” Journalisten auslaufen. Dannn werden Posten neu besetzt. Streng nach Proporz.

Doch halt. Vielleicht auch nicht. Wenn man die Grünen ernst nimmt, könnte es dazu kommen, dass nicht der Parteiproporz, dem so gut wie alle “führenden Journalisten” beim SWR und anderen Sendern ihre “Funktion” zu verdanken haben, in Zukunft entscheidet, sondern viel eher die journalistische Kompetenz und Aufrichtigkeit.

Verkorkste Verhältnisse.

Wie verkorkst es mit dem Journalismus beim SWR schon lange steht, erkennt man an der Argumentation der “Machtverhältnisse”, die man vorgeblich “abbilden” will.

Journalismus hat nicht die Aufgabe, gegebene oder vermutete “Mächte” zu bedienen, sondern zu berichten.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird für diese Arbeit mit Milliarden an Gebührengeldern finanziert, um eine unabhängige Berichterstattung zu gewährleisten.

Der SWR-Intendant Peter Boudgoust hatte einen Vorgänger, Herrn Peter Voß. Der hatte 35 Jahre lang ein CDU-Parteibuch und stand zu dieser persönlichen Entscheidung und wird als Journalist und Intendant aufgrund seiner unabhängigen Haltung bis heute respektiert.

Politische Einflussnahme auf vermeintlich unabhängige Sender.

Peter Voß hat im Dezember 2009 sein Parteibuch nach der Kampagne gegen den ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zurückgegeben. Brender, eine ebenfalls herausragende Persönlichkeit, wurde durch den ehemaligen hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch geschasst.

SWR-Intendant Boudgoust hat sich nicht geäußert und sein Chefredakteur Zeiß versteckt sich hinter dem Hinweis auf die Meinung von “Sender-Juristen”: “Die Frage aller Fragen beim Duell lautet: Wer ist die stärkste Regierungspartei – und wer ist die stärkste Oppositionspartei. Diese Stärke bemisst sich nicht anhand von Umfragen, die ja immer nur ein momentanes, flüchtiges Bild abgeben, sondern sie lässt sich eindeutig an Wahlergebnissen festmachen. Das ist die juristische Grundlage für unsere Entscheidung, und demnach ist es für uns ganz eindeutig, dass Ministerpräsident Mappus von der CDU hier auf den Spitzenkandidaten der SPD trifft, die auch im Landtag die Opposition anführt.”

Würde der Mann journalistisch denken, müsste er die Konsequenzen aus seiner eigenen Analyse ziehen: “Ergänzend ziehen wir auch noch einen journalistischen Prüfungsmaßstab an: Wir haben uns bei dieser Entscheidung durchaus auch kritisch gefragt, ob diese Rolle der stärksten Oppositionspartei inhaltlich mittlerweile womöglich den Grünen zugefallen ist. Klares Ergebnis dieser Prüfung: Sowohl die SPD, als auch die Grünen decken alle Politikfelder mit Positionen ab, die zum großen Teil in Opposition zur Regierungslinie stehen.”

Juristische statt journalistische Bewertung.

Doch Herr Zeiß weiß einen Fluchtweg, den der SWR über eine Pressemitteilung streut: “Abgesehen von dem derzeitigen Umfragehoch der Grünen, das im engen Zusammenhang mit den Themen Umwelt- und Verkehrspolitik steht, ist daraus aber keine Veränderung der Auswahl zu begründen, wie sie sich aus der juristischen Bewertung ergibt.”

Das liest sich nicht wie eine journalistische Überzeugung, sondern wie ein Amtsbescheid mit Stempel.

Man muss deshalb vermuten, dass es dem SWR nicht um seine Kernaufgabe – die unabhängige journalistische Information der Öffentlichkeit – geht, sondern um die Einhaltung des Proporz. Deswegen spielt die FDP auch überhaupt keine Rolle. Die ist zwar mit der CDU an der Regierung beteiligt, kommt aber noch nicht einmal “theoretisch” in Frage für ein “Duell”.

Landtagswahl: Sckerl beherrscht die Debatte


Guten Tag!

Hirschberg, 19. Januar 2011. Am Montagabend diskutierten die vier Landtagskandidaten von CDU, Bündnis90/Die Grünen, SPD und FDP ihre Positionen auf Einladung der Freien Wähler.

Ein spannender Termin. Ein anstrengender Termin über fast drei Stunden. Anstrengend für das Podium und für die rund 70 Gäste.

Mit Fakten, Zahlen, Behauptungen, Zurückweisungen, Anklagen, Polemiken und Versprechen. Es ist Wahlkampf. Die Top-Themen waren nur vordergründig Stuttgart21 und die Schulpolitik.

Das echte Top-Thema, das zur Zeit das Land bewegt, ist die innere Verfassung der Politik(er) und der Bürger und wer über was bestimmt.

Von Hardy Prothmann

Von links nach rechts sitzen am Podium die aktuellen Abgeordneten und Kandidaten Dr. Birgit Arnold (FDP), Gerhard Kleinböck (SPD), Hans-Ulrich Sckerl (Bündnis90/Die Grünen) und Georg Wacker (CDU). In der Mitte sitzt Volker Barzyk, stellvertretender Vorsitzender der Freien Wähler und Moderator der Runde.

Bilder für die Presse.

Die Spannung ist zum Greifen.

Vor dem Podium sitzen rund 70 Bürger. Man merkt während der Wortbeiträge am Verlauf des Beifalls und der Kommentare, wer für wen ist. Es sind viele “Grüne” da. Natürlich viele Freie Wähler. Einige CDU oder SPD-Anhänger und ein paar für die FDP.

Auch im Publikum ist die Spannung zum Greifen.

Der Ortstermin hat Charme. Denn die Freien Wähler – die stärkste “kommunalpolitische Kraft” im Land – dürfen als “objektiv” gelten, weil sie (noch) nicht mit eigenen Kandidaten am Landtagswahlkampf teilnehmen. Aber sie sind so abhängig wie alle anderen von den Entscheidungen in Stuttgart – das relativiert die “Objektivität”.

Volker Barzyk, Moderator

Die vordergründige Neutralität ist torzdem eine gute Voraussetzung für eine interessante Debatte im Feuerwehrhaus Großsachsen.

Selbst wenn man weiß, dass die Freien Wähler noch als “eher dem bürgerlichen Lager zugeneigt” gelten dürften. Unabhängig von einer Parteifarbe gilt die Realität der Entscheidungen in Stuttgart genauso unmittelbar für sie wie für die Parteifraktionen vor Ort. Und die Freien Wähler wissen auch in der wohlhabenden Gemeinde Hirschberg, dass die Landespolitik zu oft zu sehr zu Lasten der Kommunen geht.

Kräftemessen.

Moderator Barzyk beginnt unter Missachtung der “Farbenlehre” von ihm aus rechts gesehen, vom Publikum aus links, aber korrekt nach dem Alphabet und erteilt Frau Arnold das Wort.

Dr. Birgit Arnold, FDP

“Ich sehe eine sehr positive Entwicklung. Vor der Schlichtung waren 54 Prozent der Bürger gegen Stuttgart21, danach waren 54 Prozent dafür. Das hat sich umgedreht.” Sie ist “enttäuscht über den Umgang der Grünen mit dem Schlichterspruch”: “Das ist politisch unterm Strich unglaubwürdig”, sagt sie. Sie sagt natürlich noch viel mehr, aber das ist die Kernbotschaft: “Stuttgart21 wird gebaut. Auch, wenn den Leuten vorgegaukelt wird, dass sich was ändern würde.”

Gerhard Kleinböck, SPD

Herr Kleinböck sagt: “Die SPD hat in der Debatte um Stuttgart21 nur wenig stattgefunden.” Er informiert, dass die Mehrheit der SPD für Stuttgart21 sei, er selbst aber dagegen und sagt: “Ich empfehle dringend, den Protest der Bürger wahrzunehmen. Viele Abgeordnete haben mit Beginn der Baumaßnahmen gehofft, dass der Protest abnimmt.” Und er behauptet: “Wir haben die Möglichkeit für einen Volksentscheid eröffnet.”

Uli Sckerl, Bündnis90/Die Grünen

Hans-Ulrich Sckerl sagt: “Die Schlichtung war gut und richtig. Es kann aber nicht sein, dass ein Mann einen Spruch verkündet und alle haben sich zu fügen. Nur ein Volksentscheid bringt eine Befriedung. Dem würden wir uns unterwerfen. So gute Demokraten sind wir allemal.” Und: “Frau Arnold, ich halte nichts davon, dass Sie unseren Rechtsexperten diffamieren und ihren über den Klee loben. Wenn man es politisch will, findet man eine Lösung.”

“Stuttgart21 ist ein Projekt, dass für alle Menschen von Vorteil sein wird,”, sagt Georg Wacker als letzter in der ersten Runde: “Sonst wird Baden-Württemberg umfahren.” Und: “Drei unabhängige Gutachter haben festgestellt, dass die Kosten von 4,5 Milliarden im Grunde realistisch sind. Das muss man dann auch akzeptieren, auch wenn ich Herrn Kleinböck und Herrn Sckerl recht gebe, dass es keine 100-prozentige Planung geben kann. Doch nach fünfzehn Jahren politischen Entscheidungsprozessen ist das demokratisch legitimiert. Es gibt eine Verpflichtung der Entscheidungsträger, zu den Entscheidungen zu stehen.”

Die Details sind nicht wichtig – die gingen eh an den Bürgern vorbei.

Gut eine dreiviertel Stunde ist vorbei. Keine Chance, auch nur annähernd den 15-jährigen Entscheidungsprozess wiederzugeben. Alle Kandidaten haben viel mehr gesagt, als sie hier zitiert werden. Sonst müsste man noch mehrere Seiten Protokoll anfügen.

Georg Wacker, CDU

Es geht auch nicht ums Detail. Für Details standen 15 Jahre zur Verfügung. “Demokratisch legitimierte Entscheidungsprozesse”. Keiner bestreitet das. Doch alle wissen: Das ging an den Bürgerinnen und Bürgern voll vorbei. Es wird über Prozesse diskutiert, die offenbar zu unverständlich oder zu komplex sind. Oder nicht oder falsch oder zu intransparent vermittelt wurden.

Auch Moderator Volker Barzyk ist überfordert. Er tut so, als könne er einfach weiterfragen. Ohne dass er das möchte, spiegelt er die große Debatte im “kleinen” Rahmen.

Bereits an dieser Stelle spannen sich die Rücken der Gäste. Schon jetzt drängen Fragen. Aber es geht weiter.

Der Volksentscheid – die Antwort auf alle Fragen?

“Wie steht die FDP zu einem Bürgerentscheid?”, fragt Herr Barzyk.

“Ein Volksentscheid ist gegen die Verfassung”, antwortet Frau Arnold und rechnet vor, dass eine “Rückabwicklung” bis zu drei Milliarden Euro kosten würde.

Herr Kleinböck sagt: “Diese Illussion hatte ich nie, dass ein CDU-Mitglied Heiner Geissler für einen Volksentscheid ist. Dabei ist das die einzige Lösung, aus dem Dilemma herauszufinden.”

“Ich höre ständig neue Zahlen, die immer größer werden, was ein Ausstieg kosten soll”, sagt Sckerl. “Wir müssen den Menschen exakt sagen, was ein Ausstieg kostet und darüber informieren, dass sie die Kosten zu tragen haben, wenn sie sich mit Ja oder Nein entscheiden. Wovor haben Sie Angst, Frau Arnold?”

Herr Wacker sagt: “Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit im Land, ja in ganz Europa. Die Frage ist, ob wir als moderner Unternehmensstandort erhalten bleiben oder nicht?” Er nennt viele Zahlen dazu und sagt: “Man muss sich über die Tragweite Gedanken machen, was passiert, wenn Stuttgart21 nicht kommt.”

Top-Thema: Bürgerinnen und Bürger.

Politik besteht nicht nur aus Zahlen und Fakten. Politik ist das, was die Menschen angeht, woran sie teilhaben. Politik ist das, was die Menschen bewegt. Zur Zeit sind die Menschen sehr bewegt.

Das ist das Top-Thema des Wahlkampfs in Baden-Württemberg – Stuttgart21 oder die Schulpolitik sind nur Synonyme dafür.

Das Top-Thema heißt: Bürgerinnen und Bürger. Und ob sie der Politik noch folgen können oder nicht.

Gäste.

Hans-Ulrich Skerl ist an diesem Abend der Applaus-Sieger. Und nicht nur das: Ich sitze zwischen Freien Wählern und höre viele positive Kommentare. Und Murren. Vor allem über Frau Arnold und auch über Herrn Wacker: “Die verarschen uns”, sagt einer.

Uli Sckerl ist definitiv kürzer als die anderen drei, sagt klare Sätze: “Die Bürger gehen auf die Barrikaden, keine Chaoten, sondern ganz normale Bürger wie die hier in Hirschberg.”

Ein Gast ruft: “Die habt ihr in Bussen hingekarrt.” Uli Sckerl wiegelt ab: “Die Regierung hat überzogen, ohne Not, als sie einfach weitergemacht hat und den Protest nicht ernst genommen hat. Wenn das so weitergeht, wird es keinen Frieden geben.”

Unruhe vs. Aufmerksamkeit.

Als wenn manche im Publikum ihn bestätigen wollten, wird laut dazwischengerufen, gemurmelt, es herrscht Unruhe – wenn Sckerl redet.

Dabei redet er ruhig, verständlich und über die Rechte von Bürgern. Die “Sckerl-Gegner” in den Reihen der Gäste machen keine gute Figur an diesem Abend. Wahrscheinlich halten sie sich für “gute Bürger” und benehmen sich dabei einfach schlecht.

Wenn Frau Arnold oder Herr Wacker reden, verhalten sich die “grünen” Gäste ruhig und aufmerksam. Es wirkt wie ein Spiegelbild der Stimmung im Land. Friedliche Proteste, die zu “Gewaltdemos” stilisiert und niedergeknüppelt werden, stehen krakelenden “rechtschaffenden Bürgern” entgegen.

Zahlen und Verdächtigungen.

Herr Wacker redet was von “Initiatoren des Protests”.

Uli Sckerl verweist auf die Zahlen: “Während seit Monaten jedes Wochenende und an den Montagen bis zu 100.000 Bürger aus der Mitte der Gesellschaft auf die Straße gehen, haben die Befürworter gerade mal 7.500 Menschen versammeln können. Das sind die Zahlen und die muss man ernst nehmen.” Auch jetzt wird gestört, aber nicht mehr so sehr.

Es geht weiter mit der Schulpolitik – wieder gibt es zu lange Statements der Kandidaten. Das ist mehr als anstrengend für die meisten Gäste. Man merkt die Anspanung.

Arnold und Kleinböck.

Moderator Barzyk ist dem Redebedürfnis der Kandidaten kaum gewachsen und setzt zu selten einen Punkt. Zum Thema Bildung verirrt sich der Kandidat Kleinböck in langen Gedankengängen. Es fällt ihm sichtlich schwer, sich zu konzentrieren, obwohl er als Lehrer und Schulleiter eigentlich “der” Fachmann am Tisch ist.

Frau Arnold wirft Zahlen über Zahlen in den Raum und redet nur davon, wie positiv alles sei: “Wir haben die Werkrealschule auf den Weg gebracht.”

Bilderung ja – aber welche und wie?

Georg Wacker, Staatssekretär für Bildung bekennt sich wenig überraschend zum bestehenden Schulsystem und sagt: “Wir müssen die Realschule stärken. Sie ist die Schulart des sozialen Aufstiegs.”

Uli Sckerl sagt: “Wir wollen keine Schulform, die von oben verordnet wird. Wenn die Schulreformen so “rosig” sind, wieso gibt es dann so viel Aufruhr? Wieso ist der Landeselternbeirat dagegen? Warum gibt es so viele Hauptschulrektoren, die sagen, dass diese Schule keine Zukunft hat?”

Herr Wacker und Frau Arnold finden, dass das achtjährige Gymnasium “internationaler Standard ist. Da gibt es keinen Weg zurück.” Herr Kleinböck sieht das anders und will den Schulen freistellen, ob sie einen “G8″ und einen “G9″-Zug anbieten. Und Uli Sckerl kann sich vorstellen, dass die Schüler bis Klasse 10 gemeinsam mit unterschiedlicher Förderung “in der Kommune” unterrichtet werden: “Es gibt Alternativen zum dreigliedrigen Schulsystem.”

Herr Wacker sagt: “Wer die Hauptschule zur Unterschule abstempelt, stempelt die Schüler ab.” Es wird geraunt. “Das ist doch die Realität”, sagt jemand.

Immerhin, man ist sich einig, dass die “individuelle Förderung” zunehmen muss.

Die Gäste dürfen Fragen stellen. Viele ergehen sich in Erklärungen. Der frühere Freie Wähler-Vorsitzende Manfred Kopp sagt: “Nach 57 Jahren Regierung gibt es Verschleißerscheinungen. Demokratie lebt vom Wandel. Erleben wir ein “grünes Wunder” oder ein Come-Back der regierenden Parteien?”

Um 22:17 Uhr ist die “Diskussion” beendet, die pünktlich um 19:30 Uhr begonnen hat.

Die Gäste und auch die Kandidaten sind sichtlich geschafft von der Anstrengung.

Eindrücke.

Als Beobachter gebe ich meinen persönlichen Eindruck wieder – der sicher vom Eindruck anderer abweichen kann.

Ich unterstelle allen Kandidaten, dass sie das beste wollen – keiner ist in einer wirklich entscheidenden “Machtposition”, wie es beispielsweise ein Minister ist.

Aber es gibt deutliche Unterschiede. Der Staatssekretär Wacker “repräsentiert” immerhin die Macht als CDU-Mitglied. Er betont immer, wie seriös die Entscheidungen seien. Was mir missfällt ist seine “Angst-Rhetorik” – wenn Stuttgart21 nicht kommt, geht Baden-Württemberg den Bach runter. Wenn man etwas am Schulsystem ändert, riskiert man ein “erfolgreiches” Modell. Mit gefällt, dass er einlenkt und sagt, dass die regierende Politik an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei entschieden hat und dies ein Fehler ist.

Die “Koalitionspartnerin” Frau Dr. Arnold kann überhaupt nicht überzeugen. Sie wirft mit Zahlen um sich, die “künstlich” wirken und kann keine echte Überzeugung darstellen. Als sie Herrn Wacker fragt, ob sie sich äußern dürfe, mag das höflich gemeint sein, wirkt aber nur unterwürfig.

Herrn Kleinböck ist die Koalitionsbereitschaft mit den “Grünen” mehr als deutlich anzumerken. Zu oft redet er statt zu den Gästen in Richtung Herrn Sckerl. Er scheint sich damit abgefunden zu haben, dass diese Wahl zwischen den Grünen und der CDU entschieden wird und die SPD keine große Rolle spielt.

Der “Innenpolitische Sprecher” Hans-Ulrich Sckerl dominierte die Diskussion – nicht durch provokante Äußerungen, sondern durch Einsicht, dass die Bürgerinnen und Bürger bis ins bürgerliche Lager hinein mit der Regierungsarbeit nicht einverstanden sind. Überzeugend wirkt er durch seine Forderung, diese entscheiden zu lassen und sich einem Votum zu beugen.

Wacker vs. Sckerl. Sckerl vs. Wacker.

Damit ist Herr Sckerl der ernstzunehmende Gegenspieler von Herrn Wacker, der bekennt, dass die CDU-Politik an den Bürgern vorbeigegangen ist und dadurch sicherlich auch “Punkte” macht.

Die Kontrahenten: Sckerl und Wacker.

Der Wahlkampf wird ganz sicher an dieser Linie entschieden und der Frage, wem der Bürger mehr glaubt: Einer “geläuterten” CDU oder dem “Einläuten” einer neuen Ära durch die Grünen.

Die SPD spielt zwischen diesen Lagern keine große Rolle. Die FDP schon gar nicht.

Aller Voraussicht nach wird aber entscheidend sein, ob die FDP den Wiedereinzug ins Parlament schafft – und Die Linke nicht.

Der Weinheimer Kandidat von Die Linke, Matthias Hördt, war an diesem Abend nicht dabei. Angeblich, weil das den “Rahmen” sprengen würde, wie die Weinheimer Nachrichten den Freien Wähler-Sprecher Peter Johe zitierten.

Tatsächlich wohl eher, weil Die Linke noch nicht ins “politische Bild” der Freien Wähler passt. Auch das könnte sich ändern, ob das den Freien Wählern passt oder nicht.

Sollte Die Linke erfolgreich sein, wird deren Erfolg durch die verfehlte Politik der CDU befördert – unterstützt durch eine auch an diesem Abend deutlich gewordene fehlende Positionierung der SPD.

Grünes Wunder oder bürgerliches Come-Back?

Die Grünen haben noch längst nicht gewonnen – Uli Sckerl machte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass er sich mit seiner Partei bereits an der Macht sieht. Trotzdem war er der souveränste an diesem Abend. Denn die Grünen werden mit großer Wahrscheinlichkeit die absoluten Wahlsieger werden.

Ob es reichen wird, die Macht im Land zu übernehmen, wird erst am 27. März 2011 entschieden.

Das wäre ein “grünes Wunder”.

Wenn das nicht eintritt, bleibt es trotzdem spannend, ob es zu einem “Come-Back” der bürgerlichen Parteien kommt oder es beim Dienst nach Vorschrift bleibt.