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Dokumentation: Haushaltsrede Stadtkämmerer Jörg Soballa

Donnerstag, 27. Januar 2011
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Guten Tag!

Weinheim, 27. Januar 2011. Die Schulden der Stadt Weinheim steigen auf Rekordhöhe – auf fast 55 Millionen Euro. Pro Kopf sind das rund 1.270 Euro. Im Haushalt 2011 werden 8,3 Millionen Euro neue Schulden gemacht – eingerechnet ist eine erfolgreiche Veräußerung von Immobilien und Grundstücken in Höhe von 2,4 Millionen Euro. Die Schuld sieht der Kämmerer vor allem bei der Verletzung des Konnexitätsprinzips: Bund und Länder erlassen Gesetze und stellen Forderungen, die Kommunen müssen bezahlen.

Wir dokumentieren die ungekürzte schriftliche Fassung. Es galt das gesprochene Wort.

“Werter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem Sie die Eckdaten des Haushalts 2011 soeben gehört haben, steige ich wie gewohnt mit einem Rückblick auf den Haushaltsverlauf 2010 ein.

Mit dem Doppelhaushalt 2009 / 2010 hatte der Gemeinderat am 18. Februar 2009 nach 2007 / 2008 bereits den zweiten Doppelhaushalt der Stadt Weinheim verabschiedet. Der Doppelhaushalt wurde durch einen Nachtragshaushaltsplan aktualisiert. Die Beratung und Beschlussfassung des Nachtragshaushaltsplans 2009 / 2010 erfolgte am 21. Oktober 2009. Die in den Verwaltungshaushalten 2009 und 2010 bereits ausgewiesenen Negativzuführungen mussten in den Nachtragsplänen deutlich erhöht werden.

Zahlenwerk: 440 Seiten ist der Haushaltentwurf 2001 dick. Und es stehen keine guten Zahlen drin. Bild: weinheimblog.de

Auch wenn ich Ihnen zum heutigen Zeitpunkt noch keine endgültigen Daten zum Gesamtabschluss nennen kann, stehen die Zahlen für das Finanzbudget fest. Wir erzielten eine erhebliche finanzielle Verbesserung im Finanzbudget, und zwar in einer Größenordnung von rund 5,1 Mio. Euro. Die Jahressollstellung bei der Gewerbesteuer liegt um rund 1,8 Mio. Euro über dem Plansatz. Weitere Mehreinnahmen von etwa 3,3 Mio. Euro ergaben sich bei den Einkommensteueranteilen, bei den Schlüsselzuweisungen, bei den Einnahmen aus der Investitionspauschale und dem Familienleistungsausgleich. Die Gewerbesteuerumlage liegt um rund 1,0 Mio. Euro über dem Ansatz. Die damals zu hoch angesetzte Kreisumlage gleicht dies nahezu wieder aus.

Weitere positive Deckungsbeiträge für den Verwaltungshaushalt werden durch die Sperrung der veranschlagten Mittel bei den Gruppierungen 50 und 51 und durch die reduzierte Freigabe der Sachausgaben erreicht.

So werden viele Teilbudgets Verbesserungen erwirtschaften. Neben Budgetüberschreitungen in einzelnen Teilbudgets wird vor allem der Gesamtansatz für Personalausgaben mit knapp 1,0 Mio. Euro deutlich überschritten. Nach Abzug nicht veranschlagter Erstattungen von rund 175.000 Euro beträgt die zusätzliche Belastung für den Etat noch 800.000 Euro.

Auch wenn wir noch keine festen Abschlussdaten haben, rechnen wir mit einer beträchtlichen Reduzierung der erforderlichen Zuführung vom Vermögenshaushalt. Nach dem gestrigen Buchungsstand reduziert sich die geplante Zuführung vom Vermögenshaushalt an den Verwaltungshaushalt um 6,0 Mio. Euro. Die finanzielle Situation der Stadt Weinheim hat sich damit im Jahr 2010 gegenüber der Planung deutlich verbessert, ist aber nach wie vor sehr kritisch. Die Negativzuführung in 2010 beträgt nach aktuellem Buchungsstand immerhin noch rund 6,6 Mio. Euro. Wir mussten daher auch in 2010 von der Bildung von Haushaltsresten im Verwaltungshaushalt absehen.

Im Zuge der Erarbeitung des Haushaltskonsolidierungskonzepts wurden im Vermögenshaushalt 2010 Haushaltsmittel für Maßnahmen gesperrt, die nicht bzw. erst in den Folgejahren ausgeführt werden. Wir konnten dadurch den Finanzierungsbedarf in 2010 erheblich reduzieren. Allerdings wurden die veranschlagten Grundstücksveräußerungserlöse nicht erreicht.

Alles in Allem rechnen wir damit, die Kreditaufnahmen gegenüber der Planung im Haushaltsjahr 2010 um rund 9 Mio. Euro reduzieren zu können. Wir kommen damit einer wesentlichen Forderung des Regierungspräsidiums nach. Und dies, obwohl wir die mögliche Rücklagenentnahme in 2010 reduzieren wollen, ja müssen.

Gesetzlich vorgeschrieben ist eine Mindestrücklage von mindestens zwei Prozent der Ausgaben des Verwaltungshaushalts nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahre. Für Weinheim bedeutet dies, dass unsere Rücklage rund 1,7 Mio. Euro stark sein muss. Durch eine reduzierte Rücklagenentnahme in 2010 schaffen wir es, auch für 2011 die gesetzmäßige Rücklage ausweisen zu können.

Die Haushaltsreste 2010 sollen vom Gemeinderat in der Sitzung am 16. Februar 2011 beschlossen werden. Bis dahin stehen verlässlichere Daten zum Jahresabschluss 2010 fest. In dieser Sitzung kann dann über die Höhe der Rücklagenentnahmen bzw. der zu bildenden Haushaltsreste für Kreditaufnahmen entschieden werden.

Nach dem kurzen Streifzug durch die Haushaltswirtschaft 2010 wende ich mich nun dem Haushaltsplanentwurf 2011 zu.

Nach den beiden Doppelhaushalten der letzten 4 Jahre wurde für 2011 ein Einjahreshaushalt erstellt. Die Planung sah ab 2012 den Umstieg auf das Neue Kommunale Haushaltsrecht vor.

Die Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs 2011 war erwartungsgemäß äußerst schwierig. In der Mittelfristigen Finanzplanung 2010 war für 2011 bereits eine Negativzuführung von rund 7,6 Mio. Euro ausgewiesen. Die Daten aus dem Haushaltserlass 2010 – erst am 9. Dezember 2009 bekannt gegeben – ergaben eine finanzielle Verschlechterung in 2011 von rund 2,9 Mio. Euro. Unsere Ausgangsbasis war damit eine Negativzuführung von rund 10,6 Mio. Euro. Da die Verschlechterungen in den Jahren 2012 und 2013 weitere 10,6 Mio. Euro betrugen, waren unsere einstmals geplanten Zuführungsraten zum Vermögenshaushalt für 2012 und 2013 Geschichte. Die finanziellen Auswirkungen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes waren hierbei noch nicht einmal berücksichtigt. Die Erstellung gesetzmäßiger Haushalte war folglich mehr als fraglich.

Es durfte uns daher auch nicht wirklich überraschen, als uns das Regierungspräsidium Karlsruhe aufforderte, ein vom Gemeinderat zu beschließendes Haushaltkonsolidierungskonzept vorzulegen mit dem Ziel, die prognostizierte Verschuldung deutlich zu reduzieren, um die dauerhafte Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Herr Oberbürgermeister Bernhard hat soeben die wichtigsten Punkte und Zahlen zum Haushaltkonsolidierungskonzept vorgestellt. Nähere Ausführungen können Sie auf 20 Seiten dem Haushaltsplanentwurf entnehmen. Obwohl wir im Verwaltungshaushalt Verbesserungen für 2011 von 1,2 Mio. Euro erarbeitet haben, dürfte jedem unter uns klar gewesen sein, dass dies nicht zu einem ausgeglichen Verwaltungshaushalt 2011 reichen würde.

Der Haushaltsplanentwurf 2011 schließt im Verwaltungshaushalt mit Einnahmen und Ausgaben von je 88.302.120 Euro ab. Der Ausgleich des Verwaltungshaushalts kann jedoch nur über eine Zuführung vom Vermögenshaushalt von 6.583.930 Euro erreicht werden.

Im Vermögenshaushalt betragen die Einnahmen und Ausgaben je 17.903.730 Euro.

Das Gesamtvolumen beläuft sich somit auf 106.205.850 Euro.

Die finanzielle Lage ist trotz Aufschwung weiter schlecht. Nach 2009 und 2010 schließt der Verwaltungshaushalt nun bereits zum dritten Mal in Folge mit einem Defizit ab.

Die Negativzuführung hat sich in diesen drei Jahren wie folgt entwickelt:
Rechnungsergebnis 2009 2,7 Mio. Euro
Ansatz 2010 12,6 Mio. Euro
Derzeitiger Stand für 2010 6,6 Mio. Euro
Ansatz 2011 6,6 Mio. Euro

Zusätzlich zu den zum Ausgleich des Verwaltungshaushalts fehlenden 6.583.930 Euro muss noch die ordentliche Tilgung von Darlehen mit 900.000 Euro erwirtschaftet werden, so dass im Verwaltungshaushalt insgesamt 7.483.930 Euro fehlen. Als Ausgleich hierfür benötigen wir rund 7,5 Mio. Euro Ersatzdeckungsmittel. 2011 sind Vermögensveräußerungserlöse von 4.182.000 Euro und Rücklagenentnahmen von 3.750.000 Euro geplant, d. h. der Nachweis gelingt.

Diese Zahlen schrecken hoch und sind zugleich schon tragisch. Bereits die schlechten Haushaltsjahre 2004 und 2005 zeigten, dass das damals hohe Defizit von 2,8 bzw. 4,2 Mio. Euro selbst durch die strengsten Sparmaßnahmen und den Abbau der Freiwilligkeitsleistungen auf ein Minimum nicht auf Null zurückgefahren werden konnten. Inzwischen haben wir mehrere Haushaltskonsolidierungsrunden gefahren. Und die unter Ihnen, die bereits 2005 am Ratstisch saßen, wissen, dass die derzeitige Haushaltskonsolidierungsrunde schon länger als damals andauert und uns auch noch länger erhalten bleiben wird.

Werte Damen und Herren,
herausragende Bedeutung hat der Unterabschnitt 9000 des Haushaltsplans. Er beinhaltet die Steuern, die allgemeinen Zuweisungen und die allgemeinen Umlagen. Bei der Ermittlung der Ansätze bei den Steueranteilen, den Finanzzuweisungen und der Finanzausgleichsumlage wurden die Angaben der vorliegenden Orientierungsdaten des Innenministeriums und des Finanzministeriums zur kommunalen Haushalts- und Finanzplanung im Jahr 2011 – Haushaltserlass 2011 vom 9. Juni 2010 – sowie die Änderungen nach dem Ergebnis der Steuerschätzung vom November 2010 – Mitteilung des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 10. November 2010 – berücksichtigt.

Wesentlichen Einfluss auf die Einnahmen aus Schlüsselzuweisungen nach der mangelnden Steuerkraft sowie auf die Ausgaben für die Kreisumlage und Finanzausgleichsumlage hat die Finanzkraft der Stadt. Sie drückt sich in der Steuerkraftmesszahl und in der Steuerkraftsumme aus. Grundlage hierzu bilden die Einnahmen aus Steuern, Steueranteilen und Finanzzuweisungen in dem vorvergangenen Jahr. Für 2011 werden somit die Einnahmen im Haushaltsjahr 2009 berücksichtigt.

Dieser für die Finanzen der Stadt wichtigste Unterabschnitt hat sich positiv entwickelt. Richten wir unser Augenmerk auf den Überschuss, befinden wir uns wieder im Bereich des Jahres 2009. Betrug der Überschuss im Ansatz für 2010 nur rund 19,7 Mio. Euro, planen wir in 2011 mit 27,9 Mio. Euro. Im Rechnungsergebnis für 2009 waren 27,1 Mio. Euro ausgewiesen.

Nochmals zur Erinnerung: 2009 mussten zum Ausgleich des Verwaltungshaushalts rund 2,7 Mio. Euro vom Vermögenshaushalt zugeführt werden. 2011 wird zum Ausgleich eine Zuführung vom Vermögenshaushalt von rund 6,6 Mio. Euro benötigt.

Was heißt das? Wir verzeichnen im Vergleich zu 2009 eine Erhöhung der Negativzuführung von rund 3,9 Mio. Euro, die außerhalb des Unterabschnitts 9000 zu suchen ist.

Wie gewohnt haben wir im Vorbericht differenzierte Angaben zur Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben in den Jahren 2009, 2010 und 2011 gemacht. Diese Gegenüberstellung macht deutlich, wo Abweichungen entstanden sind.

Ausgehend vom bereinigten Gesamtvolumen, d.h. Gesamtvolumen Verwaltungshaushalt minus Innere Verrechnungen und minus Zuführung vom Vermögenshaushalt, rechnen wir bei den Grund- und Gewerbesteuern und bei den Verwaltungs- und Benutzungsgebühren im Ansatz für das Jahr 2011 im Vergleich zum Rechnungsergebnis 2009 mit Mehreinnahmen von rund 900.000 Euro. Dieser Betrag wird durch Wenigereinnahmen von rund 980.000 Euro allein bei den drei Positionen Zinseinnahmen, Gewinnausschüttung Stadtwerke und Verzinsung Gewerbesteuernachzahlungen wieder aufgezerrt.

Die wesentlichen Ausgabensteigerungen beim Ansatz 2011 im Vergleich zum Rechnungsergebnis 2009 können an wenigen Positionen festgemacht werden:
Die Personalausgaben steigen um rund 890.000 Euro.
Zur Unterhaltung unserer Grundstücke, baulichen Anlagen und des sonstigen unbeweglichen Vermögens – hierunter zählen neben unseren Gebäuden unsere Straßen, Wege und Plätze, aber auch die Grünanlagen – stellen wir 170.000 Euro mehr bereit.
Die Grundstücksbewirtschaftung kostet uns gut 220.000 Euro mehr als 2009.
Für Betriebsaufwand kalkulieren wir mit Mehrausgaben von fast 400.000 Euro.
Unter der Rubrik Zuschüsse an Vereine und Verbände steigen die Ausgaben um mehr als 1,1 Mio. Euro.
Auch bei den Zuschüssen für den ÖPNV müssen wir von Mehrausgaben von 830.000 Euro ausgehen.

Werte Damen und Herren,

allein diese 6 Positionen führen in der Summe zu Ausgabensteigerungen von fast 3,7 Mio. Euro, wobei der Großteil – nämlich 2,9 Mio. Euro – auf die Konten Personalausgaben, Zuschüsse an Vereine und Verbände und die Förderung des ÖPNV gehen.
Die Personalkostensteigerungen von rund 890.000 Euro kommen im Wesentlichen aus dem Unterabschnitt 4640 – Tageseinrichtungen für Kinder. Beliefen sich in diesem Unterabschnitt die Personalkosten 2009 noch auf rund 2,85 Mio. Euro, mussten 2011 für Personalausgaben rund 3,69 Mio. Euro veranschlagt werden – allein in diesem Unterabschnitt eine Ausgabenerhöhung von rund 840.000 Euro.
Die Ansätze für Zuschüsse an Vereine und Verbände steigen 2011 gegenüber dem Rechnungsergebnis 2009 um gut 1,1 Mio. Euro. Auch diese Steigerung hängt ursächlich mit der Kinderbetreuung zusammen. Die Ausgaben für Zuschüsse an Kindergartenträger – dies spiegelt sich im Unterabschnitt 4642 wider – beliefen sich 2009 auf 3,85 Mio. Euro. Im Haushalt 2011 mussten hierfür 5,08 Mio. Euro veranschlagt werden. Eine Kostensteigerung gegenüber 2009 von rund 1,23 Mio. Euro.
Die Steigerungen der Ausgaben für Zuschüsse im ÖPNV sind auf den enormen Anstieg der Kilometerentschädigungen an die RNV im Schienenverkehr zurückzuführen. Der Anstieg von 2009 nach 2011 beträgt fast das Doppelte wie noch die Ausgaben 2009.

Der Großteil der Mehrausgaben hängt mit dem Ausbau der Kinderbetreuung und den Kostensteigerungen im ÖPNV zusammen.

Die bisherigen Maßnahmen im Rahmen des Haushaltskonsolidierungskonzepts für die Jahre 2010 und 2011 erbrachten Wenigerausgaben von etwa 1,2 Mio. Euro. Zusammen mit den Mehreinnahmen kommen wir für 2010 und 2011 auf knapp 2 Mio. Euro Verbesserungen. Die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer B in 2011 macht allein 540.000 Euro aus. Angesichts der Steigerung der Ausgaben allein bei der Kinderbetreuung von 2009 zu 2011 um rund 2 Mio. Euro ist unsere Situation schon tragisch. Wir sparen mit der einen Hand und geben mit der anderen das gesparte Geld gleich wieder aus.

Bereits in den Jahren 2004 und 2005 hatten wir gewaltige Finanzprobleme. Dank des ordentlichen Jahres 2007 und der finanziell segensreichen Jahre 2008 und 2009 haben wir uns vielleicht etwas täuschen lassen. Nach dem kurzen Hoch befinden wir uns erneut im freien Fall und suchen nach der Kehrtwende. Ich sage bewusst suchen und nicht warten. Auch wenn die sich weiter dramatisch zuspitzenden Finanzprobleme nicht auf Misswirtschaft oder Missmanagement der Stadt Weinheim zurückgeführt werden können, müssen wir noch mehr bei unseren Leistungen und Prozessen ansetzen. Wir müssen uns immer wieder aufs Neue fragen, ob wir die richtigen Dinge tun, ob wir die richtigen Prioritäten setzen. Einen anderen Weg sehe ich nicht.

Dies allein wird uns aber nicht retten. Herr Oberbürgermeister Bernhard hat es bereits angesprochen. Aufgaben und mit Ihnen die Ausgaben auf die Gemeinden und Kreise zu verlagern ohne für die adäquate Finanzausstattung bei den Kommunen zu sorgen ist unser eigentliches Problem. Die jahrelange Verletzung des Konnexitätsprinzips ist Hauptursache für die finanzielle Not vieler Städte und Gemeinden. Wir befinden uns in einer äußerst prekären Lage.

Selbst wenn das Konnexitätsprinzip beachtet wird und wir weiter unsere Ausgaben reduzieren können, werden wir ohne eine bessere Finanzausstattung unsere volle Handlungsfähigkeit nicht zurückgewinnen können. Ob dies überall so gesehen wird, bezweifele ich. Die „Kommission zur Neuordnung der Gemeindefinanzen“ ist auf der Suche nach einem aufkommensneutralen Ersatz für die Gewerbesteuer. Das Problem liegt bereits in der Zielsetzung. Ein Kuchen wird nicht größer, wenn ich ihn anders aufteile.

Ich denke, wir sind uns alle einig, wenn ich sage, dass wir nicht nachlassen dürfen, unser Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Ein Warten auf bessere Zeiten wäre der falsche Weg.

Ich denke, wir sind uns zudem einig, dass eine generelle Mittelsperre im Verwaltungshaushalt, ganz egal, welche Höhe, nicht realistisch wäre. Unsere Ansätze sind inzwischen derart knapp, dass eine neuerliche Mittelsperre meinen Kolleginnen und Kollegen nicht mehr zugemutet werden kann. Die negativen Folgen sind nicht nur an unseren Gebäuden zu sehen. Auch wenn die Rasenmähermethode kurzfristig Entlastung bringt, eröffnet sie keine nachhaltigen Perspektiven. Im Gegenteil, der Rasenmäher zementiert den derzeitigen Status Quo und verhindert, sich mit den wahren Ursachen und möglichen Fehlsteuerungen zu befassen. Selbstverständlich muss alles daran gesetzt werden, dass die veranschlagten Mittel ausreichen. Denn: Geld haben wir keines und weitere Schulden engen unseren Handlungsspielraum zusätzlich ein und belasten uns und künftige Generationen obendrein.

Soweit zum Verwaltungshaushalt. Lassen Sie mich nun Ausführungen zum Vermögenshaushalt machen.

Der Vermögenshaushalt 2010 schließt mit einem Volumen von 17.903.730 Euro ab.

Wo investieren wir 2011?

Aufgepasst! Bislang waren stets die Baumaßnahmen der mit Abstand größte Brocken. Dies hat sich geändert. Auch hier zeigt sich unsere finanzielle Schieflage.

Allein 7,5 Mio. Euro zahlen wir für Tilgung und Zuführung an den Verwaltungshaushalt. Dies sind 42 Prozent der Ausgaben des Vermögenshaushalts.
30 Prozent oder 5,3 Mio. Euro unseres 2011er Investitionsvolumens fließt in Baumaßnahmen. Dies ist deutlich weniger als in den letzten Jahren. Dennoch leisten wir damit nicht nur einen städtischen, sondern auch angesichts unserer Finanzlage einen stattlichen Beitrag für das Handwerk. Die Höhe unserer Verschuldung lässt leider nicht mehr zu.
Die Stadt gewährt auch Investitionszuschüsse. Dahinter verbergen sich Baumaßnahmen, so genannte Investitionen Dritter. Hierfür haben wir Mittel von fast 3,0 Mio. Euro veranschlagt. Hinter diesen großen Ausgabenpositionen verbergen sich zu 96 Prozent Zuschüsse an den Rhein-Neckar-Kreis und die Deutsche Bahn für Investitionen im Bereich des ÖPNV und Zuschüsse an Kindergartenträger, wobei die ÖPNV-Maßnahmen mit knapp 2,5 Mio. Euro wiederum den Löwenanteil ausmachen.
Für Grunderwerb und Ausgaben aufgrund von kreditähnlichen Rechtsgeschäften sind in 2011 immerhin 1,3 Mio. Euro veranschlagt.
Danach folgt der Erwerb von beweglichen Sachen des Anlagevermögens mit 845.000 Euro.

Ohne die Baumaßnahmen unseres Eigenbetriebes Stadtentwässerung planen wir folgende nennenswerte veranschlagte Baumaßnahmen im Vermögenshaushalt 2011 – der Ordnung des Haushaltsplans entsprechend:

Schieferdach Schloss Gebäude E 115.000 Euro
Sanierungsmaßnahmen am Sportplatzgebäude Hohensachsen 175.000 Euro
Laufbahnsanierung Herberger Stadion 255.000 Euro
Sanierung Innenstadt 425.300 Euro
Sanierung am Hauptbahnhof 785.000 Euro
Instandsetzung von Gemeindestraßen 220.000 Euro
Fußgängerzone 300.000 Euro
Dürreplatz 100.000 Euro
Erneuerung / Neuanlage Straßenbeleuchtung 150.000 Euro
ZOB / Bahnhofsvorplatz 1.204.000 Euro
Sanierung Bergstraße 204 300.000. Euro
Dachsanierungen Kolpingstr. 4 und 6 175.000 Euro
Modernisierungen Wohngebäude 200.000 Euro

Die Investitionszuschüsse, insbesondere die an den Rhein-Neckar-Kreis und die Deutsche Bahn für Investitionen im Bereich des ÖPNV habe ich vor wenigen Minuten bereits angesprochen.

Wie finanzieren wir den Vermögenshaushalt 2011?

Dies geschieht in erster Linie über Kreditaufnahmen. Stellen sich die Mittelabflüsse und Mittelzuflüsse wie geplant ein, benötigen wir rund 8,3 Mio. Euro. Die Nettokreditaufnahme liegt bei 7,4 Mio. Euro.
Neben den Kreditaufnahmen sind wir auf Erlöse für die Veräußerung von Grundstücken angewiesen. Hier planen wir mit Einnahmen von 4,2 Mio. Euro. Ein realistisches und zugleich ehrgeiziges Ziel, das uns ein hohes Maß an Konzentration, Verhandlungsgeschick und Arbeit abverlangen wird. Ob sich die Grundstücke im geplanten zeitlichen Rahmen mit den angesetzten Beträgen veräußern lassen, kann selbstverständlich nicht zugesichert werden.
Die 3. große Position auf der Mittelherkunftsseite ist mit 3,75 Mio. Euro die Entnahme aus der Rücklage. Um einen gesetzmäßigen Haushaltsplanentwurf heute vorlegen zu können, mussten wir mit unserem Rücklagenbestand unter die Mindestrücklage gehen.
Eingangs hatte ich dies bereits kurz gestreift, an dieser Stelle kann ich Ihnen schon heute mitteilen – jedoch ohne genaue Zahlen zu nennen -, dass wir im Rahmen der Beschlussfassung über die Haushaltsreste 2010 in der kommenden Sitzung des Gemeinderats am 16. Februar eine Verringerung der Rücklagenentnahme 2010 vorschlagen. Damit wäre immerhin die Mindestrücklage in 2011 erreicht.
Zuweisungen und Beiträge von rund 1,6 Mio. Euro runden die Finanzierungssicht ab.

Nach dem vorliegenden Entwurf des Haushaltsplans 2011 entwickelt sich die Verschuldung der Stadt wie folgt:

Der Schuldenstand zum 31.12.2009 beträgt 36,68 Mio. Euro.
Die Kreditermächtigung für 2010 einschließlich Rest aus 2009 beträgt 20,35 Mio. Euro. Nach heutigem Stand können hiervon rund 9,0 Mio. Euro zurückgegeben werden. Nach Berücksichtigung der Tilgung 2010 von rund 740.000 Euro ergibt sich zum 31. Dezember 2010 ein Schuldenstand von 47,29 Mio. Euro. Hierin ist ein Haushaltseinnahmerest von rund 7 Mio. Euro enthalten.
Die Nettokreditaufnahme 2011 beläuft sich auf 7,43 Mio. Euro.
Dies ergibt einen voraussichtlichen Schuldenstand Ende 2011 von rund 54,72 Mio. Euro.

Dies würde eine Pro-Kopf-Verschuldung zum Jahresende 2010 von 1.083 Euro bedeuten, zum Jahresende 2011 von 1.253 Euro.

An Verpflichtungsermächtigungen wurden 990.000 Euro eingeplant, die voraussichtlich 2012 fällig werden.

Der Höchstbetrag der Kassenkredite für die Stadtkasse wurde wie in den letzten Jahren auf 11,0 Mio. Euro festgesetzt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

2011 konnte noch einmal ein gesetzmäßiger Haushaltsentwurf erstellt werden. Allerdings sind Rücklagenentnahmen und Vermögensveräußerungserlöse begrenzt. Die gesetzliche Mindesthöhe der Rücklage haben wir – folgen Sie werte Damen und Herren des Gemeinderats unserem Vorschlag zur Beschlussfassung über die Bildung der Haushaltsreste in der kommenden Gemeinderatssitzung – durch die geplante Entnahme fast erreicht oder sollte ich besser sagen, gerade wieder so erreicht. Im Mittelfristigen Investitionsplan 2011 bis 2014 sind ebenfalls erhebliche Einnahmen aus Grundstücksveräußerungserlösen vorgesehen. Ob diese in der geplanten Weise zu realisieren sind, hängt wie in den Vorjahren von mehreren Faktoren ab, die zum heutigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden können.

Unser Mittelfristiges Investitionsprogramm wurde bereits im Rahmen des Haushaltskonsolidierungskonzepts drastisch reduziert. Dass dies nur der erste Schritt sein konnte, musste jedem Mitglied des Gemeinderats klar gewesen sein. Sowohl Herr Oberbürgermeister Bernhard noch ich machten daraus zu keinem Zeitpunkt einen Hehl. Unsere finanzielle Situation lässt uns gar keine andere Wahl. Die Botschaft aus Karlsruhe war eindeutig, unmissverständlich – unsere Verschuldung ist zu hoch und wächst zu stark. Wir haben daher unser Mittelfristiges Investitionsprogramm nochmals überarbeitet.

Im Zuge der Erstellung des Haushaltskonsolidierungskonzepts vorüber gehend gestrichene Maßnahmen fanden in der Regel keinen Eingang in das neue Investitionsprogramm. Die Mittel für den Kindergartenneubau Lützelsachsen Ebene wurden um ein Jahr nach 2013 ff. verschoben und damit der aktuellen Baulandentwicklung angepasst. Gleiches gilt für die Ansätze des Pakets Umfeldmaßnahmen zum S-Bahn Haltepunkt Lützelsachsen und der Verknüpfung Park & Ride. Die Mittel für die Baulandentwicklung des Gebiets Bergstraße/Langmaasweg wurden vollständig heraus genommen. Die äußerst geringe Nachfrage lässt hier keine städtischen Vorleistungen in Millionenhöhe zu. Ebenfalls fehlen wird der zuvor nach nach 2014 geschobene Neubau der Albert-Schweitzer-Schule. Nicht zuletzt wegen der Entwicklung der Schülerzahlen werden wir im Schulbereich andere Wege gehen, andere Lösungen suchen und dies ohne Verschlechterung der Qualität.

In unserem Investitionsprogramm fehlt auch eine ganze Reihe von Maßnahmen, die wir – hätten wir mehr Geld – gerne in Angriff nehmen würden. Viele unserer Immobilien sind in einem sanierungswürdigen Zustand. Dass wir hier nichts bzw. zu wenig tun, liegt auch nicht an einer Verkennung der Notwendigkeit von Maßnahmen zum Klimaschutz. So haben wir uns auch ohne wenn und aber der Komplementärfinanzierung der Konjunkturpakete gestellt. Dies hat unserem Handwerk und unserem Gebäudebestand gut getan, uns aber finanziell besonders geschmerzt.

Um Baumaßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung an größeren Einzelobjekten realisieren zu können, müssen zwangsläufig erhebliche Investitionen getätigt werden. Ich spreche hier ausdrücklich nicht von punktuellen Einzelmaßnahmen wie etwa die Erneuerung eines Heizkessels. Die neu entstehenden Nutzungsmehrkosten übersteigen die eingesparten Energiekosten um ein Vielfaches. Auch wenn der Ruf nach energetischen Sanierungen immer wieder zu hören ist, können wir die negativen Kosteneffekte derzeit leider nicht verkraften. Allerdings müssen wir uns weiter, und dies noch verstärkter, der Segmentierung unseres Bestandes nach Notwendigkeit, Wirtschaftlichkeit und Bedeutung widmen. Der Flächenbedarf ist der größte Kostentreiber in unserer Immobilienwirtschaft und bestimmt nicht nur fast sämtliche Betriebsausgaben, sondern auch die Herstellungs- und Kapitalkosten.

Der Sanierung unseres Bestandes, und zwar unseres an unsere finanzielle Leistungsfähigkeit angepassten Bestandes müssen wir uns stellen – keine Frage. Auch sinnvolle Ersatzinvestitionen müssen diskutiert werden. Für zusätzliche Immobilien haben wir jedoch kein Geld. Zusätzliche Immobilien verursachen zusätzliche Kosten für Unterhalt und Pflege, Kosten für die Bewirtschaftung, Kapitalkosten und künftig auch Abschreibungen.

Wie wollen wir unseren Verwaltungshaushalt in Ordnung bringen, wenn wir ihn fortwährend zusätzlich belasten?

Wollen wir – Sie – bei der nächsten Konjunkturflaute, Teile unserer Immobilien ungenutzt lassen und weiter den Kapitaldienst und die Abschreibungen finanzieren, nur weil wir uns die Betriebskosten nicht mehr leisten können, nicht mehr leisten dürfen?

Meine Damen und Herren,

Sie können es drehen und wenden, wie Sie es wollen. Leistungen zu streichen, ist teurer und bedeutend unangenehmer, als bereits heute Zurückhaltung zu üben.

Trotz äußerster Zurückhaltung bei den fortgeschriebenen Ausgaben weist auch die Finanzplanung für 2012ff. keine Zuführungsraten an den Vermögenshaushalt aus. Die Auflage, unsere prognostizierte Verschuldung nachhaltig zu reduzieren, steht dennoch in unserem Buch und muss bis auf weiteres ohne erwirtschaftete Zuführungen aus dem Verwaltungshaushalt auskommen. Ich muss Sie daher bereits heute darauf einstimmen, dass selbst die nun veranschlagten Investitionen nicht nur unter dem Finanzierungsvorbehalt des Gesetzes stehen. Dies wäre ja nichts Neues. Brechen wesentliche Einnahmepositionen weg, müssen selbst beschlossene Maßnahmen ruhen. Sie stehen auch unter dem Genehmigungsvorbehalt unserer Rechtsaufsichtsbehörde. Nicht zuletzt aus Vorgesprächen weiß ich, dass wir nicht überrascht sein dürfen, wenn uns bei der Genehmigung unseres Haushalts 2011 Einschränkungen bei den zu genehmigenden Bestandteilen auferlegt werden. Die Verwaltung, aber auch Sie werte Damen und Herren des Gemeinderats können nicht davon ausgehen, dass unser Investitionsprogramm wie heute vorgelegt und wenn dann so beschlossen abgearbeitet werden kann.

Zum Ende meiner Rede noch Worte des Dankes:

Für den Einsatz bei den internen Vorberatungen danke ich meinen Kolleginnen und Kollegen sowie meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Alle haben hier hervorragende Arbeit geleistet. Auch gilt Herrn Oberbürgermeister Bernhard und Herrn Ersten Bürgermeister Dr. Fetzner mein besonderer Dank. Auch spüre ich Verständnis bei den Damen und Herren Ortsvorsteher, dass wir die eine oder andere an sich sinnvolle Maßnahme aus finanzieller Sicht äußerst kritisch hinterfragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren des Gemeinderates bitte ich, den Entwurf des Haushaltsplans 2011 sachlich und konstruktiv zu beraten und einen finanziell tragfähigen Haushalt zu beschließen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte, dem in der Sitzungsvorlage vorgeschlagenen Verfahrensablauf zuzustimmen.”

Einen schönen Tag wünscht
Das weinheimblog

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