Heddesheim/Rhein-Neckar, 01. Juni 2011 (red) Jede Spende hat zwei Seiten – die der “glücklichen” Empfänger und die der mildtätigen Spender. Und jede Spende hat einen doppelten Nutzen: Die Empfänger können eventuell etwas finanzieren, was sie sonst nicht bezahlen könnten. Wird öffentlich über die Spender berichtet, erhalten diese im Gegenzug einen Imagegewinn – also eine Art Werbung für sich selbst. Öffentlich getätigte Spenden sind eine Form von Werbung – eine redaktionelle Berichterstattung wäre mithin Schleichwerbung.
Von Hardy Prothmann
Wir haben heute eine email erhalten, in der ein Unternehmen uns dazu einlädt, zu einer Spendenübergabe an einen Kindergarten zu berichten. Wir haben dem Unternehmen daraufhin vorgeschlagen, die Spende mittels einer Anzeige zu bewerben.
In der Vergangenheit haben wir ab und an über Spenden berichtet, vor einiger Zeit aber die redaktionelle Entscheidung getroffen, dies nicht mehr zu tun.
Insbesondere Zeitungen berichten ausgiebig zu Spendenübergaben – wer aufmerksam hinschaut, wird erkennen, dass häufig Unternehmen, die Anzeigen schalten, über eine Spendenaktion eine “redaktionelle” Berichterstattung erhalten, die sich positiv aufs Image auswirken soll, aber nichts anderes als Schleichwerbung ist. Man könnte es auch einen “zusätzlichen Service” nennen. Oder eine solche “Berichterstattung” kann auch als “Geschäftsanbahnung” verstanden werden: “Schauen Sie, da haben wir unentgeltlich für Sie berichtet, jetzt wäre es mal an der Zeit, dass Sie Anzeigen bei uns schalten.”
Öffentlich getätigte Spenden sind ein Instrument der PR (Public Relation, Öffentlichkeitsarbeit). Aus unserer Sicht gibt es meist kein begründetes öffentliches Interesse an einer Spendenübergabe, die redaktionell berichtet werden muss. Eine Ausnahme könnte beispielsweise sein, dass ein Unternehmen mit einer “großzügigen” Spende Einfluss auf Entscheidungen nehmen möchte. Im Fall von Parteispenden gibt es sogar Veröffentlichungspflicht – nicht für Medien, aber für die Spendenempfänger. Der Grund ist klar: In der Vergangenheit wurden durch “Spenden” politische Entscheidungen “eingekauft”.
“Grundsätzlich bekunden die Unternehmen, vorwiegend aus selbstbestimmten Motiven zu handeln. Die Image- und Beziehungspflege in der Region stellt sich als das wichtigste Spendenmotiv heraus, es trifft für 84 Prozent der befragten Unternehmen zu, und dies unabhängig von der Existenz einer Spendenrichtlinie.”
Weiter stellte die Unternehmensberatung fest, dass Spenden von Unternehmen, die über eine Spendenrichtlinie verfügen, weitaus effizienter eingesetzt werden, da die Unternehmen sich für Verwendung der Spende interessieren.
Im Pressekodex, dem sich deutsche Zeitungsverlage verpflichtet haben, steht:
“Richtlinie 7.2 – Schleichwerbung
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten.
Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material. “
Wie “uneigennützig” sind Spenden?
Selbstverständlich erkennen wir die mildtätige Leistung an, die der Spender vornimmt. Eine Spende aus der Überzeugung heraus, dass man damit Gutes tut, ist aber zunächst eine gute, aber absolut private Sache.
Wenn Spender für die Übergabe einer Spende eine Redaktion informieren und zur Berichterstattung einladen, ist das Ziel klar: Die Öffentlichkeit soll über die Mildtätigkeit und eventuell sogar Großzügigkeit des Spenders informiert werden.
In diesem Moment verändert sich der Charakter der Spende über die uneigennützige Zuweisung hinaus zu einem eigennützigen Instrument der werblichen Öffentlichkeitsarbeit: “Seht her, wir tun Gutes und sind daran interessiert, dass das möglichst viele Menschen erfahren.”
Imagegewinn
Das Ziel der Spende, jemanden zu unterstützen, wird erweitert durch das Ziel, einen Imagegewinn für den Spender zu erreichen. Damit handelt es sich um eine Form von Werbung. Der Spender gibt Geld aus, aber nicht einfach für eine eigennützige Anzeige, sondern darüber hinaus für einen vermeintlich “uneigennützigen” Zweck. Der Wert dieser Spende (einer steuerlich abzugsfähigen betrieblichen Ausgabe) wird also um den Wert des Imagegewinns erweitert.
Unsere unabhängige redaktionelle Leistung finanziert sich über Anzeigen und Werbung, die meist von Unternehmen gebucht werden. Würden nun alle Anzeigenkunden ihre Werbebugdets ausschließlich in Spenden und Sponsoring umwandeln und um redaktionelle Berichterstattung bitten, wäre die Mildtätigkeit groß – aber ohne dass die Öffentlichkeit dies erfahren würde. Denn alle Redaktionen wären mangels Einnahmen pleite.
Spendenhöhe vs. Spendenbereitschaft
Und ab wann berichtet man angemessen über eine Spende? Ab 50 Euro? Ab 500? Ab 1.000 Euro?
500 Euro sind beispielsweise für einen Kindergarten viel Geld – für ein Unternehmen mit Millionengewinnen hingegen eine minimale Ausgabe. Für einen kleinen Betrieb aber unter Umständen ebenfalls viel Geld. Muss man dies nicht auch redaktionell kritisch einordnen? Ist nicht eine vergleichsweise kleine Spende eines kleinen Unternehmens viel höher zu bewerten als eine sehr große Spende eines Großunternehmens – wenn man die Bilanzsummen vergleicht und feststellt, dass das kleine Unternehmen, sagen wir, 1 Prozent seines Gewinns als Spende zur Verfügung stellt, während es beim Großunternehmen nur 0,1 Prozent sind?
Ein konkretes Beispiel: Das kleine Unternehmen macht 50.000 Euro Gewinn und spendet 500 Euro, also ein Prozent. Das Großunternehmen macht 5.000.000 Euro Gewinn und spendet 5.000 Euro, also 0,1 Prozent. Das große Unternehmen hat also auf den ersten Blick das Zehnfache gespendet – tatsächlich im Vergleich gesehen aber nur ein Zehntel der Spendenbereitschaft gezeigt, zu dem das kleine Unternehmen bereit war. Welche Spendenleistung ist jetzt höher zu bewerten? Die mit dem höheren Betrag oder die mit der höheren Bereitschaft?
Und wenn die Spende aus einer mildtägigen Haltung heraus vorgenommen wird – wieso sollte man das öffentlich machen? Und es gibt viele Privatpersonen, die ohne jede Öffentlichkeit regelmäßig an hilfstätige Organisationen spenden – um ein Vielfaches mehr als Unternehmen. Zwischen drei und fünf Milliarden Euro werden in Deutschland jährlich privat gespendet. Warum tun diese Menschen das privat ohne Öffentlichkeit? Und warum sollte eine Unternehmensspende mehr wert sein und ein öffentliches Interesse verdienen?
Wie “uneigennützig” ist eine Spende, wenn der Eigennutz einer positiven Darstellung gezielt eingeworben wird? Oder anders gefragt: Wir die Spende dadurch nicht entwertet? Immerhin ist das Ziel der Spende die positive Imagewerbung für das “großzügige” Unternehmen
“Dann müssen wir darauf verzichten.”
Im Gespräch mit dem Unternehmen haben wir gerne auf die Möglichkeit verwiesen, die Spendenübergabe mit einer Imageanzeige bei uns öffentlich zu bewerben. Oder einen Artikel mit Foto einzureichen, den wir als gewerbliche Anzeige veröffentlicht hätten.
Das Unternehmen entgegnete, es handle sich doch um einen wohltätigen Zweck. Wir entgegneten, dass das zutrifft, wir aber nicht erkennen könnten, warum das die Öffentlichkeit interessieren sollte – die Spende komme schließlich nur einem sehr kleinen Teil der Öffentlichkeit zugute und die Empfänger wüssten um die Spende und den Spender.
Das Unternehmen erwiderte, es sei doch gut und wichtig zu wissen, dass es in Heddesheim Unternehmen gibt, die Einrichtungen der Gemeinde unterstützen und dass das auch der Bürgermeister und der Gemeinderat wissen sollten. Wir sagten, dass wir eine mildtägige Haltung bei Unternehmen begrüßen und dass die Verwaltung und der Gemeinderat von der Spende erfahren, weil sie die Annahme von Spenden an gemeindliche Einrichtungen genehmigen müssten.
Das Unternehmen meinte, wir müssten doch daran interessiert sein, im Sinne einer positiven Öffentlichkeitsarbeit für die Gemeinde, über die Mildtätigkeit zu berichten.
Diese Argumentation ist ungefähr so sinnfrei wie: “Wir verlangen eine kostenlose Stellenanzeige – immerhin bieten wir einen Arbeitsplatz an. Das ist doch gut für die Volkswirtschaft. Oder: Wir verlangen eine kostenlose Anzeige für unser Produkt, denn das kaufen Menschen, somit gibt es ein öffentliches Interesse.”
Wir wiesen das Unternehmen darauf hin, dass wir weder die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde sind, noch die PR-Abteilung des Unternehmens, sondern ein kommerzielles journalistisches Angebot machen und wir unter anderem Einnahmen aus Anzeigen benötigen, weil unsere redaktionelle Arbeitsleistung und die Bezahlung von Mitarbeitern sonst nicht zu finanzieren ist. Im Gegensatz zur Zeitung, die nicht nur Einnahmen aus Werbung erzielt, sondern für die man ein Abonnement zahlt oder eine Einzelausgabe käuflich erwerben muss, bieten wir unsere Informationen kostenfrei an.
Und für ein Unternehmen sollte es selbstverständlich sein, für sich, seine Produkte und darüber hinaus für seine unternehmerische Mildtätigkeit zu werben. Eine Anzeigenschaltung sei ab 50 Euro möglich.
Das Unternehmen verlor daraufhin das Interesse unsere Leserinnen und Leser über die Mildtätigkeit der Firma zu informieren und sagte etwas unwirsch: “Dann müssen wir eben darauf verzichten.”
Die Öffentlichkeit wird das verkraften können.
Unternehmen, die mit ihren Spenden “sauber” in der Öffentlichkeit auftreten wollen, sollten in eigenem Interesse verstehen, dass es mehr Sinn macht, ihre Spendenbereitschaft ordentlich zu bewerben.
2009 haben wir über eine absurde Begegnung beim Heddesheimer Tennisclub berichtet: “Kein Foto ohne Sponsor” – die Bedingung, nur fotografieren zu dürfen, wenn wir auch das Logo des Sponsors mit abbilden, haben wir abgelehnt. Berichtet haben wir trotzdem – über das Jugendturnier und das sportliche Ereignis. Seitdem haben wir allerdings auf Berichte verzichtet und der Tennisclub hat uns nie mehr eingeladen. So wird Sponsoring absurd und das Ziel einer positiven Wahrnehmung bewusst verfehlt.
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