Weinheim/Rhein-Neckar, 17. Mai 2011 (red) Die Stadt Weinheim plant ein Geothermie-Projekt. Die bergbaulichen Rechte hat sich die Stadt gesichert – gesucht werden einer oder mehrere Investoren. Außerdem sollen die Bürger umfassend beteiligt werden – dass ist auch nötig, denn so rosig, wie der 1. Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner das Projekt heute in einer Pressekonferenz vorgestellt hat, wird es nicht sein. Risiken und Chancen müssen abgewogen werden. Die Stadt Bruchsal beispielsweise ist alles andere als glücklich mit ihrem defizitären Geothermie-Kraftwerk.
Von Hardy Prothmann
Soviel steht fest: Ohne eine umfassende Bürgerbeteiligung wird dieses Projekt für “Stress” sorgen. Geothermie galt lange als Zukunftstechnologie – aber auch eine mit Risiken.
Zukunft oder Risiko?
Die Erdbeben in den Stärken 2,7 und 2,4 der Richterskala, die im August und September 2009 im pfälzischen Landau aufgetreten sind, sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Betrieb der dortigen Geothermie-Anlage zurückzuführen. Einige Häuser erlitten leichte Schäden. Die Anlage ist in etwa vergleichbar mit dem von der Stadt Weinheim vorgestellten Projekt. Mehrere Bürgerinitiativen gegen die Anlage sind entstanden.
Die Ursache soll ein Betriebsfehler gewesen sein, sagt der von der Stadt Weinheim beauftragte Berater Dr. Jochen Bauer. Er sieht wegen andersartiger tektonischer Bedingungen eine nur sehr geringe Gefahr für Erdbeben in unserer Region – ausschließen lässt sich dies aber nicht.
Das Projekt werden wir redaktionell umfangreich begleiten, da das Interesse der Öffentlichkeit sicherlich hoch ist.
Insgesamt soll das Kraftwerk rund 30 Millionen Euro kosten. Eine Million Euro werden die geologischen Untersuchungen kosten, je rund sieben Millionen Euro die Bohrkanäle bis in 3.000 Meter Tiefe.
Von dort soll dann rund 160° Celsius heißes Wasser nach oben gefördert werden – rund 60-70 Liter pro Sekunde. Dieses heiße Wasser treibt eine Turbine an, die Strom erzeugt. In einem zweiten Schritt soll das Wasser auch Fernwärme erzeugen, bevor es durch einen Rückkanal wieder in die Tiefe zurückbefördert wird.
Vorteile und Hürden.
Der Vorteil liegt auf der Hand. Das heiße Tiefenwasser sprudelt laufend – die Betreiber können unabhängiger vom Energierohstoffmarkt ihre Preise kalkulieren. “Im Sinne einer energieautonomen Kommune ist das ein Zukunftsprojekt”, sagte Dr. Torsten Fetzner beim Pressetermin. Zudem werde kein CO2 erzeugt und im Gegensatz zur Windenergie die “Gegend nicht optisch beeinträchtigt”. Bis zu 5.000 Vier-Personen-Haushalte könnten mit Strom versorgt werden.
“Die mit Abstand größte Hürde wird sein, einen Kapitalpartner zu finden”, sagte Dr. Bauer. Der Grund: “Solaranlagen sind erprobt, dafür Kapitalgeber zu finden, ist relativ einfach. Geothermie-Projekte sind zwar nicht neu, aber im Vergleich weniger erprobt – das heißt, das Risiko ist nicht so leicht kalkulierbar.”
Gemeint ist zuvörderst das finanzielle Risiko. Zwar ist sich der Berater sicher, dass man nach den geologischen Untersuchungen sehr genau wird bohren können, aber das Risiko einer Fehlbohrung (Fündigkeitsrisiko) bleibt. Trifft man nicht die richtige Stelle, sind sieben Millionen Euro vergebens investiert worden.
Die Stadt hat sich deshalb an die großen EVUs (Energieversorgungsunternehmen) gewandt: “Wir würden beispielsweise sehr gerne mit der EnBW zusammenkommen”, sagte Dr. Fetzner. Auf Nachfrage bestätigte er, dass aber auch ein Investorenkonsortium denkbar wäre, eventuell in Verbindung mit einem Investorenfonds, an dem sich auch Bürger beteiligen könnten. Auch ein Zusammenschluss mehrerer Kommunen für die Investition und den Betrieb sei denkbar. Nicht denkbar ist hingegen, dass die Stadt Weinheim das Projekt alleine stemmt, denn dafür fehlt der verschuldeten Stadt das Geld.
Bislang wurden trotzdem bereits für drei Gutachten rund 63.000 Euro investiert – das dritte Gutachten war mit 88.000 Euro das bislang teuerste, davon trägt die Stadt aber nur 28.000 Euro, der Rest wird von der Stadtwerke GmbH Weinheim bezahlt, die aber mehrheitlich der Stadt gehört.
Rechte, Nutzung, Belastung.
Bereits im Jahr 2007 hatte sich die Stadt “den Claim”, also die Bergbaurechte gesichert: “Damit bleiben wir handlungsfähig und verhindern, dass jemand anderes ohne uns das Projekt angeht.” Hintergrund ist, dass das “Bergbaurecht” das “Baurecht” schlägt – heißt: Baubehörde ist zwar die Stadt, aber die Interessen eines Bergbauprojekts liegen höher.
“Der Rhein-Neckar-Raum eignet sich hervorragend für geothermische Nutzung”, sagte der Berater Dr. Bauer. Die Temperaturen im Untergrund seien hier höher als in anderen Gebieten Deutschlands. Der besondere geologische Aufbau mache das Vorhandensein von “heißen Grundwasserspeichern sehr wahrscheinlich”.
Gleichzeitig seien Probleme, wie sie in Staufen und Basel aufgetreten seien, wegen der geologischen Bedingungen nicht zu erwarten. In Staufen kam es von 2007 bis Ende 2010 zu Erdbewegungen, weil eine “Gipskeuperschicht” sich in Folge von Probebohrungen mit Wasser vollgesogen hatte. Infolgedessen hob sich das Erdreich pro Monat um etwa einen Zentimeter – rund 250 Gebäude wurden dadurch beschädigt, die Kosten werden auf rund 50 Millionen Euro geschätzt.
“Diese geologische Beschaffenheit gibt es hier nicht”, sagte Dr. Bauer.
“Aus unserer Sicht machen wir hier Pionierarbeit”, sagte Dr. Fetzner. Die Stadt Weinheim will das Projekt am 30. Mai 2011 um 19:30 Uhr im Alten Rathaus der Öffentlichkeit mit einem Bürgergespräch vorstellen. Bislang habe man nur an Weinheimer Bürgerinnen und Bürger gedacht.
Auf Nachfrage, weil mögliche geologische Risiken auch die Nachbargemeinden betreffen würden, sagte Dr. Fetzner, dass man überlegen werde, inwieweit auch diese miteinbezogen würden.
Der “Claim”, den sich Weinheim gesichert hat, ist unter Umständen nicht ausreichend. Man prüft deshalb, diesen zu erweitern. Deshalb habe man auch mit Viernheim bereits Gespräche aufgenommen, weil man neue Bergbaurechte auch das Gebiet der Stadt betreffen würde (siehe Karte, Gebiete links der Markierung).
Für die Region um Weinheim sieht der Berater Dr. Bauer das geplante Projekt übrigens erst als Anfang – bis zu zehn dieser Geothermie-Kraftwerke seien vorstellbar.
Realiserte Projekte mit Problemen.
Auf Weinheimer Gemarkung gibt es bereits ein Geothermie-Projekt. Das “Miramar” hat eine Tiefenbohrung bis 1.000 Meter vorgenommen, um die Wärme für den eigenen Betrieb zu nutzen. Hier könnten aber nur ca. sieben Liter in der Sekunde gefördert werden, weil sonst zuviel Sand mittransportiert werde, der die Filter verstopft.
In Hirschberg wurde am heutigen Abend ebenfalls “heiß” über Geothermie diskutiert – wegen der geplanten tieferen Bohrung der Mirarmar-Geothermie. Dort wartet man nun ein Gutachten ab. Der Überlegung, ein eigenens Gutachten in Auftrag zu geben, stand Bürgermeister Manuel Just eher skeptisch gegenüber. Die Sorge einiger Gemeinderäte galt hier vor allem dem Grundwasser.
Beim Pressetermin wurde auch auf eine Geothermie-Anlage in Bruchsal verwiesen. Dort ist man gar nicht glücklich und will sich am liebsten aus dem Projekt zurückziehen, wie unsere Recherchen ergaben. Die Anlage, als Forschungsprojekt ausgewiesen, ist defizitär. 74,9 Prozent gehören den Stadtwerken Bruchsal, 25,1 Prozent dem Konzern EnBW, der wohl überproportional mehr finanziert.
Tatsächlich gibt es technische Probleme. Wie uns berichtet wurde, müssen außerplanmäßig häufig die Pumpen ausgetauscht werden. In Bruchsal wurde das Projekt jedenfalls schon “heiß” diskutiert, wie bei bruchsal.org umfangreich dokumentiert.
Anmerkung der Redaktion:
bruchsal.org ist eine nicht-kommerzielle lokaljournalistische Online-Plattform, die vom Herausgeber des weinheimblogs, Hardy Prothmann, in den Anfängen journalistisch beraten wurde und zu der gute Kontakte bestehen.
bruchsal.org hat beispielsweise mit aufgedeckt, dass ein CDU-Stadtrat Wahlbetrug begangen hat und deswegen mittlerweile verurteilt worden ist.
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