Weinheim, 03. Dezember 2011. (red/pm) Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat eine Sonderkundenumlage angekündigt, die stromintensive Betriebe entlasten soll. Sie sollen künftig keine Netzentgelte mehr bezahlen, also von den Gebühren an die Netzbetreiber für die Durchleitung von Strom befreit werden.
Von Roland Kern
Grundlage dafür bildet ein Beschluss der Bundesregierung, der die deutsche Industrie im internationalen Wettbewerb stärken soll. Peter Krämer, Geschäftsführer der Stadtwerke Weinheim, ist darüber erbost:
„Es kann nicht angehen, dass private Haushalte und die vielen mittleren und kleinen Unternehmen mit der angekündigten Umlage die Entlastung der 600 größten stromintensiven Betriebe in Deutschland bezahlen müssen. Das ist sozial höchst bedenklich.“
Für den Stadtwerke-Chef ist die Entscheidung für eine Sonderkundenumlage weder nachvollziehbar noch vertretbar.
Die Sonderkundenumlage soll es ermöglichen, dass stromintensive Unternehmen in Deutschland von Netzentgelten komplett befreit werden, wenn sie jährlich mindestens 7.000 Benutzungsstunden aufweisen und mehr als zehn Gigawattstunden Strom verbrauchen.
Regionale Anstrengungen gefährdet
„Die derzeit diskutierte Konstruktion würde zwangsläufig zu einer Erhöhung der Strompreise führen“, erklärte Peter Krämer.
„Ich habe die große Sorge, dass das die Akzeptanz für den Umbau der Energieversorgung verringern könnte.“
Er appelliert an die Politik, die Verteilung der Kosten vernünftig zu gestalten. Auch die Energieverbände fordern die Politik derzeit auf, das geplante Vorhaben noch einmal zu prüfen.
„Kommunen und regionale Versorger engagieren sich intensiv für den Klimaschutz vor Ort“, informiert er „und da stülpt uns die Regierung ohne Vorwarnung eine Umlage über den Kopf, die regionale Anstrengungen auf einen Schlag zunichte machen können.
Das ist nicht zu fassen.“ Eine solche Regelung konterkariere alle kommunalen Klimaschutzprojekte, ärgert sich Peter Krämer.
Umsetzungsfristen nicht realisierbar
Als problematisch bezeichnet Peter Krämer auch die angedachten Fristen: Eine entsprechende Beratung der Bundesnetzagentur laufe noch bis zum 2. Dezember 2011. Unklar ist im Moment nicht nur die Höhe der geplanten Sonderkundenumlage, sondern auch der Einführungszeitpunkt.
Diskutiert wird nämlich sogar, ob die Umlage nicht bereits rückwirkend für das Jahr 2011 erhoben werden soll. „So ein Vorgehen erzeugt Verunsicherung – bei Privatverbrauchern, Geschäftskunden und auch bei uns Versorgern – und es ist zudem nicht realisierbar“, ärgert sich der Geschäftsführer der Stadtwerke Weinheim.
Eine mögliche Sonderkundenumlage müsse deshalb nicht nur transparent und gerecht sein, sondern von den Versorgern auch umsetzbar.
„Wir müssen Preisänderungen mindestens sechs Wochen vorher ankündigen und zudem haben viele Sonderkunden Verträge mit Preisgarantien“, informiert er. Von daher könne eine solche „hoppla-hopp“ eingeführte Umlage Energieanbieter auch in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen.
Politik schadet Machern der Energiewende
Er kritisiert das Vorgehen der Bundesnetzagentur auch noch in anderer Hinsicht scharf: „Wir regionale Versorger bemühen uns, unsere Kunden möglichst preisgünstig zu versorgen, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren und im schärferen Wettbewerb zu bestehen. Das ist wirtschaftlich eine Herausforderung.“
Der Regierung müsse es bewusst sein, dass es die Regionalversorger und Stadtwerke seien, die die Energiewende voranbringen würden. Es wäre von der Regierung mehr als unklug, gerade solchen Unternehmen Probleme zu bereiten.
Deshalb hofft der Stadtwerke-Chef, dass sich am Ende doch noch die Vernunft durchsetzen wird: „Bis zum Jahresende kennen wir hoffentlich konkrete Zahlen und Entscheidungen der Bundesnetzagentur, mit denen wir rechnen können“, sagt er.
Kurth: „Teuflisch kompliziert“
Der Chef der Bundesnetzagentur Matthias Kurth erklärte, dass es bei der Sonderkundenumlage um die Umverteilung von rund 240 Millionen Euro gehe, wenn für die großen Stromfresser die Netzentgeltzahlungen gänzlich entfallen würden.
Sie zahlen bereits heute reduzierte Beiträge. Die deutschen Netzbetreiber gehen dagegen von 1,1 Milliarden Euro aus, die durch die Sonderregelung für Großkunden von allen anderen Verbrauchern zu tragen wäre.
„Bei den Berechnungen seien Fehler gemacht worden. Das System ist teuflisch kompliziert. Ich bemühe mich selbst darum, es zu verstehen“, wird Mathias Kurth im energate Messenger vom 23. November 2011 zitiert.
Peter Krämer, Chef der Stadtwerke Weinheim, sieht sich dadurch in seinem Standpunkt bestätigt: „Es ist höchste Zeit, über die Rahmenbedingungen der Energiepolitik nachzudenken und Etliches daran zu ändern.“
Schon die Diskrepanz des Umlagebetrags ließe auf handwerkliche und systembedingte Fehler schließen. „Die Transparenz fehlt gänzlich“, bringt der Stadtwerke-Chef die Situation auf den Punkt.
Anmerkung der Redaktion:
Roland Kern ist Journalist und Pressesprecher der Stadt Weinheim
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