Weinheim/Rhein-Neckar/Köln, 22. Mai 2013. (red) Der tragische Unfall eines 37 Jahre alten Weinheimers macht die Menschen fassungslos: Wer kommt auf die Idee, eine Holzpalette nachts auf eine Straße zu legen?, fragen sich die Menschen. Und es wird nicht an Flüchen über den/diejenigen gespart, der/die einen anderen und dessen Familie sinnlos ins Unglück gestürzt hat/haben. Tausende Menschen nehmen Anteil und teilen auch tausendfach ein Foto des Opfers mit seiner Familie. Doch das kann weiteres Unheil nach sich ziehen – für das Opfer, die Kinder, die Frau, aber auch für Personen, die mit dem Teilen des Fotos eigentlich nur helfen wollten. Der Fachanwalt Otto Freiherr Grote von der auf Internet- und Medienrecht spezialisierten Kanzlei Wilde, Beuger, Solmecke erklärt im Interview mögliche Problemlagen.
Interview: Hardy Prothmann
Herr Grote, vermutlich hat der Bruder ein Bild des Unfallopfers und dessen Familie veröffentlicht. Darf er das?
Otto Freiherr Grote: Nicht ohne eine entsprechende Einwilligung. Entscheiden kann das nur die abgebildete Person selbst oder deren gesetzlicher Vertreter. Wenn diese nicht entscheidungsfähig ist, könnte das vorliegend vielleicht die Ehefrau/Mutter. Ein Onkel hat jedenfalls kein automatisches Recht, über die Abbildung seiner Nichten und Neffen zu entscheiden – auch hier braucht er die Zustimmung eines Elternteils.
Gehen wir mal davon aus, die Zustimmung liegt vor. Bleibt es trotzdem heikel?
Grote: Ja. Persönlichkeitsrechte sind nicht ohne Grund stark geschützt. Natürlich können die Eltern darüber entscheiden, welche Öffentlichkeit sie in Bezug auf ihre Kinder herstellen – doch sollte man dabei beachten, dass man über das öffentliche Bild der Kinder bestimmt und sie vor vollendete Tatsachen stellt. Das ist eine persönliche Einschätzung: Ich finde, die Kinder sollten über ihre öffentliche Wahrnehmung selbst bestimmen können, wenn sie erwachsen sind.
Warum sehen Sie das problematisch?
Grote: Fotos, die einmal im Internet verbreitet sind, insbesondere bei Sozialen Medien, sind kaum noch zu kontrollieren. Hier kann sich eine Eigendynamik entwickeln, die ein enormes Risiko in sich trägt. Was, wenn ein negativer Kontext hergestellt wird? Klar, man kann versuchen, rechtlich gegen einzelne oder viele Personen vorzugehen, aber die öffentliche Wahrnehmung bekommt man oftmals nicht mehr in den Griff.
Würden Sie dazu raten, für eine private „Fahndung“ Fotos zu veröffentlichen?
Grote: Davon kann ich aufgrund der damit verbundenen Risiken nur abraten. Sehr wichtig ist jedenfalls, dass solche Maßnahmen klar mit den Ermittlungsbehörden abgesprochen werden, um einen polizeilichen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden.
Die Familie handelt doch unter Druck – können Sie nicht verstehen, dass man da alles versucht?
Grote: Selbstverständlich ist das nachvollziehbar. Entscheidungen wie diese erfolgen aus einer Extremsituation und oft nicht mit klarem Kalkül – deswegen ist es gut auf externe Experten zu vertrauen, wie die Ermittlungsbehörden oder anwaltlichen Rat.
Das vom Bruder der Familie veröffentlichte Foto ist gut 20.000 Mal geteilt worden. Welches Risiko gehen die Menschen ein, die helfen wollen, indem sie das Bild teilen?
Grote: Sie gehen ein sehr großes Risiko ein, weil sie nicht überprüfen können, ob derjenige, der das Foto und andere Informationen veröffentlicht hat, auch dazu berechtigt ist.
Aber die Leute handeln doch aus einer ehrbaren Absicht heraus?
Grote: Dieses ehrbare Motiv spielt im Zweifel keine Rolle, wenn jemandem dadurch ein Schaden entsteht und dieser Schaden juristisch geltend gemacht wird. Es gibt hier insbesondere zwei Gefahren für Personen, die fremde Fotos teilen: Das Teilen eines Fotos kann gegen das Urheberrecht des Fotografen und das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Personen verstoßen.
Was kann das für negative Folgen haben?
Grote: Man muss mit einer unter Umständen sehr teuren Abmahnung rechnen. Die Höhe und der Umfang hängen immer vom Einzelfall ab.
Dann sollte man gar nichts teilen?
Grote: Diese Entscheidung trifft mit allen möglichen Konsequenzen jeder selbst. Das Risiko verkleinert sich, je seriöser die Quelle ist und man annehmen kann, dass hier zuvor entsprechende Abwägungsprozesse stattgefunden haben. Aber auch seriöse Quellen machen Fehler. Das Risiko bleibt also.
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