Dienstag, 13. Dezember 2011 (22:12 Uhr)

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In eigener Sache: Protest gegen Hamburger Urteil zu “Schweigegeld”


Guten Tag!

Rhein-Neckar/Hamburg/Regensburg, 14. März 2011. (red) Heute wurde dem Regensburger Journalisten Stefan Aigner per Urteil untersagt, Zahlungen der Kirche an die Eltern eines Missbrauchsopfers als “Schweigegeld” zu bezeichnen. Das Netzwerk istlokal.de, zu dem auch unsere Blogs gehören, protestiert dagegen und fordert eine “Unterlassung” durch die Kirche.

Von Hardy Prothmann

Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Abmahnungen und Prozesse gegen Journalisten und teils auch Privatpersonen wegen missliebiger Meinungsäußerungen.

Unternehmen, Politiker, Organisationen, Privatpersonen und die katholische Kirche bedienen sich dabei häufig des Instruments des “fliegenden Gerichtsstands” – will man einen Journalisten mundtot klagen, wendet man sich ans Hamburger Landgericht. Dort gilt die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und Pressefreiheit nicht viel.

Drei Prozesse in drei Jahren – immer wegen Meinungsäußerungen

Für Stefan Aigner ist es der dritte Prozess in drei Jahren – ein Waffenhersteller und ein Möbelhaus hatten ihn bereits wegen seiner kritischen Kommentare verklagt. Den Prozess gegen das Möbelhaus hat er gewonnen, beim Waffenhersteller zog er seine Meinung zähneknirschend zurück – weil der Waffenhersteller die Prozesskosten übernommen hat. Stefan Aigner war finanziell nicht in der Lage, sich die Prozesskosten von mehreren tausend Euro leisten zu können.

Stefan Aigner: Ehrlich, aufrichtig, kritisch. Die katholische Kirche will ihn mundtot klagen. Bild: pro

Als ihn die Diözese Regensburg verklagte, weil er in einem Kommentar “Entschädigungszahlungen” an Eltern eines von einem katholischen Priester missbrauchten Jungen als “Schweigegeld” bezeichnet hatte, rief er zu Spenden auf. 10.000 Euro sind innerhalb von vierzehn Tagen zusammengekommen.

Selbst die Mutter des Kindes bezeichnete gegenüber dem Bayerischen Rundfunk später die Zahlung als “Schweigegeld” – für die Kirche kein Anlass, von der Klage abzusehen. Auch die Bereitschaft Aigners, die betreffende Passage umzuformulieren, fand kein Gehör. Aigner sollte offensichtlich einer “selbstgerechten Strafe” zugeführt werden.

Noch skandalöser ist, dass der betreffende Priester versetzt wurde und an der neuen Arbeitsstelle wieder Kinder missbraucht hat – Aufklärung und Schutz geht anders

Hätte die Kirche verloren, zahlt diese die jetzt angefallenen 8.000 Euro aus der Portokasse. Für Stefan Aigner, mit Herzblut Journalist, ist so ein Betrag geeignet, die wirtschaftliche Existenz zu zerstören. Das ist der Diözese Regensburg bekannt – wenn nicht, weiß sie es spätestens beim Lesen dieser Zeilen.

“Gott sei Dank” Dank der Spender konnte Aigner den Prozess führen – er wollte nicht klein beigeben. Das Urteil vor dem Hamburger Landgericht ist keine Überraschung – die Hamburger Kammer ist für pressefeindliche Urteile bekannt, deswegen wird auch hier gerne durch den “fliegenden Gerichtsstand” geklagt. Weshalb sonst sollte die Diözese Regensburg gegen einen Regensburger Journalisten in Hamburg klagen?

Auch gegen mich selbst wurde schon drei mal innerhalb von eineinhalb Jahren juristisch vorgegangen.

  • Der Heddesheimber Bürgermeister Michael Kessler forderte eine Unterlassung und zog diese Forderung wieder zurück – das Geld für die teuren Heidelberger Anwälte zahlt die Staatskasse.
  • Die für Heddesheim zuständige Redakteurin des Mannheimer Morgen, Anja Görlitz, erwirkte eine Einstweilige Verfügung gegen mich, die ich ausschließlich aus Kostengründen akzeptiert habe – Kostennote: knapp 5.000 Euro.
  • Der CDU-Ortsvereinsvorsitzende Dr. Josef Doll verlangte im November 2010 eine Unterlassung, hat diesen Anspruch aber offenbar fallengelassen.

Vor kurzem informierte mich ein Weinheimer Anwalt, dass er schon mehrfach Unterlassungsklagen gegen die von mir verantwortete Berichterstattung prüfen sollte, seinen Mandanten aber (klugerweise) davon abgeraten hat.

Missliebige Berichterstatter werden weggeklagt.

Wie sehr die katholische Kirche versucht hat, in hunderten von Fällen die sexuellen Übergriffe und Missbräuche an Kindern durch ihre Priester zu vertuschen und zu verschweigen ist hinlänglich bekannt. Insbesondere die Diözese Regensburg ist bislang eher nicht durch einen offensiven öffentlichen Umgang mit dem “Thema” aufgefallen.

Es ist eine Farce, wenn eine Kirche, die sich Barmherzigkeit und Gnade auf die Fahnen schreibt, so wenig für Aufklärung tut und gleichzeitig so viel, um missliebige Kritiker mundtot zu klagen.

Und es ist bedauerlich, dass die Hamburger Pressekammer den Ruf hat, als willfähriger Vollstrecker nicht für, sondern gegen die Meinungs- und Pressefreiheit zu urteilen.

Ganz sicher kann nicht jede Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt sein – Beleidigungen oder Unterstellungen, die jeder Grundlage entbehren, muss sich niemand gefallen lassen. Ob aber die Tatsache des hundertfachen Kindesmissbrauchs durch katholische Priester eine Grundlage sind oder keine, entscheidet jeder frei für sich.

Zu nah dran.

Ob Journalisten in Zukunft noch darüber öffentlich berichten, darf zunehmend bezweifelt werden. Die “Schere im Kopf”, also die Eigenzensur, wird durch solche Urteile erst richtig scharf gemacht. Jeder überlegt genau, ob er seine Existenz aufs Spiel setzt, nur, weil er eine Meinung äußert. Im Zweifel lässt man kritische Äußerungen “lieber” weg.

So verfahren viele Lokalzeitungen, die den “Mächtigen” nach dem Mund schreiben – kritischer Journalismus findet hier kaum noch statt, dafür aber immer mehr von unabhängigen Journalisten. Die haben aber keine großen Verlage mit großen Rechtsabteilungen im Rücken, dafür tragen sie das volle Risiko, mit allen Mitteln bekämpft zu werden.

Aus meiner Sicht zeigt sich die Kirche, in diesem Fall die Diözese Regensburg, als uneinsichtig und demokratiefeindlich. In der eigenen Presseerklärung gibt es kein Wort des Bedauerns gegenüber der Opfer, sondern ausschließlich Worte des Triumphs – man hat dem “Blogger” Stefan Aigner gezeugt, was “Wahrheit” ist.

Stefan Aigner wird in die zweite Instanz gehen und hofft auf weitere Spenden, die ihm dies ermöglichen. Stefan Aigner ist deswegen kein Held, aber er ist ein mutiger Journalist, der sich nicht zensieren lässt und dessen Recherchen und Artikel immer wieder für “Aufregung” sorgen.

Stefan Aigner ist ein vorbildlicher Journalist.

Verantwortlich dafür ist nicht Stefan Aigner, der nur macht, was immer weniger Journalisten leisten: Unabhängige Recherche, aufrichtige Berichterstattung und das mit einer unerschrockenen Haltung. Er arbeitet für seine Leserinnen und Leser und nicht für Lobbyisten – wie lange er und andere das noch dürfen, fragen sich zu Recht auf die “Webevangelisten“.

Ich bin durch Stefan Aigner erst durch das Internet aufmerksam geworden – ohne Internet hätte er nicht veröffentlichen können und sicher nirgendwo in der “etablierten” Presse seine Artikel unterbekommen, denn da will man keinen Ärger.

Stefan Aigner will auch keinen Ärger, ärgert sich aber wie ich und andere über Missbrauch gleich welcher Art, über Dumping-Löhne, über Amigo-Wirtschaft und Mauscheleien in Verwaltungen. Um unsere Arbeit noch besser machen und uns und andere schützen zu können, haben wir zusammen das Netzwerk istlokal.de gegründet, dem sich seit Mitte Januar bereits 46 “Blogger” angeschlossen haben. Unser Ziel: Die Förderung des kritischen Lokaljournalismus und der Meinungsfreiheit.

Deswegen unterstütze ich gerne den Spendenaufruf und hoffe, dass die nächste Instanz dieses “Schweigegeld”-Urteil aufhebt und die Meinungs- und Pressefreiheit damit stärkt. Alles andere wäre unerträglich.

Spendenkonto:

“Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V..
Volksbank Regensburg (BLZ 750 900 00)
Kontonummer: 63363
BIC: GENODEF1R01
IBAN: DE14750900000000063363

Die Spenden und Kosten werden regelmäßig offen gelegt. Bitte geben Sie bei der Überweisung an, ob Sie mit der Veröffentlichung Ihres Namens auf der Spenderliste einverstanden sind.”

Kommentare

  1. rheinneckarblog meint:

    Guten Tag!

    http://www.sueddeutsche.de/P5x38q/3959275/Zum-Schweigen-verurteilt.html

    Einen schönen Tag wünscht
    Das rheinneckarblog

  2. Jenny meint:

    Super, dass es zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt einen Verein gibt.

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