Weinheim, 18. Oktober 2012. (red/pm) Ist die Stadt Weinheim Anfang der 1970er Jahre ihrer Überwachungspflicht ausreichend nachgekommen, als eine Textil-Reinigung am Bahnhof ihren Hausanschluss an den kommunalen Kanal angebunden hat – mangelhaft, wie man heute weiß? Mit dieser Frage soll sich jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigen. Darüber haben die Verwaltung und der beauftragte Rechtsanwalt Axel Schüssler am Mittwochabend den Ausschuss für Technik und Umwelt informiert.
Information der Stadt Weinheim:
“Die Mitglieder des Gremiums bestärkten die Verwaltung in diesem Schritt. Schüssler ergänzte, dass ein Erkenntnisverfahren vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe zwar bereits abgeschlossen sei. Nun wurde im Prozess mit der deutschen Bahn allerdings Rechtsbeschwerde eingelegt, damit der BGH eine Revision zulässt. Gleichzeitig konnte Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner in der Sitzung Entwarnung geben, was die drohende finanzielle Belastung der Stadt angeht. Der Badische Gemeinde-Versicherungsverband BGV habe sich bereiterklärt, den im Urteil des Landgerichtes Mannheim ausgewiesenen und vom Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigten Zahlungsbetrag (inklusive Verzinsung) in Höhe von rund 231 000
Euro zu tragen und in Vorlage zu treten bis zum endgültigen Abschluss des Verfahrens.
In der Tat, so der Tenor im Ratssaal, ist der seit Jahren schwelende Rechtsstreit zwischen der Stadt und der Bahn um die Kostenbeteiligung wegen der Bodenverunreinigungen am Bahnhof kompliziert. Rechtsanwalt Schüssler zeichnete in der Sitzung den Vorgang nach: Es beginnt 1951, in diesem Jahr verpachtete die Deutsche Bahn das Grundstück südlich des Bahnhofsgebäudes an einen Investor, derdort eine Ladenzeile errichtete – unter anderem eine Textil-Reinigung. Die Bahn ist immer Eigentümer des Grundstücks geblieben. Spätestens seit den frühen 1970er Jahren leitete die Textil-Reinigung – ohne Wissen der Stadt und gegen die rechtskräftigen Regeln der Abwassersatzung, also illegal – den giftigen Chlorkohlenwasserstoff Perchlorethylen, kurz „Per“, durch den Hausanschluss in den städtischen Kanal.
In den 1990er Jahren wurde die Verunreinigung bekannt, das Wasserrechtsamt des Rhein-Neckar- Kreises ordnete daraufhin eine Altlastensanierung an. So geschah es auch. Wie es sich später herausstellte, waren der Hauskanal und der Anschluss an den kommunalen Sammler mangelhaft. So war das giftige Abwasser ins Erdreich geraten. Die Sanierung ging weiter.
Es war im Jahr 2005 da flatterte beim Tiefbauamt plötzlich eine Rechnung auf den Tisch. Darin hieß es, die Stadt habe sich an den Erkundungskosten zu beteiligen. Hintergrund: Eine Klage gegen den früheren Reinigungsbetreiber war ins Leere gelaufen; die Firma gab es nicht mehr. Die Stadt war sich keiner Schuld bewusst und verweigerte die Zahlung. Daraufhin wurde sie von der Bahn verklagt – der Beginn des seit damals schwelenden Rechtsstreites.
Nun geht es darum, ob die Stadt seinerzeit, als die Reinigung ihren Anschluss vorgenommen hat, ihrer Überwachungspflicht genügend nachgekommen ist oder nicht. Weil der Rechtsstreit vor dem BGH noch anhängig ist, der Versicherungsverband hinsichtlich der Kosten nun in Vorlage getreten ist und der Stadt zunächst keine weiteren Kosten entstehen, war in der Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt noch keine Beschlussfassung erforderlich.
Vertreter des Gremiums beschwerten sich über mangelhafte inhaltliche Information im Vorfeld der Sitzung. Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner räumte in diesem Zusammenhang Versäumnisse ein und versprach Besserung.”
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